Die Hälfte der Mieter sind Neuankömmlinge, die Hälfte Einheimische. Dies ist das Prinzip der Hoffnungshäuser. Foto: Michael Steinert

Die Stadt Herrenberg will die christliche Stiftung Hoffnungsträger Unterkünfte bauen lassen. Deren Konzept gilt andernorts als vorbildlich. Die örtliche SPD hält es für kritikwürdig – aus weltanschaulichen Gründen.

Herrenberg - Auch die beste Absicht kann Argwohn nähren, zumindest bei Bodo Philipsen. „Dass die, die zwangseingewiesen werden, zwangsbeglückt werden, geht nicht“, sagt der Herrenberger SPD-Fraktionschef. Gemeint sind Flüchtlinge, die in sogenannten Hoffnungshäusern leben. Und deren Betreiber „bekennt sich zum Pietismus“, sagt Philipsen empört – er befürchtet, dass die Flüchtlinge missioniert werden sollen.

Hoffnungshäuser stehen in Leonberg, Esslingen oder Schwäbisch Gmünd – unter anderem. Der Betreiber ist die Stiftung Hoffnungsträger. Tobias Merckle hat sie gegründet. Er ist Sohn und Erbe des Unternehmers Adolf Merckle, dem Gründer von Ratiopharm und einst drittreichstem Mann Deutschlands. „Geld kann glücklich machen“, sagt Tobias Merckle, „wenn man es für andere einsetzt“. Das tut er eben mit der Hoffnungsträger-Stiftung. Sie setzt sich weltweit ein gegen Armut und Elend, für Friede und Versöhnung.

Die Stadt Herrenberg hat ein sehr weltliches Problem zu lösen

Die Stadt Herrenberg hat kein weltanschauliches Problem zu lösen, sondern ein sehr weltliches: Ihr fehlen Wohnungen, in diesem Fall für derzeit 164 Flüchtlinge und 114 Obdachlose. Herrenberg war von der Pflicht zur Unterbringung von Flüchtlingen befreit, bis die Landesregierung den Plan aufgab, das einstige IBM-Gelände zur Landeserstaufnahmestelle umzuwidmen, mithin zur Massenunterkunft.

Seither ist das Problem dringlich. Bisher behalf sich die Stadt mit Mietwohnungen, aber in naher Zukunft enden die Verträge. Mobile Homes – transportable Häuser – sollen vorerst die Not lindern. Das eigentliche Ziel seien aber „dauerhafte und nachhaltige Unterbringungsgebäude“, sagt Bert Rudolph, der Leiter der Abteilung Gebäudemanagement – sei es für Flüchtlinge oder gegen die Wohnungsnot.

In den Häusern leben zur Hälfte Neuankömmlinge, zur Hälfte Einheimische

Ein Teil der Neubauten sollen Hoffnungshäuser der Stiftung sein. Deren Prinzip ist, dass die Hälfte der Wohnungen Neuankömmlinge beziehen, die andere Hälfte Einheimische. Durch eine gute Nachbarschaft soll die Integration im Hausflur oder beim Grillfest wie von selbst gelingen. Die Städte müssen den Baugrund zur Verfügung stellen. Alles weitere – zuoberst die Baukosten – übernimmt die Hoffnungsträger-Stiftung. Der Grundgedanke gilt auch dem Herrenberger Baubürgermeister Tobias Meigel als vorbildlich: „Unterschiedliche Milieus in der Stadt zu mischen, ist uns ganz wichtig“, sagt er.

Architektonisch sind die Bauten im Wortsinn ausgezeichnet. Das Land Baden-Württemberg verlieh für die Bauweise seinen Holzbaupreis 2018, der Rat für Formgebung seinen German Design Award 2019. Die Hoffnungshäuser sparen Energie, muten keineswegs an wie aus der Not geborene Unterkünfte und sind zudem günstig zu bauen, was letztlich selbstredend die Mieter erfreut.

Die Stadt Esslingen ist mit der Stiftung überaus zufrieden

Die Häuser seien „ein überaus positives Beispiel“, urteilt Gabriele Hüttenberger für Herrenbergs Freie Wähler. Dass „die SPD versucht, sozialen Wohnungsbau zu torpedieren, finde ich starken Tobak“, sagt der Christdemokrat Markus Speer. Gemessen an den Erfahrungen andernorts gibt es dazu auch keinen Grund. In Esslingen betreibt die Stiftung mehrere Hoffnungshäuser. „Die Zusammenarbeit mit ihr war immer bestens“, sagt der Stadtsprecher Roland Karpentier, „wir sind absolut zufrieden“. Versuche einer weltanschaulichen oder religiösen Einflussnahme seien unbekannt. „Wir kennen nur ein bauartbedingtes Problem“, sagt Karpentier, „die Holzhäuser haben Dehnfugen“. Durch die Ritzen kriecht Ungeziefer. Schon mehrfach musste der Kammerjäger gerufen werden.