Piloten gehören zu den gesündesten Arbeitnehmern. Sie achten offenbar besonders auf sich. Foto: /Carlos Santa Maria

Im Flugmedizinischen Zentrum ACG in Filderstadt wird die Gesundheit von Piloten, Fluglotsen und Flugbegleitern aus der ganzen Welt überprüft. Eine Aufgabe mit großer Verantwortung – nicht erst seit dem mutmaßlichen Selbstmord eines Germanwings-Piloten.

Filderstadt - Wer in die Luft will, der muss fit sein. Schließlich trägt das Flugpersonal eine immense Verantwortung dafür, dass alle Passagiere sicher am Ziel ankommen. Ein Herzinfarkt oder ein epileptischer Anfall im Cockpit könnten schwerwiegende Folgen haben. Beim Aeromedical Center Germany (ACG) in Bernhausen, einem von fünf flugmedizinischen Zentren in Deutschland, werden Fluglotsen, Flugbegleiter und vor allem Piloten auf Herz und Nieren geprüft. „Wir haben ein gut funktionierendes System. Piloten werden gründlich und gut untersucht“, versichert der Ärztliche Leiter Dr. Roland Quast. Ihm sei kein Fall bekannt, bei dem ein körperliches Leiden Folgen für einen Flug gehabt hätte.

Zum ACG nach Bernhausen kommen nicht nur Piloten aus Deutschland, sondern aus der ganzen Welt. „Heute Morgen war einer aus Dubai hier“, sagt Quast. In seinem Heimatland hätte er monatelang auf einen Termin warten müssen, weshalb er sich sein Tauglichkeitszeugnis in Bernhausen ausstellen ließ. Da die gesundheitlichen Standards weltweit quasi die gleichen sind, ist das möglich. „Nur für Kanada und Australien sind wir nicht zugelassen“, sagt der Flugmediziner. Dort seien die Altersgrenzen zum Teil anders, die grundlegenden Standards seien aber auch dort dieselben. „Die Luftfahrt ist der erste Bereich, wo internationale Zusammenarbeit funktioniert und auch funktionieren muss.“

Jeder Blutdruck wird dem Luftfahrtbundesamt gemeldet

Im Flugmedizinischen Zentrum in Sichtweite des Flughafens werden zum einen die Erstuntersuchungen von Fluganwärtern durchgeführt. Um ihre Ausbildung überhaupt antreten zu dürfen, benötigen sie ein Tauglichkeitszeugnis. Blut und Urin, Herz, Lunge, Augen, der Hals-, Nasen-, Ohrenbereich sowie Nervensystem und Gehirn werden gründlich gecheckt. Alle Werte werden direkt an das Luftfahrtbundesamt übermittelt. „Wir müssen uns mit dem ganzen Menschen auseinandersetzen“, erklärt Quast. Doch auch ein Pilot müsse nicht perfekt sein. Das hartnäckige Gerücht, dass wer fehlsichtig ist oder eine Plombe hat nie ein Flugzeug steuern darf, stimme nicht. „Piloten sind Menschen“, betont Quast, der selbst 15 Jahre lang Jet geflogen ist.

Neben den Fluganwärtern wird in Bernhausen auch jenes Flugpersonal unter die Lupe genommen, das bereits seine Zulassung hat, wo aber eine Auffälligkeit festgestellt wurde. „Wenn die zu uns kommen, haben die Angst“, sagt Quast. Schließlich hängt ihre berufliche Existenz davon ab, ob sie als tauglich eingestuft werden oder nicht. Solange die Untersuchungen laufen, wird die Flugerlaubnis nicht erneuert. „Nur mit einem Tauglichkeitszeugnis ist ein Flugschein gültig. Er ist das Kernstück der Karriere“, sagt der Ärztliche Direktor. Eine Erkrankung muss aber nicht zwingend das Ende der Flugkarriere bedeuten. „Wenn wir etwas gut überwachen können, dann verlangen wir konkrete Untersuchungen in regelmäßigem Abstand.“ In manchen Fällen werde verlangt, dass ein Pilot nicht mehr alleine, sondern nur noch in Begleitung eines Co-Piloten fliegen darf – Quast nennt dies das Doppelsystem der Redundanz, das in der Luftfahrt sowohl bei der Technik als auch beim Personal häufig gelte. Andere Erkrankungen wiederum sind ein Ausschlusskriterium: „Bei Herzrhythmusstörungen sehen wir rot.“

Kontrolliert wird regelmäßig

Dass Piloten tatsächlich ihre Flugerlaubnis verlieren, passiert selten. Bei etwa acht Prozent fällt etwas auf, das genauer untersucht werden muss; lediglich ein Prozent verliert tatsächlich die Fluglizenz, schätzt Quast. Er hat eine Vermutung, warum die Zahl so gering ist: Piloten gehörten zur sogenannten healthy worker group, also einer Gruppe von besonders gesunden Arbeitnehmern. „Sie bilden keinen normalen Querschnitt der Bevölkerung ab.“ Vielmehr wüssten Flieger, dass sowohl ihr Beruf als auch ihre Leidenschaft von ihrer Gesundheit abhänge. Vermutlich achteten sie deshalb besser darauf.

Der Fokus liegt auch auf der Psyche

Neben körperlichen Kriterien wird auch die Psyche des Flugpersonals unter die Lupe genommen. Seit dem Absturz einer Germanwings-Maschine im März 2015, der mutmaßlich auf den Selbstmord des Co-Piloten zurückzuführen ist, liegt der Fokus verstärkt auf diesem Bereich. „Das hat die Flugmedizin weltweit verändert“, sagt Quast. Er selbst arbeitete in einer deutschlandweiten Arbeitsgruppe mit, die sich mit der Frage beschäftigte: Lässt sich so etwas verhindern?

Als Konsequenz hätten Fluggesellschaften verlangt, dass bei Piloten regelmäßig Alkoholtest durchgeführt werden. Seit diesem Jahr sind Drogen- und Alkoholtests bei den Erstuntersuchungen vorgeschrieben. Zudem müssen Fluggesellschaften Anlaufstellen haben, wo sich Piloten mit Problemen hinwenden können. Fällt einem Flugmediziner etwas auf, muss er dies sofort melden. Und auch der Pilot selbst hat die Pflicht dazu, sowohl psychische als auch gesundheitliche Probleme umgehend zu melden. Tut er dies nicht, verliert seine Fluglizenz automatisch ihre Gültigkeit, wenn seine Geheimhaltung auffliegt. Die Angst eines Piloten, dass er nie wieder ein Cockpit betreten darf, wenn er einem Arzt von persönlichen Sorgen berichtet, sei hingegen falsch, betont Quast. Zum Beispiel könne eine Scheidung einen Piloten vorübergehend stark belasten, „aber wenn er die verkraftet hat, kommt er auch wieder auf die Beine“.

Definitiv kein Flugzeug, keinen Segelflieger oder Hubschrauber darf ein Pilot hingegen mehr fliegen, wenn er seinen 65. Geburtstag gefeiert hat, sagt Quast. „Dann ist Schluss.“