Das Fluxus in der Calwer Passage Foto: Horst Rudel

Totgesagte leben länger. Anfangs sollte das Experiment in der Calwer Passage nur drei Monate dauern. Jetzt wurde der Vertrag schon wieder verlängert. Bis Ende 2017. Davon profitieren nicht nur Händler und Kunden. Der Platz ist laut Gastronom Basti Sommer auch „sicherer geworden“.

Stuttgart - Die Stunde hat hier 90 Minuten. Es ist als dehnte sich die Zeit. Keiner hat Stress. Keiner hetzt. Alles ist gechillt. Sogar die Verkäufer des Là pour Là, die gerade nichts tun haben, gönnen sich eine Auszeit in den Liegestühlen vor dem Laden in der Calwer Passage. Das ist Fluxus. Alles fließt. Und an jeder Ecke lauert das, was die Tempory Concept Mall ausmachen soll: der Zeitgeist.

Ihn aus dieser kleinen Ecke wieder zu vertreiben, scheint gar nicht so leicht. Denn das Fluxus geht nun in die dritte Verlängerung. Nach dem Verkauf der Passage von der Württembergischen an die Piech Holding wurden aus anfänglich drei Monaten, ein weiteres Jahr und nun die erneute Verlängerung bis Ende 2017. Erfinder und Betreiber des Experiments, Hannes Steim, hätte sich das wohl nie träumen lassen. Denn aus Sicht eines Investors müsste hier viel mehr Rendite rauszuholen sein. So werden bei der Vermietung kleinere Brötchen gebacken. Daher wird hier immer wieder auf Zeit gespielt. Irgendwann soll aus dem zeitlich begrenzten Kleinod eine ganz große Nummer werden.

Alle hoffen, dass es 2018 weiter geht

Nun also ab 2018. Doch nicht alle glauben, dass sich das realisieren lässt. Das liegt auch daran, dass die Passage unter Denkmalschutz steht. Es ist unmöglich, die Kleinteiligkeit mit der Walze zu planieren, um etwas ganz anderes zu bauen. Daher sieht Basti Sommer vom Club Cape Collins das Ganze sehr entspannt. Sein Mietvertrag für die Räume vor der Passage (früher Bergland) ist bis 2020 datiert. „Ich würde mich sehr wundern, wenn hier tatsächlich etwas passiert“, sagt er.

Davon geht Pilvi Moehrle vom Fluxus-Betreiber Farbeweiss jedoch aus. „Schon bei dieser Verlängerung haben wir bis zuletzt gebibbert, ob es klappt“, sagt sie, „daher freuen wir uns riesig, dass es bis Ende 2017 weitergeht.“ Allerdings gelte bis zu diesem Ende der Mall das bekannte Konzept: Die einzige Konstante im Fluxus ist der Wandel. „Wir haben zu Beginn des neuen Jahres drei neue Läden präsentieren“, sagt Pilvi Moehrle, „denn die Sache soll ja spannend und überraschend bleiben.“

Subkultur schafft Kultur

Darin liegt wohl tatsächlich einer der Erfolgsfaktoren des Fluxus. Der Kunde darf hier das Unerwartbare erwarten. Also genau das Gegenteil, das die von Filialisten geprägte Innenstadt bietet. „Die Stadt ist doch langweilig geworden“, sagt Pilvi Moehrle, „aber im Fluxus findet man das Spezielle.“ Gastronom Bastian Sommer stimmt zu. „Seitdem hier das Fluxus ist, lebt der Platz vor der Passage wieder, er hat Flair.“ Subkultur schafft Kultur. So wie einst die Bar Pauls Boutique aus dem Schlossplatz wieder einen Treffpunkt gemacht hat. Sommer sieht noch weitere positive Aspekte einer kleinen Stadtentwicklung: „Seitdem hier Leben ist, sind die Penner weg und die Leute trauen sich nachts wieder durch die Passage oder in die Unterführung.“

Unter den Händlern und Gastronomen im Fluxus ist die Freude über die Verlängerung jedenfalls riesengroß. Für Sandro Trovato vom Lala kommt es passgenau. Für ihn wäre es jammerschade gewesen, wenn er seine Mission, den „Stuttgartern gesundes Essen näher zu bringen“, 2018 zu Ende gewesen wäre. Auch Babsy vom Tattoo-Studio Black Liquid ist von der Vertagsverlängerung begeistert: „Wir haben hier genau die Kundschaft, die wir brauchen: junge, offene Menschen, Hipster, Kreative.“ Für sie ist das Fluxus wie ein Schmelztiegel. „Hier herrscht ein großes Gemeinschaftsgefühl“, sagt sie, „ich habe hier schon sogar Freundschaften geschlossen.“

Natürlich wissen alle in der Calwer Passage, dass sie von dem Konzept Fluxus profitieren. Denn gerade die Endlichkeit gibt der Mall ihren Charme. Und doch wollen alle nur eines: Dass es auch im Jahr 2018 weitergeht. „Ja“, sagt Babsy vom Tatoo-Studio, „das wäre ein Traum.“