Bürgermeister Lutz sprach vor 350 Besuchern der Bürgerversammlung. Foto: C. Barner

Der notwendige Bau von Flüchtlingsunterkünften löst in Waldenbuch Sorgen und Ängste aus – doch man geht besonnen damit um. Die Belegung von Hallen ist vorerst abgewendet.

Waldenbuch - Der Informations- und Gesprächsbedarf ist groß. Rund 350 Waldenbucher Bürger haben am Donnerstagabend die Gelegenheit genutzt, sich bei der Bürgerversammlung im Forum der Oskar-Schwenk-Schule über die Pläne der Kommune zum Bau von Flüchtlingsunterkünften zu informieren. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich: Es gibt Ängste und Sorgen – aber auch eine große Bereitschaft, die Herausforderungen anzugehen.

Schritt für Schritt führte Bürgermeister Michael Lutz die Bürger an das komplexe Thema heran. Er erklärte das Prozedere, die Zuständigkeiten sowie die Bauvorhaben und arbeitete die einzelnen Standorte gemeinsam mit den Waldenbuchern ab. „Es ist unser wichtigstes Ziel, dass wir nicht zu Notunterbringungen in kommunalen Hallen kommen“, betonte er und warb dafür, die vom Gemeinderat empfohlene Alternativ-Lösung zu unterstützen. Diese sieht eine Verteilung der vom Landkreis geforderten 97 Plätze für die vorläufige Unterbringung auf den Waldjugendzeltplatz Ponderosa, in einem Industriebau auf dem Stadionparkplatz und in der Neuapostolischen Kirche vor. Hinzu kommt der geplante Bau einer Flüchtlingsunterkunft für die Anschlussunterbringung neben dem Musikerheim im Aichgrund.

Bürger befürchtet Dauerlösung im Aichgrund

Zum geplanten Holzmassivbau für 48 Personen am Liebenaukreisel gab es an diesem Abend die meisten Wortmeldungen. „Das Heim steht praktisch in meinem Garten. Ich habe Angst und fühle mich unwohl. Wir machen uns Sorgen um den Wert unseres Hauses“, berichtete ein Nachbar. Ein zeitlich begrenzter Container-Bau wäre für ihn akzeptabel gewesen. Bei Investitionskosten von einer Million Euro sei aber zu befürchten, dass die Lösung auf Dauer angelegt ist. Er hakte nach: „Werden wir vor vollendete Tatsachen gestellt oder kann man noch einschreiten?“

Dazu gibt es wohl keine Gelegenheit mehr. Bürgermeister Michael Lutz stellte klar: „Man muss davon ausgehen, dass der Standort als Prototyp kommen wird.“ Es gebe einfach zu wenig städtische Flächen. Der Handlungsdruck sei groß. „Es brennt“, sagte der Rathauschef.

Antwort nicht auf alle Fragen

Auch diese Themen bewegten die Waldenbucher: Kommen da nur Männer? Wie lange bleiben sie? Was wird für die Sicherheit und den Brandschutz getan? Nicht auf alle Fragen gab es die erhoffte Antwort. „Wir tun, was wir können, aber den hundertprozentigen Schutz eines Gebäudes gibt es nicht“, erklärte Michael Lutz.

Bei den Prognosen über die Zusammensetzung der künftigen Bewohner schaltete sich der Sozialdezernent des Landkreises Böblingen, Alfred Schmid, ein, der in die Schönbuchstadt gekommen war, um die Diskussion mit Fakten zu untermauern. Er versicherte: „Wir achten darauf, die Unterkünfte gemischt zu belegen.“ Schmid warb dafür, den Neuankömmlingen offen zu begegnen und sie zu unterstützen. „Die Menschen haben mehr Angst vor Ihnen, als umgekehrt. Es sind anständige Leute, die ihre Perspektive auf ein Bleiberecht nicht verspielen wollen. Wir haben bisher gute Erfahrungen gemacht.“

Mehrere Wortmeldungen gab es auch zum Plan des Bürgermeisters, Flüchtlinge auf der Ponderosa unterzubringen. „Dieser Standort ist völlig ungeeignet. Es gibt keine Infrastruktur und die Wege in die Stadt sind sehr weit“, gab ein Bürger zu bedenken. Für Michael Lutz ist die landeseigene Immobilie unterhalb des Betzenbergs jedoch gesetzt. „Ich sehe keinen Grund, das Land hier aus der Pflicht zu nehmen“, sagte er.

Stadt ist für jede Wohnung dankbar

Kopfzerbrechen bereitete den Waldenbuchern auch, wie man leer stehenden privaten Wohnraum für die Unterbringung von Flüchtlingen aktivieren kann. Die Stadt geht von etwa 60 unbewohnten Immobilien aus. „Warum rennt ihr alle los und baut, es ist doch genug da?“, monierte ein Bürger. „Wir haben keine Handhabe. Das geht nur auf freiwilliger Basis“, betonte der Rathauschef, der zum wiederholten Mal appellierte: „Wir sind für jede Wohnung oder Fläche dankbar.“ Es sei eine Gemeinschaftsaufgabe für alle, diese Herausforderung solidarisch zu bewältigen.

Unterstützung erhielt er von Regina Huber und Siegfried Schulz. „Wir haben bereits 30 Flüchtlinge gut integriert. Ich nehme den Optimismus mit, dass das auch weiterhin funktioniert“, sagte Huber. Wie viel Potenzial in den Waldenbuchern steckt, offenbarte der Sprecher des Freundeskreises für Flüchtlinge: „Wir sind von der Hilfsbereitschaft überrannt worden.“

Hallenbelegung ist vom Tisch

Nach einem zweistündigen Gespräch mit Landrat Roland Bernhard ist der Waldenbucher Bürgermeister Michael Lutz am Freitagabend mit einer guten Nachricht ins Rathaus zurückgekehrt. „Wir haben unser Alternativ-Konzept gemeinsam durchgesprochen und ich kann erst mal Entwarnung geben. Ich bin guter Dinge, dass wir die Sporthallenbelegung vermeiden können“, sagte Lutz am Abend im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Maßnahmenbündel aus Industriebau, Neuapostolischer Kirche und Ponderosa habe den Landrat überzeugt. In der kommenden Woche werde zusammen daran gearbeitet, eine kurzfristige Belegbarkeit der vorgesehenen Unterkünfte zu erreichen. An dem Treffen im Böblinger Landratsamt hat auch der Steinenbronner Bürgermeister Johann Singer teilgenommen. Waldenbuch muss 97 Plätze zur Verfügung stellen, in Steinenbronn sind es 70.