Das Haus Martinus wird derzeit noch vom Land als Unterkunft genutzt. Foto:  

Das Haus Martinus der Caritas in der Olgastraße wird derzeit von Land Baden-Württemberg als Notunterkunft genutzt. Voraussichtlich ab Oktober steht das Gebäude der Stadt zur Verfügung. Damit hätte der Stuttgarter Süden eine vierte Flüchtlingsunterkunft. Der Bezirksbeirat Süd ist aber überzeugt, dass der Stadtbezirk dies tragen kann.

S-Süd - Besondere Situationen erfordern zwangsläufig besondere Maßnahmen. Was die Flüchtlingsströme nach Europa angeht, herrscht längst Ausnahmezustand. Im Zuge dessen kam Stuttgart in der vergangenen Woche mit dem Haus Martinus in der Olgastraße urplötzlich zu einer Erstaufnahme-Notunterkunft. „Das ist jetzt auch ein ganz neuer Begriff“, sagte Günter Gerstenberger am Dienstag im Bezirksbeirat Süd. Die seien derzeit oft notwendig, weil vieles spontan geregelt werden müsse. Rund 450 Flüchtlinge sind seit der letzten Woche in der Einrichtung im Stuttgarter Süden untergebracht worden. „Das sind alles Menschen, die Flüchtlinge sind, aber noch keinen Asylantrag stellen konnten“, ergänzte Gerstenberger. Die müssten eigentlich normalerweise zuerst in eine der Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes, die aber derzeit aus allen Nähten platzen.

Bisher werden keine Gemeinflächen genutzt

Das Haus Martinus war eigentlich als städtische Flüchtlingsunterkunft geplant. Nun ist diese zunächst bis zum 30. September vom Land Baden-Württemberg belegt. Allerdings: „Auch wir müssen unsere Aufgabe als Stadt erfüllen, sonst haben wir ein Problem“, sagte Gerstenberger. Nach wie vor tue man alles dafür, keine Gemeinflächen zu belegen. Kommt die Stadt jedoch bei ihrer Suche nach passenden Immobilien an ihre Grenzen, muss sie im Notfall auf Bürger- oder Jugendhäuser sowie Sporthallen zurückgreifen. „Wir tun nach wie vor alles dafür, dies zu vermeiden“, betonte Gerstenberger.

Kann das Land die bisher im Haus Martinus untergebrachten Flüchtlinge umverteilen, geht das Gebäude an die Stadt zurück. Ab Anfang Oktober sollen dann dort für 15 Monate in etwa 270 Menschen untergebracht werden. Die Interimsunterkunft ist im Besitz der Caritas, die auf dem Grundstück des ehemaligen Alten- und Pflegeheims einen Neubau plant.

Ob die Termine jeweils alle so eingehalten werden könnten, vermochte Gerstenberger nicht zu sagen. „Die Stadt ist nicht der Regisseur des weiteren Ablaufs.“ Täglich kämen neue Flüchtlingsströme vornehmlich aus Syrien nach München. Wie viele Züge davon jeweils nach Stuttgart umgeleitet werden, wisse man nicht.

Rund 320 Flüchtlinge leben derzeit im Süden

Derzeit hat der Stuttgarter Süden drei Flüchtlingsunterkünfte in der Schickhardt-, der Burgstall- und der Böblinger Straße mit insgesamt 320 Bewohnern. Mit dem Haus Martinus käme dann eine vierte hinzu. Wolf-Dieter Wieland (FDP), der sich seit Jahrzehnten im Arbeitskreis Asyl engagiert, hält es nach wie vor für richtig und notwendig, Flüchtlinge im Stadtbezirk aufzunehmen. „Wir haben uns nie dagegen gewehrt“, sagte er, „wir agieren hier nicht nach dem Sankt-Florians-Prinzip.“ Auch der Bezirksvorsteher Raiko Grieb (SPD) hält nichts davon, sich vor der Verantwortung zu drücken oder diese auf andere abzuschieben.

Vorbildlicher Einsatz für die Neuankömmlinge

Als vorbildlich lobte er den Einsatz vieler Bürger aus den Stadtbezirken Süd und Mitte am vergangenen Wochenende beim Bezug des Haus Martinus. „Viele haben Spielzeug, Windeln und eine Notausstattung gebracht“, erzählte der Bezirksvorsteher, der selbst vor Ort war.

Trotz der immensen Flüchtlingsströme, die auch Stuttgart an seine Grenzen bringt – etwa 2000 Asylsuchende sind in diesem Jahr in der Landeshauptstadt angekommen, etwa 4100 bisher dort untergebracht – ist die Bereitschaft zu helfen bei vielen Bürgern immer noch groß. Bei einer Zusammenkunft von Vertretern deutscher Großstädte im Stuttgarter Rathaus hat die Landeshauptstadt laut Gerstenberger im Vergleich eine sehr gute Bilanz erzielt. „Wir haben mehr als 1500 Ehrenamtliche registriert“, sagte er. Weitaus mehr würden aber auch einfach und unkompliziert helfen, ohne sich offiziell zu registrieren.

Im Stuttgarter Süden hat jede Unterkunft inzwischen einen eigenen Freundeskreis. In der Böblinger Straße hat sich ein Runder Tisch mit Nachbarn zusammengefunden, bei welchem tägliche Konflikte zwischen den Bewohnern der Unterkunft und den Nachbarn geklärt werden. „Das läuft bis dato sehr gut“, sage Grieb.

Im November organisiert der Freundeskreis Böblinger Straße zudem ein großes Willkommensfest im Alten Feuerwehrhaus für alle Flüchtlinge im Stadtbezirk.