Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, wie hier aus einem Lager im Libanon, sollen nach Deutschland gebracht werden. Foto: AP

Die Bundesregierung leistet zusammen mit Frankreich den größten Beitrag zum EU-Resettlement-Programm für besonders bedürftige Flüchtlinge.

Berlin - Deutschland wird im Zuge des sogenannten Resettlement-Programms der EU 10 200 Flüchtlinge aus Nordafrika und dem Nahen Osten bis zum Jahre 2019 aufnehmen. Das hat der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag bei seinem Besuch in Berlin mitgeteilt. An die überraschende Ankündigung knüpfen sich eine Reihe von Fragen, die wir hier beantworten.

Steht Deutschland vor einer erneuten Flüchtlingswelle, und ist damit die von der Bundesregierung angestrebte Obergrenze schon wieder Geschichte?

Nein, keineswegs. Im Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD darauf verständigt, dass die Zuwanderungszahlen die Spanne von jährlich 180 000 bis 220 000 nicht übersteigen sollen. Ausdrücklich festgestellt ist dabei aber, dass in der Zahl Menschen, die im Rahmen des Resettlement (das englische Wort für Umsiedlung) zu uns kommen, bereits enthalten sind. Die Obergrenze bleibt also unangetastet.

Nimmt Deutschland doch die meisten Flüchtlinge aus dem Resettlement-Programm auf?

Nein. Frankreich hat zugesagt, ebenfalls 10 000 Menschen aufzunehmen. Zusagen liegen auch von etlichen anderen EU-Staaten vor. So wollen (Stand März) die Niederlande 3000, Belgien 2000, die Finnen 1670 Flüchtlinge aufnehmen. Zusagen deutlich unterhalb der 1000er-Marke liegen aber auch zum Beispiel aus Kroatien, Rumänien und Bulgarien vor. Ungarn und Polen haben bislang ebenso wenig Zusagen gemacht wie Österreich, Tschechien, die Slowakei oder Dänemark. Alle Zusagen sind freiwillig. Insgesamt erreicht die EU mit der deutschen Zusage das Ziel, mit dem Programm 50 000 besonders bedürftige Flüchtlinge bis zum Jahr 2019 in Europa anzusiedeln.

Wie funktioniert das Resettlement-Programm?

Der Zweck des Programms ist es, die Aufnahme von Flüchtlingen zielgenauer zu gestalten und die Ausbeutung Notleidender durch Schleuser und Schlepper zu verhindern. Vertreter des Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) ermitteln in den Erstaufnahmeländern wie den nordafrikanischen Staaten besonders bedürftige Personen, wie zum Beispiel allein reisende Mütter mit Kindern oder Menschen, denen der Aufenthalt in dem Land nicht zugemutet werden kann, etwa weil dort eine Krankheit oder Traumatisierung nicht behandelt werden kann. Der UNHCR schlägt dann aufnahmewilligen Staaten Personen vor. Die Staaten prüfen und entscheiden dann eigenständig über die Aufnahme. Der Vorteil: Es kommen durchweg registrierte und erwiesen bedürftige Menschen auf sicheren Wegen in ihr Aufnahmeland. Die Verfahren sind also wesentlich einfacher, unter anderem weil in Deutschland keine komplizierte Identitätsprüfung mehr vorzunehmen ist. In den Aufnahmeländern haben sie dann den Status des Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention.

Woher kommen die aufzunehmenden Menschen?

Von den im Zuge des Programms insgesamt aufgenommenen 50 000 Menschen kommen 70 Prozent ursprünglich aus Syrien. Der Rest verteilt sich vor allem auf Afghanistan, Pakistan und Irak. Deutschland wird nach Angaben des Bundesinnenministeriums syrische Schutzbedürftige aus der Türkei aufnehmen. Zudem bereitet Deutschland aktuell die Aufnahme von 300 schutzbedürftigen Personen vor, die aus libyschen Gefängnissen kommen.

Geht das Programm weiter?

Die Zielmarke der EU war es, durch die aktuellen Zusagen die Aufnahme von 50 000 Menschen zu ermöglichen. (Rund 23 000 Flüchtlinge sind davor bereits aufgrund des Programms nach Europa gekommen.) Da die Europäische Union von den Vorteilen dieser gesteuerten und gezielten Zuwanderung überzeugt ist, soll nach Angaben des EU-Kommissars das Programm auch über die Marke von 50 000 hinaus weitergeführt werden. Die EU-Kommission hat einen „dauerhaften EU-Neuansiedlungsrahmen mit einem einheitlichen Verfahren und gemeinsamen Kriterien“ vorgeschlagen. Er soll die bestehenden Ad-hoc-Regelungen ersetzen.

Gibt es Finanzhilfen für die aufnehmenden EU-Staaten?

Ja. Die EU-Kommission hat 500 Millionen Euro zur Unterstützung der Neuansiedlungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten für die nächsten zwei Jahre bereits gestellt. Das macht 10 000 Euro aus dem EU-Haushalt für jede neu im Rahmen des Resettlement-Programms aufgenommene Person.