Viele Container für die Flüchtlingsunterbringung sind bereits wieder verschwunden und mussten neu angeschafft werden. Foto: /Horst Rudel

Der Vorschlag von Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Reserveunterkünfte für die Flüchtlingsaufnahme vorzuhalten, stößt auf Skepsis – vor allem bei den Städten in der Region Stuttgart.

Die Forderung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), in Zukunft Unterkünfte für Flüchtlinge in Reserve zu halten, stößt bei den Städten in der Region Stuttgart und bei den kommunalen Spitzenverbänden auf unterschiedliche Reaktionen. Faeser hatte im Interview mit unserer Zeitung erklärt, man müsse in Zukunft mehr Wohnraum für Notsituationen vorhalten, um gegebenenfalls schnell und unbürokratisch größere Zahlen von Flüchtlingen aufnehmen zu können.

Sven Matis, der Sprecher der Stadt Stuttgart findet, dass Faesers Aussage „eine gewisse Nonchalance“ besitze: „Unsere Unterbringung richtet sich immer am Bedarf aus. Und seit genau einem Jahr erleben wir einen enormen Zuzug. Es ist Aufgabe der Kommunen, die Geflüchteten unterzubringen und zu versorgen.“ Der Bund stelle lediglich das Geld bereit. Festzuhalten sei auch, dass viele der Unterkünfte aus den Jahren 2015/2016 für fünf, maximal zehn Jahre geplant waren. Der Rückbau in Stuttgart habe sich im Wesentlichen auf die Container zur Not- und Erstunterbringung, wie etwa auf der Waldau beschränkt. Eine Bereitstellung von Liegenschaften auf Vorrat in einer engen Stadt wie Stuttgart sei hingegen kaum leistbar.

Städte in der Region haben nur wenige Unterkünfte zurückgebaut

„Esslingen begrüßt den Vorstoß“, sagt der Sozialamtsleiter Marius Osswald. Allerdings richte sich dieser „vor allem an die Länder und Landkreise, die für die Landeserstaufnahme und die vorläufige Unterbringung verantwortlich seien. Esslingen habe seit der Flüchtlingswelle 2015/16 die Kapazitäten in der Anschlussunterbringung stabil gehalten und – auch wegen Corona – weniger dichte Belegungen der Unterkünfte zum Gesundheitsschutz umgesetzt. Osswald: „Dies hilft uns aktuell bei der Versorgung von Geflüchteten in Notunterkünften.“

Auch Sindelfingen betont, dass man nach 2015/2016 keine Unterkünfte zurückgebaut hat. Vielmehr seien die Unterkünfte kontinuierlich mit Geflüchteten belegt gewesen. Die Stadt unternehme große Anstrengungen, um weitere Unterkünfte bereitzustellen. Ein Zeitpunkt, zu dem es zu viele Plätze geben werde, sei derzeit nicht absehbar. Reserven stellten in einer an Wohnraum und Flächen knappen Kommune wie Sindelfingen allenfalls Schulturnhallen, Hotels oder geeignete, temporär leer stehende Immobilien dar. Eigens errichtete Unterkünfte werde es voraussichtlich in Sindelfingen jedoch nicht geben.

Gemeindetag: Das ist nicht der geeignete Zeitpunkt

Deutlich kritischere Töne schlägt Steffen Jäger, der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg an: Seit Monaten seien die regulären Aufnahmekapazitäten in den Städten und Gemeinden ausgereizt. Jäger: „Wenn Sport- und Festhallen belegt werden müssen, Wohncontainer mehrere Monate Lieferzeit haben und neu gebaute Wohnungen ebenfalls nicht von heute auf morgen verfügbar sind, tritt auf der örtlichen Ebene ein oftmals kaum zu bewältigendes Dilemma zu Tage.“ Einerseits gebe es eine rechtliche und auch humanitäre Aufnahmeverpflichtung, die auch von kommunaler Seite grundsätzlich nicht infrage gestellt werde. Andererseits seien keine geeigneten Liegenschaften mehr verfügbar. Jäger: „Daher ist es nicht der geeignete Zeitpunkt, heute über eine Vorhaltung von nicht benötigten Unterkünften zu sprechen.“

Ähnlich sieht das auch die Ludwigsburger Sozialbürgermeisterin Renate Schmetz: „Natürlich halten wir es für sinnvoll, Kapazitäten zu schaffen. Aber im Moment gibt es doch ganz andere Probleme. Es geht gerade jetzt darum, dass wir überhaupt alle Flüchtlinge unterbringen können.“ Für die Kosten der Reserven sollte der Bund aufkommen, sagt Schmetz.

Städtetag: Die Idee ist noch sehr weit von der Praxis entfernt

Ralf Broß, der Geschäftsführer des Städtetags Baden-Württemberg, stellt fest: „Die allgemeine Wohnungsnot, vor allem an bezahlbarem Wohnraum, wird sich so bald nicht auflösen. Es wäre kein gutes Signal, wenn wir Wohnraum in größerem Umfang vorhalten, während draußen Menschen nicht wissen, wie sie eine bezahlbare Bleibe finden sollen. Im Moment ist die Idee noch sehr weit von der Praxis entfernt.“

Der Grundgedanke der Innenministerin sei nachvollziehbar – und wenn der Bund 100 Prozent der Kosten übernehme, könne man gerne darüber nachdenken. Broß: „Die Kommunen können diese Art der Vorratshaltung aber sicher nicht stemmen.“