23 Minuten nach dem Start auf der Sinai-Halbinsel verschwand der russische Ferienflieger von den Radarschirmen. Eine erste Erkenntnis: Die Maschine brach vermutlich auseinander.

Kairo/Moskau - Bei der Flugzeugkatastrophe mit 224 Toten ist der russische Ferienflieger wahrscheinlich schon in der Luft über der Sinai-Halbinsel zerbrochen. Das geht aus ersten Einschätzungen Moskauer Behörden zu dem bislang weltweit schwersten Flugzeugunglück dieses Jahres hervor. „Die Zerstörung ist in der Luft geschehen“, sagte Viktor Sorotschenko von der Untersuchungskommission am Sonntag. Aber es sei zu früh weitere Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Die Trümmer des Airbus A321 seien auf einer Fläche von 20 Quadratkilometern verstreut, ergänzte er russischen Agenturen zufolge. Das Flugzeug war nach dem Start in dem ägyptischen Badeort Scharm el Scheich am Samstagmorgen vom Radar verschwunden.

Nach Angaben der russischen Justiz gab es bei den Besatzungsmitgliedern des Airbus A-321 der Fluggesellschaft Kolavia keine Auffälligkeiten. „Die Piloten und Stewards sind vor dem Start in Scharm el Scheich medizinisch geprüft und für flugtauglich erklärt worden“, sagte Behördensprecherin Maja Iwanowa am Sonntag der Agentur Interfax. Die Qualität des Treibstoffs habe den Anforderungen entsprochen. Die örtlichen Behörden gehen nach Angaben aus Sicherheitskreisen von einem technischen Defekt aus.

Die meisten Passagiere des Fluges KGL 9268 nach St. Petersburg waren Urlauber aus Russland. Der Flieger mit 217 Passagieren und 7 Besatzungsmitglieder an Bord war 23 Minuten nach dem Start in Sharm el Scheich am Roten Meer vom Radar verschwunden und in der Wüstenlandschaft der Sinai-Halbinsel zerschellt. Dabei starben auch mindestens 24 Kinder.

Hat der IS die Maschine zum Absturz gebracht?

Der Flugschreiber und der Stimmenrekorder seien nach erstem Augenschein nur gering beschädigt, sagte der russische Verkehrsminister Maxim Sokolow nach seiner Ankunft in Kairo. Die noch versiegelten Blackboxen würden entweder in Russland oder in Ägypten ausgewertet.

Weite Teile im Norden der Sinai-Halbinsel sind militärisches Sperrgebiet. Extremistengruppen sind dort aktiv - darunter auch ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Dieser hatte in einem nicht verifizierbaren Bekennerschreiben behauptet, die Maschine zum Absturz gebracht zu haben. Experten und Regierungsangehörige Russlands und Ägyptens bezeichneten dies allerdings als unwahrscheinlich oder schlossen einen Anschlag aus.

Doch allein die Behauptung der Extremisten reichte aus, um die Sicherheitsvorkehrungen bei einigen Fluggesellschaften zu erhöhen: Die Lufthansa, Air France und Emirates gaben bekannt, den Sinai bis auf Weiteres zu umfliegen. Das Bundesverkehrsministerium weitete seine Warnung vor dem Überfliegen des Nordsinai auch auf den Südosten der Halbinsel aus.

Schwerste Flugzeugkatastrophe in der Geschichte Russlands

Derweil begann die Bergung der 224 Leichen. Die Überreste von 163 Passagieren seien von der Absturzstelle in die Hauptstadt Kairo transportiert worden, teilte die Regierung Ägyptens am Sonntag mit. Eine erste Maschine mit etwa 100 Opfern könne am Sonntabend nach St. Petersburg losfliegen, sagte Wladimir Stepanow vom Katastrophenschutzministerium in Moskau.

Zur Identifizierung der Opfer hätten die russischen Behörden von Verwandten DNA-Proben genommen. An der Absturzstelle nahe der Stadt Al-Arish seien etwa 100 russische Helfer mit schwerem Gerät im Einsatz. Als erste Konsequenz verbot die russische Flugaufsicht Kolavia vorerst den Betrieb ihrer A321-Maschinen. An den Ermittlungen zu Unfallursache sollen auch deutsche und französische Experten der Firma Airbus teilnehmen.

Nach der schwersten Flugzeugkatastrophe in der Geschichte Russlands riefen Behörden des Landes eine Staatstrauer bis Dienstag aus. Fernsehstationen und Radiosender wollten weitgehend auf Unterhaltungssendungen verzichten. Die orthodoxe Kirche sowie Moscheen und Synagogen haben Gottesdienste organisiert. Behörden sagten Festveranstaltungen ab. Auf dem St. Petersburger Flughafen Pulkowo richtete das Katastrophenschutzministerium einen Krisenstab ein. Etwa 100 Angehörige würden von Psychologen und Ärzte betreuet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in einem Telefonat ihr Beileid aus. Auch Bundespräsident Joachim Gauck, Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Papst Franziskus kondolierten.

Branchenberichten zufolge besuchten im vergangenen Jahr etwa drei Millionen Russen Ägypten - dies sei die größte ausländische Gruppe gewesen, hieß es.