Dieses Grundstück steht der Stadt Wernau zur Verfügung. Foto: Kerstin Dannath

Wernau braucht dringend mehr Wohnraum für die Flüchtlingsunterbringung. Der Gemeinderat hat sich nun entschieden, in der Plochinger Straße nur Platz für 23 Menschen zu schaffen. Doch im Gremium gibt es auch andere Stimmen.

Die Wernauer Gemeinderäte haben die Weichen gestellt für den Bau einer Flüchtlingsunterbringung in der Plochinger Straße. Dort sollen künftig bis zu 23 Menschen untergebracht werden. „Wir sind enorm unter Druck“, sagte der Bürgermeister Armin Elbl in der jüngsten Ratssitzung. „Das, was wir an Platz haben, reicht bis Ende des Jahres.“ Immerhin hat die Stadt im Gegensatz zu anderen Kommunen im Landkreis ein kommunales, 560 Quadratmeter großes Grundstück in der Plochinger Straße in Bahnhofsnähe in petto, das ohnehin für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen war.

Basisszenario lässt Raum für Parkplätze

Im Rat entbrannte nun jedoch eine Debatte, welche Dimensionen die neue Unterkunft erhalten soll: Unterbringungsmöglichkeiten für möglichst viele Personen oder lieber weniger Plätze, dafür mehr Verträglichkeit mit der Nachbarschaft, einem älteren, gewachsenen Wohngebiet. Vorgestellt wurden zwei Varianten – der erste Entwurf namens Basisszenario nutzt das Bebauungspotenzial des Grundstücks nicht voll aus, untergebracht werden können bei einem Investitionsvolumen von etwa 1,5 Millionen Euro 23 Personen. Die ungenutzten Flächen würden hierbei auch als öffentliche Parkplätze genutzt werden. Bei maximaler Bebauung des Grundstücks, dem sogenannten Flächenszenario, gäbe es Platz für 38 Personen. Kostenpunkt 2,3 Millionen Euro – und keine zusätzlichen Stellplätze.

„Besser Wohnraum schaffen als Parkplätze“, forderte die Stadträtin Petra Binz (SPD). Es sei eine kommunale Aufgabe, ausreichend Platz für Flüchtlinge zu schaffen. Und wenn viel Platz geschaffen werde, hätte die Stadt auch später genug Raum für soziale Notlagen zu Verfügung. „Sozialer Wohnungsbau heißt aber auch Akzeptanz im Umfeld“, wandte Joachim Gelewski (Wernauer Bürgerliste/Junge Bürger ein). Der Bedarf sei ohne Frage groß, dennoch gab Gelewski der kleineren Lösung den Vorzug.

Eine Million Flüchtlinge seit Februar gezählt

Allerdings ist der Druck auf die Stadt groß. „Wir hoffen, eine Hallenbelegung bis Ende des Jahres vermeiden zu können“, sagte der Rathauschef Elbl. Letztmals war Anfang der 1990er Jahre ein Schulgebäude der Stadt mit Flüchtlingen teilbelegt. „Im Zuge der letzten Flüchtlingswelle 2015/2016 konnten wir rechtzeitig das Gebäude am Ortsausgang nach Kirchheim mit 120 Plätzen fertigstellen, das uns bis heute gute Dienste leistet“, so Elbl weiter. Aber der Flüchtlingsstrom wird immer größer. Zwischen Ende Februar und Mitte Oktober wurden laut dem Bundesinnenministerium rund eine Million Geflüchtete aus der Ukraine registriert. Davon haben rund 56 Prozent vorübergehenden Schutz erhalten. Seit dem Fall der coronabedingten Reisebeschränkungen gebe es mehr Asylanträge von Menschen aus anderen Staaten. Das stellt Städte und Länder vor immense Probleme, auch im Landkreis Esslingen.

„Sowohl aus der Ukraine als auch über die Balkanroute kommen immer mehr Menschen, die Schutz suchen.“ In Zahlen heißt das bei den Ukrainern: Ausgehend von 5500 ukrainischen Geflüchteten im Landkreis Esslingen liegt die Aufnahmequote der Stadt Wernau für ukrainische Geflüchtete in diesem Jahr bei 133 Personen. Stand 27. September müssen noch 51 geflüchtete Ukrainer bis zum 31. Dezember aufgenommen werden, also etwa 17 Menschen pro Monat. „Bereits Anfang November werden die ersten 13 ukrainischen Flüchtlinge zu uns kommen“, kündigte Elbl an. Darüber hinaus sind rund 120 Flüchtlinge aus anderen Ländern im Rahmen der Anschlussunterbringung in Wernau untergebracht. Die Stadt ist permanent auf der Suche nach anmietbaren Unterkünften, da die kommunalen Kapazitäten bis Ende des Jahres ausgeschöpft sein werden.

Erweiterung wäre denkbar

Aber viel muss nicht viel helfen – so die Meinung von CDU-Stadtrat Jens Müller: „Die Erfahrung zeigt, dass viele Menschen unterschiedlicher Herkunft auf engem Raum unterzubringen Probleme gibt.“ Die Gefahr sei groß, dass in der Plochinger Straße ein neuer sozialer Brennpunkt entstehe. Elbl bezog letztlich klar Position und sprach sich für die kleinere Variante aus. „Die Bewohnerstruktur in der Plochinger Straße ist nicht so verdichtet, wie es bei einem Flächenszenario sein würde“, begründete er. Beim Basisszenario habe die Stadt immer noch alle Karten in der Hand – auch wenn die derzeitige Flüchtlingskrise vorbei sei: „Wir müssen uns nicht festlegen, ob das Gebäude für Flüchtlinge vorgesehen bleibt.“ Elbl ist sich zudem sicher, dass eine neue Unterkunft für 23 Personen eine bessere Akzeptanz im Umfeld hätte: „Auch wenn wir als Stadt so nicht alle unsere Probleme lösen werden, aber das können wir sowieso nicht.“ Obendrein hätte das Basisszenario die Möglichkeit, bei Bedarf einen weiteren Anbau zu ergänzen. Dem Vorschlag folgte der Rat mehrheitlich.

So gehen andere Kommunen mit dem Problem um

Ostfildern
Laut dem Pressesprecher Dominique Wehrle stehen in Ostfildern rund 530 Plätze zur Anschlussunterbringung zur Verfügung. Die sind aber nahezu vollständig ausgelastet und werden für die zu erwartende steigende Zuweisung nicht ausreichen. Derzeit prüft die Stadt, ob beim Heizwerk im Scharnhauser Park eine zusätzliche Unterkunft für 100 Personen entstehen kann. Zudem wird überlegt, ob für einen Übergangszeitraum Sport- oder Festhallen für eine Anschlussunterbringung genutzt werden können.

Aichwald
Kommunale Räumlichkeiten stehen laut dem Bürgermeister Andreas Jarolim nicht mehr zu Verfügung. Die Kommune ist bestrebt, möglichst viel privaten Wohnraum anzumieten. Geklappt hat das bereits beim evangelischen und katholischen Gemeindehaus, dort können jetzt zusätzlich bis zu 30 Personen untergebracht werden. Vermieden werden soll, öffentliche Gebäude als Flüchtlingsunterbringung zu nutzen. „Das hätte erhebliche Auswirkungen auf das kulturelle und das Vereinsleben in Aichwald“, begründete Jarolim. Er geht derzeit davon aus, dass die bisherigen Maßnahmen ausreichen werden: „Als letzte Option wäre aber beispielsweise eine Nutzung der Schurwaldhalle denkbar.“