Amnesty International übt scharfe Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik. Foto: dpa

In Deutschland gibt es weder die Todesstrafe noch Folter in Gefängnissen. Trotzdem würden hierzulande die Menschenrechte nicht ausreichend geachtet, meint Amnesty International. Die Organisation prangert vor allem die Asylgesetze der Bundesregierung an.

Berlin - Bei Menschenrechtsverletzungen denkt man zuerst an Länder wie Saudi-Arabien, Iran, China oder Nordkorea. Amnesty International listet in seinem Jahresbericht aber insgesamt 160 Staaten auf, in denen die Menschenrechte nicht ausreichend geachtet werden. Dazu zählen auch europäische Länder wie Schweden, Spanien, Polen - und Deutschland. Hier einige Beispiele aus dem Bericht.

Deutschland: Es gibt nur wenige Lichtblicke im Amnesty-Bericht. Einen entdeckte die Organisation aber in Deutschland: Die „Willkommenskultur“ gegenüber Flüchtlingen, die in weiten Teilen der Bevölkerung weiter existiert. An der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung übt Amnesty dagegen scharfe Kritik. Von Bundeskanzlerin Angela Merkels Politik der offenen Tür sei nichts mehr übrig geblieben. „Stattdessen wird nur auf Härte und Abschottung gesetzt“, sagt die Generalsekretärin von Amnesty in Deutschland, Selmin Caliskan, und meint damit die zahlreichen Asylrechtsverschärfungen. „Die Bundesregierung verliert die Menschenrechte aus dem Blick.“

Iran: Seit der Einigung im Atomstreit mit dem Iran im Sommer 2015 sucht der Westen wieder nach engen politischen Kontakten zu Teheran. Die deutsche Wirtschaft hofft auf Milliardengeschäfte im Iran. An der Menschenrechtslage hat die politische Entspannung laut Amnesty aber noch nichts verändert. Ein Auszug aus dem Jahresbericht: „Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen waren an der Tagesordnung. (...) Die Behörden vollstreckten grausame Körperstrafen wie Blendungen, Amputationen und Auspeitschungen. (...) Viele Gefangene wurden hingerichtet, darunter mindestens vier, die zur Tatzeit noch minderjährig waren.“

Saudi-Arabien: Der ölreiche Golfstaat ist ein wichtiger Wirtschaftspartner Deutschlands und ein strategischer Partner im Kampf gegen den Terror. Menschenrechtsverletzungen werden von deutschen Ministern bei Besuchen in Riad zwar stets angesprochen. Menschenrechtsorganisationen wünschen sich aber deutlich stärkeren Druck auf das Königreich. Öffentliche Auspeitschungen und Stockhiebe sind weiter an der Tagesordnung. Die Zahl der Hinrichtungen stieg 2015 weiter an. „In vielen Fällen ging es um Straftaten die nicht zu den „schwersten Verbrechen“ zählen und deshalb laut Völkerrecht nicht mit der Todesstrafe geahndet werden dürfen“, schreibt Amnesty. „Zahlreiche Hinrichtungen erfolgten in der Öffentlichkeit durch Enthauptung.“

Amnesty kritisiert Hinrichtungen in den USA

USA: In den Vereinigten Staaten wurden im vergangenen Jahr 27 Männer und eine Frau hingerichtet. Daneben kritisiert Amnesty aber vor allem, dass das Gefangenenlager auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay weiter besteht, obwohl US-Präsident Barack Obama seine Schließung versprochen hat. Außerdem heißt es in dem Bericht: „Die Anwendung von lange anhaltender Isolationshaft in Bundesgefängnissen und Haftanstalten der US-Bundesstaaten bot ebenso Anlass zur Sorge wie der Einsatz exzessiver Gewalt durch Polizeibeamte.“

Türkei: Amnesty würde sich von der Bundesregierung auch mehr Druck auf die Türkei wünschen. Dort stellte die Organisation seit den Parlamentswahlen im Juni 2015 eine massive Verschlechterung der Menschenrechtslage fest. „Die Medien waren 2015 beispiellosen Repressalien ausgesetzt, und die Meinungsfreiheit wurde erheblich eingeschränkt, auch im Internet“, heißt es in dem Bericht. „Fälle von exzessiver Polizeigewalt und von Misshandlungen in Gewahrsam häuften sich. Die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen wurden nur selten zur Rechenschaft gezogen.“