Südwest-Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Foto) weist Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer Mitschuld an Fluglärm-„Debakel“ zu. Foto: dpa

Südwest-Ministerpräsident Kretschmann nannte es einen Fehler, dass die Schweiz nur mit Deutschland über den Fluglärm-Staatsvertrag verhandelt habe, nicht mit dem betroffenen Bundesland Baden-Württemberg.

Zürich/Stuttgart - Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) macht für das Scheitern des deutsch-schweizerischen Fluglärm-Staatsvertrags besonders den Bundesverkehrsminister verantwortlich. „Der zuständige Bundesminister Peter Ramsauer (CSU) trägt eine große Verantwortung für das Debakel“, sagte Kretschmann dem Schweizerischen „Tages-Anzeiger“. Allerdings hätten die Verhandlungsführer auf beiden Seiten „ihren Job nicht wirklich gut gemacht“.

Kretschmann nannte es einen Fehler, dass die Eidgenossenschaft nur mit der Bundesrepublik Deutschland verhandelt habe, aber nicht mit dem betroffenen Bundesland Baden-Württemberg. „Ich bin sicher: Hätten wir direkt mit den Kantonen auf der anderen Seite der Grenze verhandelt, hätten wir es hingekriegt“, sagte er. Wichtige Dinge habe er als Ministerpräsident des stark betroffenen Bundeslands Baden-Württemberg aus der Zeitung erfahren.

Den Vertrag hatten Ramsauer und seine schweizerische Kollegin Doris Leuthard am 4. September paraphiert. Das ausgehandelte Werk wird in Baden-Württemberg von allen Parteien abgelehnt. Sie kritisieren, dass der Vertrag eine Interpretation zulässt, wonach keine Verkehrsentlastung garantiert werden muss, sondern im Gegenteil sogar eine Mehrbelastung zulässig ist. Ramsauer sagte daraufhin zu, die noch ausstehende Ratifizierung für Nachverhandlungen nutzen zu wollen.

Vertrag ist „ungenügend“

Kretschmann betonte, er habe den Vertrag zuerst begrüßt, gleichzeitig habe er aber immer gesagt, das Kleingedruckte dürfe dem Grossgedruckten nicht widersprechen. Flugrouten und Flughöhen seien wichtige konkrete Fragen, die geklärt werden müssen. „Da ist der Vertrag ungenügend. Er regelt diese Dinge nicht genau. Und wenn zwei Seiten einen Vertrag so unterschiedlich auslegen wie Deutschland und die Schweiz, spricht es nicht für dessen Qualität“, sagte er.

FDP-Landesvorsitzende Birgit Homburger kritisierte Kretschmann dafür, dass er die Verantwortung für das Scheitern des Vertrags von sich weise. Der Ministerpräsident solle öffentlich zugeben, dass die grün-rote Landesregierung bei den Verhandlungen beteiligt gewesen sei und daher eine Mitverantwortung für das Debakel trage. „Die Verhandlungsdelegation bestand aus Bund, Land Baden-Württemberg und Vertretern der Landkreise“, erklärte sie am Samstag. Dass Kretschmann wichtige Dinge erst aus der Zeitung erfahren haben wolle, werfe die Frage auf, warum die regierungsinternen Informationskanäle nicht funktionierten.