Auf Schlauchbooten versuchen Flüchtlinge, die rettende Insel zu erreichen. Foto: dpa

Rosa Maria Maggiore und Costantino Barrata von der Insel Lampedusa haben im Museumskeller in Stetten berichtet, wie sie Flüchtlingen aus Afrika helfen. Immer wieder gibt es Tote bei der Überfahrt auf dem Mittelmeer.

Stetten - Als Costantino Barrata, der Maurer und Hobby-Fischer aus Lampedusa, an jenem Morgen im Oktober vor zwei Jahren mit seinen Kollegen zum Fischen hinaus fuhr, war das Meer voller junger Männer, die sich an Wasserflaschen klammerten und um Hilfe schrien. In der Nacht war ihr Schiff untergegangen, nach Stunden im Wasser waren sie erschöpft und verzweifelt. „Wir haben die ersten herausgezogen, sie waren nackt und glitschig, weil das Meer mit Diesel bedeckt war.“ Barrata und seine Freunde brachten die Überlebenden zur Küstenwache, während um sie herum viele Leichen schwammen.

Bürgermeisterin von Lampedusa erhält Friedenspreis

Die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, hat den Friedenspreis der Anstifter erhalten, der am Sonntag in Stuttgart verliehen wurde. Persönlich konnte die bereits mehrfach für ihr humanitäres und politisches Engagement Ausgezeichnete nicht kommen, aber mit Rosa Maria Maggiore und Costantino Barrata hatte sie zwei würdige Vertreter geschickt. Vor der Friedensgala berichteten die beiden in einer Veranstaltung von Allmende Stetten und den Anstiftern im Museumskeller in Stetten über ihr Leben auf der Insel, die zum Symbol für die „Festung Europa“ geworden ist. Dritte im Bund war die Sozialwissenschaftlerin Heidrun Friese. Vor 20 Jahren hat die Professorin für Interkulturelle Kommunikation an der Technischen Universität in Chemnitz zum ersten Mal Lampedusa besucht, um sich mit der Siedlungsgeschichte zu beschäftigen. Seitdem war sie öfter dort, hat mit Einheimischen und Flüchtlingen geredet und darüber ein Buch geschrieben.

Heidrun Friese hat Lampedusa als einen Ort der „fraglosen, unbedingten Gastfreundschaft“ kennengelernt. Die Inselgemeinschaft habe eine lange Tradition der Aufnahme von Flüchtlingen und Gestrandeten. „Das Ethos von Fischern fragt nicht nach Herkunft, Name und Nationalität.“ Ein Mensch in Schwierigkeiten sei für sie ein Bruder ohne Farbe oder Religion, und um zu helfen, müssten sie nicht dieselbe Sprache sprechen, sagte Heidrun Friese, die bei der Friedensgala die Laudatio für Giusi Nicolini hielt.

Rosa Maria Maggiore, genannt Mamma Rosa, die Frau von Costantino Barrata, hilft seit 20 Jahren Flüchtlingen auf Lampedusa. Das Zusammenleben von Einheimischen und Flüchtlingen habe nie Probleme bereitet, so lange den Migranten Recht und Würde garantiert wurden, berichtete sie. Erst als entschieden wurde, sie einzuschließen, als Verbrecher zu behandeln, und das Willkommenszentrum in einen Knast zu verwandeln, habe es gewalttätige Ereignisse gegeben. „Aber ausschließlich gegen Sachen, nie gegen Personen.“ Lampedusa lehre allen, die es begreifen wollten, dass es unsere Gesetze sind, mit denen jeder legale, sichere und gerechte Zugangsweg blockiert werde, die diese Menschen ins Meer werfen. Seit Jahren verlangten deshalb die Lampedusani, die Öffnung von humanitären Zugangswegen, damit die Menschen, die Europa erreichen wollen, dies können, ohne ihr Leben riskieren zu müssen.

Die Flüchtlinge wollen Zugang zu Bildung

Vor allem müssten die Europäer begreifen, dass die Menschen, die auf Lampedusa landeten, diesen Weg – und den Westen – gewählt haben. Aber nicht allein und ausschließlich, wegen des Wirtschaftsmodells oder den Möglichkeiten auf ein besseres Leben, sondern weil sie auf der Suche nach ihren Rechten seien. Dazu gehören, das Recht frei zu leben, der Zugang zu Bildung, und seine Ideen äußern zu können. „In Wirklichkeit kommen sie, um Frieden zu suchen“, sagte Rosa Maria Maggiore. Ihr hat Lampedusa gelehrt, dass es der Frieden, die Liebe und der Respekt seien, mit denen die Schlacht gegen das Böse gewonnen werden könne. „Es ist, wie Erasmus von Rotterdam sagt: Alles, was mir mit Gewalt erreichen, werden wir auf dieselbe Weise wieder verlieren.“