Wie hier in Zuffenhausen setzt die Stadt Stuttgart beim Bau von Flüchtlingsunterkünften auf Systembauten Foto: Max Kovalenko

Viele Asylbewerber kommen nach Deutschland. Sie brauchen ein Dach über dem Kopf. In Stuttgart setzt man auf Systembauten. Doch die Hersteller kommen kaum noch hinterher, die Wartezeiten werden länger.

Stuttgart - Es ist erst wenige Tage her, dass das Stuttgarter Regierungspräsidium innerhalb kürzester Zeit in Teilen der Schleyerhalle ein Notquartier für Flüchtlinge aufbauen musste. Das bedeutet: 500 Feldbetten, dazu Tische, Stühle und weiteres Material. Woher das alles so kurzfristig kam, darüber hüllten sich die Mitarbeiter in der Halle in Schweigen. Das kommt nicht von ungefähr. Angesichts der großen Zahl neuer Asylbewerber herrscht allerorten Bedarf.

„Das Inventar ist knapp“, sagt auch Stefan Spatz. Der Leiter des Stuttgarter Sozialamts muss die Versorgung von derzeit fast 4000 Flüchtlingen in der Stadt sicherstellen. Bis Ende nächsten Jahres könnten es 8000, nach neuen Prognosen gar weit über 10 000 sein. „Wir brauchen Bettgestelle, Schränke und mehr“, weiß Spatz. Und Unterkünfte. In bestehenden Gebäuden ist kaum mehr etwas zu finden – und seriöse Mietangebote aus der Bevölkerung gibt es nur wenige. „Wucherpreise zahlen wir nicht“, kommentiert Spatz vereinzelte Offerten, die aus der Unterbringungsnot Kapital schlagen wollen.

Man setzt auf Systembauten

Die Stadt setzt seit geraumer Zeit vor allem auf sogenannte Systembauten. Sie stehen gemauerten Gebäuden in wenig nach und haben mit der landläufigen Vorstellung von Containern nichts zu tun. Zudem können sie rasch erstellt werden. Bis zu zehn Jahre sollen sie im Bedarfsfall stehen, die meisten fassen zwischen 70 und 80 Personen. Allein für die derzeit geplante vierte Tranche sind elf Standorte im gesamten Stadtgebiet mit 28 Einzelgebäuden geplant. Einschließlich Planung und Ausstattung kostet das 50,5 Millionen Euro. Die nächste Tranche wird erneut mindestens 20 solcher Modulgebäude an acht Standorten umfassen.

Doch auch hier steigt die Nachfrage. „Bei der Tranche vier kommt der Markt noch hinterher. Wie das in der Zukunft sein wird, ist aber offen“, sagt Spatz. Die bisherigen Systembauten in Stuttgart kommen von zwei verschiedenen Firmen. Die Kosten variieren dabei je nach Standort und Ausschreibungsergebnis. Laut Experten gibt es bundesweit und im angrenzenden Ausland zwar 150 Unternehmen, die Container oder Modulbauten in irgendeiner Art anbieten, allerdings nur drei bis vier, die solide Gebäude wie die in Stuttgart verwendeten herstellen. Ein enger Markt, auf den der Druck derzeit massiv wächst..

„Durch die große Nachfrage nach Flüchtlingsunterkünften hat sich die Auslastung dahingehend erhöht, dass die Hersteller inzwischen Lieferzeiten von drei bis fünf Monaten haben“, sagt Günter Jösch. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes Bausysteme in Koblenz weist darauf hin, dass auch in den anderen Geschäftsfeldern die Nachfrage gedeckt werden muss: „Wir müssen natürlich weiterhin Kunden bedienen, die Kindertagesstätten, Klinikbauten oder Bürogebäude in Modulbauweise bestellt haben.“ Das Wachstum der Branche sei in den vergangenen Jahren auch ohne den Zustrom von Asylbewerbern groß gewesen.

Züblin verweist auf die Stadt

Offensiv mit den guten Geschäften umgehen wollen die Unternehmen inzwischen allerdings nicht mehr. Denn sie stehen zeitweise unter Beschuss. Auch die beiden für die Stadt Stuttgart tätigen Hersteller sind zurückhaltend. Die Firma Züblin verweist bei Auskünften auf die Stadt, der andere Betrieb will ungenannt bleiben. „Das rührt daher, dass die öffentliche Wahrnehmung aus unserer Sicht zu sehr in Richtung Profiteure und zu wenig sachlich in die Richtung Problemlösung geht“, sagt dessen Sprecher. Der Vorwurf, der immer wieder laut wird: Die Hersteller schlügen Kapital aus der Flüchtlingsnot. Das weist ein Beteiligter zurück: „Die Leute kommen ja – und müssen anständig untergebracht werden.“ Die Auftragslage sei auch so „sehr gut“.

Die Beteiligten räumen ein, dass sich die Preise zuletzt etwas erhöht haben. Das habe aber nichts mit dem Flüchtlingsdruck zu tun. „Das liegt an gestiegenen Materialpreisen beispielsweise für Dämmstoffe, Stahl und den Innenausbau der Zulieferer“, sagt Verbandsgeschäftsführer Jösch. Die Preise hingen vom gewünschten Standard und nicht von der Nachfragesituation ab. Die Betriebe der Branche seien „überwiegend sehr verantwortungsbewusste mittelständische Familienunternehmen, die nicht als Profiteure bezeichnet werden sollten". Es sei in Deutschland leider so, dass eine Branche schnell zum Buhmann erklärt werde – gerade, wenn es auf der anderen Seite um hilfsbedürftige Menschen gehe.

In wenigen Tagen sollen die 500 Flüchtlinge wieder aus der Schleyerhalle ausziehen. Die Feldbetten, Tische und Stühle dürften dann nicht lange ungenutzt bleiben. Irgendwo wartet bereits eine andere Unterkunft.