Stadtdekan Christian Hermes hat einen kritischen Blick auf die AfD Foto: Peter Petsch

In der Debatte über den richtigen Umgang mit der steigenden Zahl der Flüchtlinge ist es zu einer ernsten Kontroverse zwischen der AfD und der Katholischen Kirche gekommen. Stadtdekan Christian Hermes wirft dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Bernd Klingler vor, am rechten Rand des Wählerspektrums zu fischen.

Stuttgart - Im Streit um den richtigen Umgang mit der wachsenden Zahl von Flüchtlingen ist in Stuttgart eine neue Eskalationsstufe erreicht. Bernd Klingler, Fraktionschef der AfD im Gemeinderat und auch Kreisvorsitzender, hat aufgerüstet und in seinem Feldzug gegen die städtische Flüchtlingspolitik mehrfach auf militaristischen Jargon gesetzt – und der Katholische Stadtdekan Christian Hermes hat reagiert und den FDP-Aussteiger einen „hinter dem Häkeldeckchen zündelnden Rassisten“ genannt.

Eine „Invasion von Eindringlingen“ mache sich hier breit mit der Botschaft, dass sie die Sozialsysteme aussaugen wolle, sagt Klingler. Die AfD wolle die weltoffene Stadt Stuttgart in dieser Form erhalten, aber man stehe am Scheideweg. In ihrem Kampf werde die AfD alles geben. Das gibt Klingler in Facebook zum Besten – in einer Videobotschaft zum Tag der deutschen Einheit. Und ähnlich hatte er sich schon am 2. Oktober im Rathaus geäußert, damit Entsetzen und Fassungslosigkeit produziert und sich isoliert.

Als Stadtdekan Hermes die Videobotschaft jetzt verurteilte, erhielt Klingler umgehend von jemand Beistand, der unter anderem durch eine schwere Beleidigung von OB Fritz Kuhn (Grüne) zu zweifelhafter Bekanntheit gekommen war: AfD-Stadtrat Dr. Heinrich Fiechtner. Das Vorgehen von Hermes sei eine Schande für diesen selbst und für die „Römische Kirche“, schreibt das aktive Mitglied der pietistischen Gemeinde in Stuttgart. Kurzum: Die AfD befindet sich in heftigstem Clinch mit dem Repräsentanten der Katholischen Kirche in Stuttgart.

Intern widerspricht Klingler niemand

Innerparteilich widerspricht Klingler niemand. Alle in der vierköpfigen Fraktion hätten Klinglers Vorgehen für okay befunden, sagt Co-Fraktionschef Lothar Maier. Allenfalls hinter die Wortwahl macht Karl-Friedrich Hotz, Co-Kreisvorsitzender neben Klingler, ein kleines Fragezeichen. Was außerhalb der AfD als politischer Rundumschlag und Hetze beurteilt wird, wird intern allenfalls als Frage des Temperaments bewertet. Neue Umfragewerte bestärken die Rechtspopulisten in ihrem Kurs. Die Partei profitiert immer stärker von der Flüchtlingsdebatte. Und Klingler will sich kommenden Montag als Kandidat für die Landtagswahl im Frühjahr 2016 aufstellen lassen. Ein weiteres, noch besser dotiertes politisches Amt scheint für ihn zum Greifen nah.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm zwar vor, Fraktionsgeld seiner damaligen Partei FDP für eigene Zwecke verwendet zu haben. Wenn im Prozess, der frühestens im Dezember stattfinden wird, etwas an ihm hängen bleiben sollte, wird Klingler aber nicht zwangsläufig seine politischen Ambitionen aufgeben. Er werde seinen Sitz im Gemeinderat nicht freiwillig auf- und an die FDP zurückgeben, sagte er unserer Zeitung. Die Genugtuung will er den Ex-Kollegen, denen er Intrigen vorwirft, nicht verschaffen.