In diese Industriehalle im Gewerbegebiet Aichtal-Aich sind seit Mitte Oktober schon gut 230 Asylbewerber eingezogen. Maximal 300 Neuzugänge sind möglich. Foto: Horst Rudel

Aichtal hat fast nur noch ein Gesprächsthema: die Unterbringung von bis zu 300 Flüchtlingen im Gewerbegebiet Aich. Wie viele Sorgen und Anteilnahme diese Maßnahme auslöst, belegt die Völkerwanderung zum Infoabend des Landkreises Esslingen.

Aichtal - Die Festhalle in Aich ist gefüllt wie nie: Dicht gedrängt sitzen und stehen die Menschen im Saal. Selbst vor der Tür harren Dutzende Zuhörer aus. Enorm ist das Interesse der Aichtaler Bürger an der Informationsveranstaltung über die bis zu 300 Flüchtlinge, die seit Mitte Oktober in einer Halle im Gewerbegebiet Stockwiesen oberhalb von Aich untergebracht sind. Der Bürgermeister Lorenz Kruß ist angetan: „Das schafft eine gute Grundstimmung“, würdigt er den Andrang. Schönreden wolle er die Situation nicht. Die Herausforderung sei aber nur zu schultern, wenn alle an einem Strang zögen. „Jeder sollte mithelfen.“ So bewirkt Kruß mit mahnenden Worten einen relativ harmonischen Ablauf.

Vor den zahlreichen, auch kritischen Fragen schildert Christian Sigler, der Leiter des noch jungen Amtes für Flüchtlingshilfe beim Landkreis Esslingen, den Druck, unter dem seine Behörde bei der Abnahme von Flüchtlingen stehe: Wenn man dem Land keine neuen Aufnahmeplätze melde, werde noch ein „Aufschlag von zehn Prozent“ verordnet. Im Prinzip gebe es keine öffentlichen Flächen mehr. Auch die drei Sporthallen des Landkreises seien belegt. Nun würden Gewerbeobjekte angepeilt – als erstes die frühere Fabrikhalle im Gewerbegebiet Aich.

Frauen und Kinder werden bewusst ferngehalten

Dort sind 230 Flüchtlinge aus 21 Nationen versammelt. 250 sollen es rasch werden, und auch die Obergrenze von 300 dürfte bald ausgeschöpft werden. Derzeit handelt es sich ausschließlich um Männer großteils zwischen 18 und 30 Jahren, die zumeist Familien in ihrer Heimat haben. Auch Frauen und Kinder in der Halle unterzubringen, wird vermieden – dies habe schon in Kirchheim nicht funktioniert, heißt es. Mit Essen werden die Asylsuchenden mangels Küchen noch von einem Caterer beliefert, was ihnen berechnet wird. Um die ärztliche Betreuung zu gewährleisten, ist man mit dem Malteser Hilfsdienst im Gespräch. Ein Wachdienst ist rund um die Uhr vor Ort.

Die Sozialbetreuung wird von der Arbeiterwohlfahrt übernommen, wie Sonja Sambeth-Weber als Awo-Bereichsleiterin für die Fildern erläutert. Dass es auch ein großes bürgerschaftliches Engagement gibt, schildern Annette Thaler vom Runden Tisch Flüchtlingsarbeit Aichtal und ihre Mitstreiter. So halten sich an diesem Abend die Hilfsbereitschaft und die Kritik an der Unterbringung einigermaßen die Waage.

Für fünf Jahre wurde die Halle vorerst gemietet – offenbar zu hohen Marktpreisen. Zahlen will Thomas Eberhard, der Dezernatsleiter für Infrastruktur im Landratsamt, nicht nennen. Die Not werde immer größer, die in Frage kommenden Flächen seien knapp – so „wird alles teurer“. Es sei ein großer Spagat zu vollbringen zwischen der „glasklaren Forderung des Landes, Plätze zu bringen – egal wie – und der wirtschaftlichen Vertretbarkeit“. Wie lange die „Notmaßnahme“ anhält, kann er ohnehin nicht sagen. Die mehrfach geäußerte Befürchtung, dass weitere Objekte in Aichtal zur vorläufigen Unterbringung ins Auge gefasst seien, wird zurückgewiesen. Anders sieht es mit der Anschlussunterbringung nach zwei Jahren aus: Der Gemeinderat diskutiert bereits über ein Konzept, wie sich die anerkannten Asylbewerber verteilen lassen. Details lässt Kruß offen.