Im Juli traf ein Streik des Kabinenpersonals Ryanair-Passagiere, wie hier in Madrid. Diesen Freitag fallen wegen eines Streiks der Piloten europaweit viele Flüge bei der irischen Billigfluglinie aus. Foto: AFP

Das Unternehmen bietet den vom Streik betroffenen Kunden kostenlose Umbuchungen oder eine Erstattung des Ticketpreises an. Weitergehende Entschädigungen lehnt es ab – die Rechtslage ist allerdings keineswegs eindeutig.

Frankfurt - Der Piloten-Streik bei Ryanair trifft allein in Deutschland über 40 000 Passagiere. Die in Stuttgart geplanten Flüge nach Dublin und Manchester sollen am Freitag zwar wie geplant starten, weil sie von Piloten aus dem Ausland gesteuert werden – rund 250 Verbindungen wurden aber gestrichen. Die betroffenen Kunden hat die irische Fluggesellschaft kontaktiert und ihnen eine kostenlose Umbuchung oder die Erstattung des Ticketpreises angeboten. Strittig ist, ob die Betroffenen darüber hinaus Anspruch auf eine Entschädigung haben. Ein Überblick über die Rechtslage.

Warum lehnt Ryanair Entschädigungszahlungen ab?

„Da diese Flugstreichungen durch außergewöhnliche Umstände verursacht werden, ist keine Entschädigung fällig“, teilte die Fluggesellschaft mit. Sie beruft sich auf eine Ausnahmeregelung in der EU-Fluggastrechteverordnung. Die Verordnung sieht zwar eine Entschädigung der Passagiere vor, wenn diese wegen einer kurzfristigen Absage ihres Fluges größere Verspätungen in Kauf nehmen müssen. Die Entschädigungspflicht entfällt aber, wenn die Annullierung „auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären“. Als Beispiel für solche Umstände werden in der Fluggastrechteverordnung ausdrücklich auch Streiks genannt.

Also besteht keinerlei Chance auf eine Entschädigung?

Das ist umstritten. Das Online-Portal Airhelp verbreitet die Einschätzung, betroffene Passagiere könnten sehr wohl Anspruch auf Entschädigungszahlungen erheben. Airhelp wirbt mit dem Versprechen, Reisenden bei der Durchsetzung solcher Ansprüche zu helfen, erhebt im Erfolgsfall allerdings eine Servicegebühr von 25 Prozent auf die erhaltene Entschädigungszahlung. Die Annahme, dass Ryanair zahlen müsse, leitet das Online-Portal aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ab. Dieser hatte im April zu einem unangekündigten Streik bei Tuifly erklärt, dieses Ereignis begründe keine Ausnahme von der Entschädigungspflicht. So sei der Ausstand „beherrschbar“ gewesen, weil er nach Einigung des Unternehmens mit dem Betriebsrat schnell beendet worden sei.

Ist das Urteil auf die aktuelle Situation anwendbar?

AirHelp hält das für wahrscheinlich: Wenn die Entschädigungspflicht selbst bei einem unangekündigten Streik greife, müsse dies für einen vorab angekündigten Ausstand erst recht gelten, argumentiert das Reiserechts-Portal. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2012 im Falle eines regulären Streiks bei Lufthansa allerdings entschieden, dass die Fluggesellschaft ihre Passagiere nicht entschädigen müsse. Rechtsanwalt Markus Mingers von der Kanzlei Mingers & Kreuzer sieht im Fall Ryanair dennoch Parallelen zu dem Rechtsstreit um Tuifly: „Der EuGH hat die Entschädigungspflicht bei Tuifly unter anderem deshalb bejaht, weil sie den Streik provoziert haben.“ Dieser Vorwurf werde auch gegen Ryanair erhoben: „Die Piloten-Gewerkschaft Cockpit sagt, das Unternehmen habe sich in den Gesprächen der vergangenen sechs Monate nicht einen Millimeter bewegt. Wenn das stimmt, dann hat Ryanair nicht alles getan, um einen Streik zu verhindern.“ Den Einwand, dieser Vorwurf werde gegen jedes bestreikte Unternehmen erhoben, lässt Mingers nicht gelten: „Normalerweise kommt es zum Streik erst, wenn sich Tarifparteien über den Prozentsatz einer Lohnerhöhung nicht einig werden. Ryanair dagegen lässt offenbar jede echte Verhandlungsbereitschaft vermissen.“ Der Anwalt empfiehlt betroffenen Passagieren, Belege für die Annullierung ihres Fluges zu sichern und bei Ryanair schriftlich eine Entschädigung zu beantragen. Wenn das Unternehmen ablehne, sei die Einschaltung eines Anwalts zu prüfen.