Opponiert gegen Merkels Politik: Christian von Stetten. Foto: dpa

Der CDU-Politiker Christian von Stetten opponiert in der Flüchtlingskrise gegen Merkel – mit durchaus umstrittenen Mitteln.

Berlin - Christian von Stetten ist ein ziemlich erfolgreicher Politiker. Er ist 45 Jahre alt und gehört als direkt gewählter Abgeordneter dem Deutschen Bundestag schon seit 2002 an. Bei der vergangenen Bundestagswahl gewann er seinen Wahlkreis Schwäbisch Hall/Hohenlohe mit dem restlos überzeugenden Ergebnis von 52,3 Prozent der Erststimmen. Er ist mittelstandspolitischer Sprecher seiner Fraktion und zudem der Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM). Schon dieses Amt allein sichert ihm Einfluss und Gehör. Neben seiner politischen Arbeit ist er noch geschäftsführender Gesellschafter der Stetten Bau GmbH und Technologie Holding Christian Stetten GmbH und außerdem Aufsichtsratsvorsitzender der Schloss Stetten Holding AG.

Das ist alles sehr beeindruckend. Und es fügt sich zu dem Bild eines Parlamentariers, der unabhängig ist. Sein Mandat ist nicht vom Wohlwollen eines Listen aufstellenden Gremiums abhängig, und seine wirtschaftliche Existenz hängt ganz gewiss nicht am Mandat. So jemand kann frischweg seine Meinung sagen. Immer. Und immer laut. So kennt man ihn. Von Stetten war in der Griechenlandkrise einer der markantesten Gegner des Kurses der Kanzlerin. Das ist aufgefallen, aber in der Fraktion wurde das hingenommen. Wenn schon einmal Anstoß genommen wurde, dann eher an seinem recht offensiven Umgang mit Boulevardmedien.

Nun aber ist von Stetten unversehens ins Zentrum einer ungewohnt hart geführten Auseinandersetzung innerhalb der Bundestagsfraktion geworden. Es geht um die Asylpolitik. Worum sonst? Seit den emotionalen Debatten um die Ostverträge in den 70-er Jahren hat vermutlich kein anderes Thema die Unionsfraktion so beschäftigt wie der weiter ungebrochene Zustrom von Flüchtlingen. Die Fraktion leistet sich seit Wochen stundenlange kontroverse Diskussionen um das Thema. Die Abgeordneten stehen in ihren Wahlkreisen enorm unter Druck.

In der Südwest-CDU fliegen derzeit die Fetzen

Im Frühjahr wird in Baden-Württemberg gewählt. Kein Wunder, dass die Meinungen nirgendwo hitziger aufeinanderprallen wie in der Südwest-Landesgruppe. Wenn die Abgeordneten aus dem Land zusammenkommen, können derzeit die Fetzen fliegen. „Manchmal“, sagt ein Abgeordneter im Gespräch mit unserer Zeitung, „ist das Niveau der Debatte zum Kotzen.“

Christian von Stetten gehört dabei zu jenen Abgeordneten, die mit dem Merkelkurs, vorsichtig ausgedrückt, unzufrieden sind. Wieder und wieder hat er das zum Ausdruck gebracht, hat versucht, die Innen- und Rechtspolitiker aus dem Südwesten dazu zu bewegen, einen eigenen Antrag in der Fraktion einzubringen, der ein Gegenentwurf zur Merkelpolitik wäre. Und er stand damit durchaus nicht allein. Allerdings werfen immer mehr Mitglieder der Fraktion von Stetten mehrere Foulspiele vor. Dabei gibt es Vorwürfe , die sich auf den Inhalt seiner Positionen richten, und solche, die sich auf sein Auftreten beziehen. In der Sache lautet der Vorwurf, er missbrauche sein Amt als Chef des mächtigen Parlamentskreises Mittelstand.

Tatsächlich hat sich nach Recherchen unserer Zeitung das Gremium zuletzt immer wieder mit dem Asylthema beschäftigt. „Die Jungs aus dem Südwesten haben sich da richtig hochgeschaukelt“, bestätigt ein hochrangiges Mitglied des Zirkels. Von Stetten und andere hätten erneut auf einen eigenen Antrag gedrängt, was die Zuständigkeit des Gremiums klar überschreitet.

Beharrliches Drängen wird von Stetten übel genommen

Von Stetten bestreitet im Gespräch mit unserer Zeitung keineswegs seine Auffassung, dass die Fraktion zu dem Thema Stellung beziehen müsse. „Von Griechenland bis zu den vielen Bundeswehr-Mandaten konnte die Abgeordneten immer ihre Meinung zum Ausdruck bringen konnte festgestellt werden, welche Zahl von Abgeordneten den Regierungskurs teilt oder auch nicht – nur beim Thema Asyl sollte das nicht gehen? Das verstehe ich nicht.“

Er selbst habe aber einen eigenen Antrag der Mittelständler abgebogen, das habe er im Oktober auch per Mail an alle PKM-Mitglieder klargestellt. Das Schreiben liegt unserer Zeitung vor. Womit das Thema aber nicht vom Tisch ist. Von Stetten verweist auf den Kölner Parlamentarier Heribert Hirte, der an einem Papier arbeitet, von dem er sagt, dass es sein könne,„dass es zur Abstimmung in der Fraktion gestellt wird“, allerdings nach weiteren Beratungen.

Dieses beharrliche Drängen auf einen Antrag wird von Stetten übel genommen. Der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich, der selbst gewisse Sympathien für eine effizientere Kontrolle der Einwanderung hat, nennt es „kontraproduktiv und brandgefährlich, die Bundestagsfraktion hier in eine Abstimmung zu treiben.“ Dies führe „nur zu einer Spaltung“. Und auch der Innenpolitiker Armin Schuster (Lörrach) warnt: „Es wäre politisch völlig unklug, die Fraktion zu spalten.“ Sein Argument: „Selbst wenn es dann ein Mehrheitsvotum gegen die Kanzlerin gäbe, würde uns die SPD auflaufen lassen. Dann hätten wir inhaltlich nichts erricht und stünden mit einer schwer beschädigten Kanzlerin da.“

Grundlegender Streit über die Flüchtlingspolitik

Es gibt auch anderen Tadel: respektloses Benehmen. Das geht unter anderem auf die vergangene Fraktionssitzung zurück. Da erntete die Abgeordnete Maria Flachsbarth „offenes Hohngelächter“, wie einige Fraktionsmitglieder bestätigen. Das hat unter anderem Karin Maag, die Vorsitzende Frauengruppe in der Fraktion, auf den Plan gerufen: „Selbstverständlich kann man über Inhalte diskutieren, aber nicht in dieser rücksichtslosen Art und Weise. Da fehlt es an der Verantwortung fürs Gesamte.“ Auch Peter Weiß, der Chef der Arbeitnehmergruppe, ist sauer. Er sagt: „Auch bei unterschiedlicher Auffassung in der Sache muss in einer gemeinsamen Fraktion eine Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung herrschen, und man muss der jeweiligen Kollegin die besten Absichten unterstellen.“

Von Stetten bekennt sich hier durchaus – allerdings sicher nicht schuldig. „Frau Flachsbarth ist parlamentarische Staatssekretärin, hat aber nie einen Wahlkreis direkt gewonnen. Dennoch hat sie den gewählten Kollegen sagen wollen, dass es gar keine Probleme mit den Asylsuchenden gibt. Dagegen habe ich mich gewehrt.“

Das kann man als Kleinkram abtun. Aber dahinter steckt ein ganz grundlegender Konflikt in der Unionsfraktion. Schon einmal habe die CDU im Südwesten einen Wahlkampf gegen Flüchtlinge führen wollen, erinnert ein wichtiges Mitglied einer großen Landesgruppe die Baden-Württemberger. „Das Ergebnis war ein zweistelliges Ergebnis für die Republikaner.“ Er warnt eindringlich: „Die Landesgruppe Südwest schaufelt sich da gerade ihr eigenes Grab.“

Wie massiv der Streit geführt wird, zeigt sich auch in den Verdächtigungen, die in anderen Landesgruppen über von Stetten kursieren. Dort heißt es, er betreibe hinter den Kulissen die Ablösung der Kanzlerin. Tatsächlich wird auch unserer Zeitung bestätigt, „dass da einige in feindseliger Absicht unterwegs sind“. Von Stetten hält das für „völligen Quatsch“. „Wir werden mit Angela Merkel in die Wahl 2017 gehen. Sie ist eine gute Kanzlerin.“