Bundeswehrsoldaten retten am 25. Dezember Flüchtlinge vor Libyen. Foto:  

Die Flüchtlingszahlen werden mangels offizieller Angaben offenbar teilweise frisiert. Niemand weiß daher, ob die EU-Maßnahmen wirken.

Brüssel/Spielfeld - So viel weihnachtliche Ruhe hatten sich die österreichischen Helfer nicht einmal in ihren kühnsten Träumen erhofft. Aber tatsächlich blieben die drei großen Auffanglager für Flüchtlinge in der Steiermark an der Grenze zu Slowenien über die Feiertage „komplett leer“, wie örtliche Medien berichteten. Neuankömmlinge gab es nicht, bestätigte ein Polizeisprecher.

Solche Schilderungen hört man in Brüssel allzu gerne, schließlich wartet die EU-Spitze auf erste Erfolgsmeldungen. Deshalb hatte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch bereits beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs wenige Tage vor dem Fest alles getan, um den Eindruck zu nähren, es sei so etwas wie eine Wende erreicht.

Dazu präsentierte er den Staatenlenkern eine Tischvorlage, die belegen sollte, dass in der 49. Kalenderwoche noch 23 666 Asylbewerber in die EU einreisten, eine Woche später seien es nur noch 9093 gewesen. Doch die Angaben waren umstritten. Sowohl die EU-Grenzschutzpolizei Frontex wie auch die Generaldirektion für Migration und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) protestierten gegen die Angaben Junckers. Die Zahlen seien „getürkt“, meinte ein hoher EU-Diplomat und entschuldigte sich zugleich für die Wortspielerei.

Werden Zahlen den politischen Zielen angepasst?

Nach UNHCR-Angaben stimmen alle Angaben der Kommission nicht. Demnach ging die Zahl der Zuwanderer von 25 100 in der 49. Kalenderwoche lediglich auf 21 700 in den folgenden sieben Tagen zurück. Das klingt aber politisch weitaus weniger wirkungsvoll und lässt einen Erfolg der beschlossenen schärferen Grenzkontrollen oder ein hartes Durchgreifen der türkischen Behörden nicht einmal erahnen.

Der Eindruck, die Zahlen würden mangels genauer Angaben der Statistikämter so frisiert, dass sie zu den politischen Zielen passen, herrscht schon länger – und nicht nur in Brüssel. So hieß es kurz vor dem CDU-Parteitag Mitte Dezember, die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland gehe zurück. Von weniger als 3000 Einreisen pro Tag war die Rede – gegenüber 7000 bis 8000 innerhalb von 24 Stunden im November. Kaum hatten Delegierte und Kanzlerin die Heimfahrt angetreten, schnellten die offiziellen Angaben wieder nach oben (pro Tag 3750).

Falsch oder schöngefärbt müssen solche Angaben nicht sein. „In Wahrheit gibt es große Schwankungen“, meinen Experten in Brüssel und Berlin. „Und niemand kann genau sagen, ob das nun mit dem Winterwetter oder neuen Kontrollen der Türkei zusammenhängt.“ So gehört zum Gesamtbild dieser Weihnachtsfeiertage nicht nur die gähnende Leere in den Auffangzentren im österreichischen Spielfeld, Bad Radkersburg und Webling, sondern auch ein erneutes Anschwellen der Flucht über das Mittelmeer.

Noch ist kaum ein Hotspot in Griechenland in Betrieb

Innerhalb der Weihnachtswoche kamen allein im griechischen Piräus rund 12 000 neue Asylbewerber an, zusätzliche holte die italienische Küstenwache rund 2100 Menschen aus dem Wasser und von seeuntüchtigen Booten – beteiligt war auch der Einsatztruppenversorger „Berlin“ der Bundesmarine. Fachleute warnen inzwischen, aus den diversen Zahlenangaben voreilig einen Trend herauszulesen – zumal die Wirkung der von den EU-Staaten beschlossenen Maßnahmen keineswegs durchschlagend sein dürfte. Fast alle mehrfach beschlossenen Hotspots (Akkreditierungszentren) in Griechenland sind weiter nicht in Betrieb, weil die Zahl der bereitgestellten Mitarbeiter weit unter den Zusagen liegt.

Und von den 160 000 Flüchtlingen aus italienischen und griechischen Zentren, die in alle EU-Staaten umgesiedelt werden sollen, waren bis 17. Dezember gerade mal 683 untergebracht worden.