Der Torre Caja Madrid (links) ist das höchste Hochhaus Spaniens. Das Geldhaus kaufte ihn vor der Fertigstellung 2007 vom Mineralölkonzerns Repsol. Foto: Mauritius

Viele spanische Sparer sind in der Finanzkrise mit Vorzugsaktien um ihre Ersparnisse gebracht worden – bestraft werden die Verantwortlichen für diese dubiosen Geschäfte jedoch nicht.

Madrid -   „Ich werde Ihnen etwas gestehen“, erzählte die spanische Fernsehmoderatorin Mamen Mendizabal am Freitag ihren Zuschauern. „Meine Großeltern lebten in einem Heim. Mein Großvater war schon nicht mehr klar im Kopf. Der Filialdirektor nahm sie in einem Taxi mit zur Bank, verkaufte ihnen die Vorzugsaktien und fälschte die Unterschrift meiner Großmutter. Wenn das für den Richter Andreu kein Betrug ist, dann helfe Gott.“

  Fernando Andreu, von dem Mendizabal sprach, ist Untersuchungsrichter an Spaniens Nationalem Gerichtshof, der sich mit Fällen organisierter Kriminalität befasst. Fünf Jahre lang ermittelte er in einem der größten Finanzskandale, die Spanien in den vergangenen Jahren über sich ergehen lassen musste: dem Verkauf sogenannter Vorzugsaktien an Hunderttausende ahnungslose Sparkassenkunden, von denen viele, so wie Mendizabals Großeltern, ihre Ersparnisse verloren. Das Geld haben die meisten von ihnen irgendwann wiederbekommen.

Doch die Verantwortlichen für das Milliardendesaster sind straffrei geblieben. So hat es Richter Andreu entschieden. Er könne keinen „vorgefassten, orchestrierten Plan“ erkennen, um die Kunden zu betrügen, schrieb er in seinem dieser Tage veröffentlichen Beschluss. Alles wieder nur widrige Umstände.  

Sparkassen gaben Vorzugsaktien aus, die keine Vorzüge hatten

Es ist jetzt ziemlich genau zehn Jahre her, dass Spanien aus einem langen glücklichen Traum erwachte: dem Traum, in einem ewig prosperierenden Land zu leben, das bald zu den ganz großen, starken Volkswirtschaften dieser Welt gehören würde. Die Droge, die diesen Traum ermöglichte, waren niedrige Zinsen, die einen unhaltbaren Immobilienboom befeuerten.

2008 platzte die Blase. Die Banken, vor allem aber die Sparkassen, konnten einen Großteil ihrer sorglos vergebenen Kredite nicht wieder eintreiben. Sie brauchten frisches Eigenkapital. Sie gaben Vorzugsaktien aus, die trotz ihrem Namen keine besonderen Vorzüge besitzen und die auch niemand haben wollte.

Also beschwatzten sie ihre treuen Kunden: hohe Verzinsung! Kein Risiko! Jederzeit verfügbar! Das Geschäft brummte. „1,3 Milliarden Euro!!!!!“, schrieb ein euphorischer Mitarbeiter dem damaligen Chef der Caja Madrid, Miguel Blesa, in einer Mail im Mai 2009. „Historische Rekordplatzierung an einem einzigen Tag.“  

Die Kunden wussten oft nicht, was sie da kauften. Es gibt Dutzende Geschichten von geprellten Anlegern, die keine Ahnung von Geldgeschäften hatten, von Analphabeten, die mit einem Fingerabdruck zeichneten, von Alzheimer-Patienten, von Alten, von Filialdirektoren, die selber nicht verstanden, was sie da verkauften. Sie merkten es erst später, als sich herausstellte, dass es für diese Anteilsscheine an taumelnden Geldhäusern keinen Markt gab. Das Kapital, das sich die Sparkassen von ihren Kunden erschlichen hatten, verdampfte.

Drei Viertel der Kunden konnten nachweisen, dass sie übers Ohr gehauen wurden

In einem Verzweiflungsakt fusionierte die Caja Madrid 2010 mit sechs anderen Sparkassen zu einem neuen Geldhaus, Bankia, das zwei Jahre später mit mehr als 20 Milliarden Euro Steuergeld gerettet werden musste.   Heute, unter neuer Führung, ist Bankia wieder ein gewinnbringendes Institut, wenn auch nicht gewinnbringend genug, um den Großteil des geschenkten Geldes an den Staat zurückzahlen zu können.

Die mit den Vorzugsaktien um ihre Ersparnisse gebrachten Bankia-Kunden erstritten sich vor Gericht insgesamt 1,7 Milliarden Euro ihrer Einlagen zurück, weitere 1,1 Milliarden Euro gab Bankia vor zwei Jahren nach einem Schiedsverfahren an andere Geschädigte aus – insgesamt konnten drei Viertel der Vorzugsaktienkäufer, rund 170 000 Anleger, nachweisen, dass sie von ihrer Sparkasse des Vertrauens übers Ohr gehauen worden waren.   Dass niemand für diesen Skanal strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, wollen die Kläger beim Nationalen Gerichtshof nicht einsehen. Einer der klagenden Verbände hat am Dienstag Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Richters Andreu eingelegt.