Trauernde Anhänger des FC Chapecoense treffen sich vor dem Clubhaus in Chapeco. Foto:  

Auf dem Weg zum Finale des Südamerika-Cups in Kolumbien stürzt eine Maschine mit einer brasilianischen Erstligamannschaft ab. 76 Menschen kommen ums Leben. Immer wieder verunglücken Sportmannschaften auf diese tragische Weise.

Bogota - Ganz leise singen die Fans das Lied, das jeder brasilianische Fußball-Fan verinnerlicht hat: „Ich bin Brasilianer, voller Stolz“, diesmal fügen sie noch den Namen ihres Vereins hinzu: Chapecoense. Normaler brüllen sie diesen Song, doch heute schnürt die Trauer den Anhängern die Kehle zu. Die Szenen, die sich wenige Stunden nach dem Absturz eines Charterfliegers auf dem Landeanflug in der kolumbianischen Metropole Medellin abspielen, sind gespenstisch. Die Fans trauern um die Spieler ihrer Mannschaft, die ums Leben kamen – rund sechs Flugstunden entfernt in den Bergen um Medellin. Nun treffen sich die Chapecoense-Fans vor dem Clubhaus und in der Nähe ihres Heimspielstadions Conda. Insgesamt 76 Tote soll das Unglück gefordert haben.

Hier in Chapecó, einer Provinzstadt in der Region Oeste Catarinense, im Westen des Bundesstaates Santa Catarina, hatte man sich auf den größten Tag der Vereinsgeschichte gefreut: Erstmals hatte der kleine Verein mit den weißgrünen Farben das Finale eines internationalen Clubwettbewerbs erreicht. Chapecoense hat nicht die Strahlkraft wie die großen Clubs Flamengo aus Rio de Janeiro oder Corinthians aus Sao Paulo, dafür eine kleine, aber treue Fangemeinde.

Ein kleiner, aber herzlicher Klub

Gastgeber wäre Atletico Nacional aus Medellin gewesen. Die aktuell beste Clubmannschaft des Kontinents, Gewinner der südamerikanischen Champions League, wollte ebenfalls Geschichte schreiben. Mit Trainer Reinaldo Rueda, der drei Jahre lang an der Sporthochschule in Köln studierte, planten sie, das zweite südamerikanische Clubfinale innerhalb eines Jahres gewinnen. In zwei Wochen wollten sie bei der Club-WM in Japan Real Madrid vom globalen Thron stoßen. „Ich bin am Boden zerstört. Meine Gedanken und Gebete sind bei den Angehörigen der Spieler von Chapecoense“, sagt Trainer Rueda im Gespräch mit dieser Zeitung. „Alles andere ist zweitrangig.“

Auch Paulo Rink ist entsetzt. „Ich habe viele Spieler persönlich gekannt“, sagt der frühere deutsche Nationalspieler, der in Brasilien geboren ist. Er war Mitte der 1990er Jahre Torjäger des Vereins mit dem für Europäer so unaussprechlichen Namen. „Ein kleiner, aber sehr herzlicher Club, der mir die Chance gegeben hat, mich zu beweisen.“ Von Chapecoense ging es nach Leverkusen und später – mit einem deutschen Pass – bis in die Nationalmannschaft.

Die Mannschaft ist praktisch ausgelöscht

Rink ist inzwischen Kommunalpolitiker in seiner Heimatstadt Curitiba. Bei der Fußball-WM 2014 war er als WM-Botschafter aktiv. Im Stadion von Curitiba sollte das Final-Rückspiel stattfinden, weil die Arena in Chapecó zu klein ist und nicht dem Standard für internationale Top-Spiele entspricht. Der Verein war in der Copa Sudamericana, die der UEFA Europa League entspricht, einfach zu gut. „Ich stand mit dem Klubpräsidenten in Kontakt und habe geholfen, alles vorzubereiten. Ich weiß nicht, wie es mit Chapecoense weitergehen soll. Die Mannschaft ist ja praktisch ausgelöscht, wenn sich das alles bestätigt.“ Am Wochenende sollte in Brasilien eigentlich der letzte Spieltag der Meisterschaftssaison stattfinden. Der Club, der jetzt keine Spieler, keinen Trainerstab und keinen Vorstand mehr hat, soll laut Spielplan gegen Atletico Mineiro antreten. „Das ist undenkbar“, sagt Rink.

Einige Spieler sollen das Unglück überlebt haben. Doch verlässliche Nachrichten aus der schwer zugänglichen Region gibt es kaum. Der Flughafen von Rionegro liegt etwa 45 Minuten außerhalb von Medellin inmitten der Anden. Airbus ließ hier einst seinen A380 testen, weil die Techniker wissen wollten, wie der Riesenflieger auf Starts und Landungen in der Höhe reagiert. Der Flughafen ist auch berüchtigt wegen des wechselnden Wetters: Gewitter und Nebel machen es den Piloten schwer. Absturzursache des bolivianischen Fliegers vom Typ RJ85 sollen elektronische Probleme gewesen sein. Für die Kleinstadt Chapecó und ihren Verein wird dieser Tag der dunkelste in der Geschichte bleiben.