Am Stuttgarter Flughafen will die Betreibergesellschaft nächstes Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben. Foto: imago/Arnulf /Hettrich

Die Betreibergesellschaft des Stuttgarter Flughafens wird 100 Jahre alt. Im Gespräch erklärt das Führungsduo Ulrich Heppe und Carsten Poralla, wie sie mit Klimaprotesten umgehen und welche Bedeutung Wasserstoff künftig für das Fliegen haben soll.

Der Flughafen Stuttgart ist selbst schon ordentlich rumgekommen. Auf Anfänge auf dem Wasen folgte ein Gastspiel in Böblingen, ehe der heutige Standort in Betrieb genommen und stetig ausgebaut worden ist. Jahrelang stiegen die Fluggastzahlen kontinuierlich, bis Corona dieser Entwicklung ein vorläufiges Ende bereitete. In Zeiten wachsenden Umweltbewusstseins wird hierzulande Fliegen kritischer gesehen. In der Flughafen-Chefetage glaubt man jedoch an eine Erholung der Geschäfte und baut auf die wieder erwachte Lust am Fliegen. Die beiden Geschäftsführer Ulrich Heppe und Carsten Poralla erklären im Gespräch, wohin die Reise gehen soll.

 

Die Flughafengesellschaft feiert im September ihr 100-jähriges Bestehen. Hat das Unternehmen die besten Jahre hinter sich?

Heppe: Auf keinen Fall. Wir schauen positiv in die Zukunft. Weltweit nimmt die Nachfrage nach Flugreisen wieder zu. Wir hatten vor Corona 12,7 Millionen Passagiere in einem Jahr und erwarten dieses Jahr wieder 9,4 Millionen Fluggäste. Die Menschen wollen reisen. Das große Wachstum wird aber in Südostasien und in Indien stattfinden.

Poralla: Wir sind Landesflughafen einer der wirtschaftsstärksten Regionen in Europa. Wir haben noch viel vor.

Warum hinkt die Erholung am Flughafen Stuttgart der Entwicklung andernorts hinterher?

Heppe: Deutschland ist in Europa bei der Erholung Schlusslicht, was an den hohen Standortkosten liegt. Anders als in vielen anderen europäischen Ländern haben wir eine Luftverkehrssteuer, wir haben eine hohe Luftsicherheitsgebühr, hohe Flugsicherungsgebühren. Das sind staatliche Gebühren. Die eigentlichen Flughafenkosten sind nicht so hoch. In Stuttgart sind wir bei der Erholung im Bundesdurchschnitt – wenn man bedenkt, dass wir vor Corona noch Anbieter wie Ryanair und Easyjet hatten. Die sind nun in Deutschland nur noch an wenigen Airports vertreten.

Ist absehbar, dass der Bund die Gebühren senkt?

Heppe: Für uns ist wichtig, dass es ein Belastungsmoratorium gibt und der Gesetzgeber nicht noch was obendrauf sattelt. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit noch zusätzlich erschweren.

Der Flughafen hat in den zurückliegenden vier Jahren rote Zahlen geschrieben. Wann kehren Sie in die Gewinnzone zurück?

Heppe: Wir erwarten im kommenden Jahr wieder Profitabilität.

Und müssen dann Schulden tilgen.

Heppe: Unser Schuldenstand hat sich leicht erhöht, aber wir haben eine hohe Eigenkapitalquote von über 60 Prozent. Darum beneiden uns viele andere Flughafenbetreiber.

Darf es in Zeiten eines stärker werdenden Umwelt- und Klimabewusstseins überhaupt eine Wachstumsstrategie geben?

Heppe: Wir sehen, dass die Nachfrage nach Flugreisen zunimmt. Wir sind öffentliche Infrastruktur und bedienen als Teil der Daseinsvorsorge dieses Bedürfnis der Gesellschaft nach Mobilität.

Ein Teil dieses Mobilitätsbedürfnis‘ speist sich aus dem Wirtschaftsstandort. Welche Forderungen stellt diese Kundengruppe?

Heppe: Wir haben zusammen mit der IHK Stuttgart mehr als 400 Unternehmen befragt. Sie schätzen den Flughafen Stuttgart sehr, wünschen sich aber weitere Verbindungen nach Nordamerika, aber auch Richtung Indien und Persischen Golf.

Sie haben Gespräche mit Vertretern der Klimaschutzbewegung geführt. Anders als in Köln, Frankfurt und Leipzig, wo es zuletzt Proteste auf den Landebahnen gab, wurde in Stuttgart lediglich in den Terminals demonstriert. Zahlt sich Ihre Strategie aus?

Heppe: Wir suchen den Austausch mit den Klimaaktivisten und sprechen auf Augenhöhe mit ihnen. In den Gesprächen wird lebhaft diskutiert. Wir freuen uns, dass sie bei uns keine Straftaten begehen, wie es anderswo passiert. Wir haben das gleiche Ziel und das ist der Umweltschutz. Wir wissen: Fliegen schadet dem Klima. Wir haben aber unterschiedliche Ansätze, wie man das Fliegen klimaneutral hinbekommt. Wir sind gegen Flugverbote und für klimaschonende Technologien.

Ihre Strategie dazu lautet STRzero. Wie weit sind sie damit bisher gekommen?

Poralla: Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2040 netto-treibhausgasneutral zu sein. Das erreichen wir über verschiedene Zwischenschritte. Wir sind dafür im Terminplan und bewegen uns im vorgesehenen Investitionsvolumen von über 2 Milliarden Euro. Los geht es mit Terminal 4 und dem Airport Operations Center und einem konsequenten Ausbau der PV-Anlagen.

Ist das nicht nur ein Feigenblatt? Der Großteil der Emissionen am Flughafen entsteht nicht in den Gebäuden, sondern beim Fliegen.

Heppe: Den Bereich schauen wir uns auch genau an. Über unsere Entgeltordnung können wir die Airlines animieren, auf alternative Antriebsmethoden umzusteigen. Es geht um das elektrische Fliegen oder ums Wasserstoffliegen. Da müssen wir als Flughafen die notwendige Infrastruktur entwickeln. Die Kurzstrecke muss batterieelektrisch geflogen werden, die Mittelstrecke mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle und die Langstrecke mit nachhaltigem Kerosin. Bis 2050 kommen wir so zum emissionsfreien Fliegen. Das ist das Ziel der Branche.

Da passt es, dass am Flughafen ein Wasserstoff-Exzellenzzentrum entstehen soll, um das es zuletzt aber ruhig geworden ist.

Poralla: Den Wasserstoff-Exzellenz-Hangar, wie er ursprünglich geplant war, wird es in dieser Form nicht geben. Während der Planungsphase hat sich gezeigt, dass sich die Anforderungen geändert haben. Es wird stattdessen eine andere Art der Kooperation geben. Wie die aussehen wird, arbeiten wir gerade mit unseren Partnern aus.

Heppe: Das eigentliche Wichtige – die Forschung findet trotzdem statt. Wir sind Mitglied in zwei großen Projekten zum Wasserstofffliegen, da ist das Stuttgarter Unternehmen H2fly dabei, da ist Airbus dabei, da sind Universitäten und andere Flughäfen mit dabei. Wir klären schon heute: wie kommt der Wasserstoff an den Flughafen, wie lagere ich ihn dort, wie betanke ich die Flugzeuge damit. Dafür müssen Prozesse entwickelt werden.

Entscheidet sich an der Wasserstoffrage die Zukunft eines Flughafens und ob es den Airport Stuttgart auch noch in weiteren 100 Jahren gibt?

Heppe: Für uns ist das enorm wichtig. Unser aktuelles Streckennetz könnte man größtenteils mit Wasserstoff fliegen. Die Flugzeuge werden eine Reichweite von 2500 Kilometer haben. Nach Mallorca sind’s 1000 Kilometer, nach Faro im Süden Portugals sind es 2000 Kilometer. 43 Prozent der Emission im Flugverkehr werden weltweit auf Strecken unter 2000 Kilometern verursacht.

116 Flugziele in 35 Ländern

Geschäftsführung
 Seit 1. Februar 2023 ist Carsten Poralla Geschäftsführer der Flughafen Stuttgart GmbH für den Bereich Non-Aviation. Dieser umfasst den Bau- und Immobilienbereich, den Infrastruktur- und IT-Bereich sowie die Masterplanung des Landesflughafens. Ulrich Heppe ist seit 1. Februar 2023 Sprecher der Geschäftsführung der Flughafen Stuttgart GmbH. Er verantwortet aktuell die Bereiche Aviation, Betrieb, Finanzen, Sicherheit, Kommunikation, Einkauf, Recht und Personal.

Fakten
 Der Flughafen Stuttgart zählte 2023 insgesamt 8,4 Millionen Fluggäste, von 46 Airlines wurden 116 Flugziele in 35 Ländern angeflogen. Das Flughafengelände umfasst rund 400 Hektar, davon rund 190 Hektar Grünfläche. Seit 2014 trägt der Flughafen Stuttgart den Namen Manfred-Rommel-Flughafen. Damit wird das Wirken des langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden und Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel gewürdigt.