Flüchtling in einer Notunterkunft in Baden-Württemberg Foto: dpa

Mit den wachsenden Problemen bei der Flüchtlingsunterbringung nimmt auch der Druck auf die grün-rote Landesregierung zu - sie will am Montag nach neuen Lösungen in der Asylpolitik suchen.

Stuttgart - Bereits im vergangenen Herbst hatte es einen ersten Gipfel gegeben. Seitdem sind die Flüchtlingszahlen aber so rasant gestiegen, dass die damals beschlossenen Maßnahmen zum Teil schon längst überholt sind. Nicht nur auf Baden-Württemberg rollt deswegen eine Kostenlawine zu.

Eine Umfrage bei allen Landesregierungen ergab, dass sich die Ausgaben für die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern in diesem Jahr voraussichtlich mehr als verdoppeln werden - von etwa 2,2 Milliarden Euro 2014 auf nun mindestens 5 Milliarden Euro.

Der Bund hatte im Juni zugesagt, zur Bewältigung der steigenden Flüchtlingszahlen seine Hilfen für Länder und Kommunen auf eine Milliarde Euro zu verdoppeln und sich von 2016 an dauerhaft an den Kosten zu beteiligen. Entscheidungen dazu sollen im Herbst fallen.

30 Millionen Euro für ein Wohnraumprogramm

Finanzminister Nils Schmid (SPD) wird bei dem Spitzentreffen in Stuttgart ein mit 30 Millionen Euro ausgestattetes Wohnraumprogramm unterbreiten. Die Mittel sind für das Jahr 2016 reserviert und zielen auf die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge in den Kommunen. Gefördert werden der Wohnungsbau, der Erwerb von Wohnraum sowie Erweiterungsprojekte in Höhe von 25 Prozent der Investitionskosten.

Trotz der steigenden Flüchtlingszahlen sind laut Finanzministerium derzeit weder ein neuer Nachtragshaushalt noch die Aufnahme von Schulden über die bis 2020 vorgesehenen Beträge hinaus vonnöten. „Aus heutiger Sicht ist weder das Erreichen der Nettonull 2016, noch die Einhaltung der Schuldenbremse spätestens im Jahr 2020 gefährdet“, teilte eine Sprecherin mit.

Die Summe aller Ausgaben für Flüchtlinge im Südwesten ist unklar. Allein die wichtigsten Posten betrugen im vergangenen Jahr 258,6 Millionen Euro. Für 2015 und 2016 sind 566,4 und 568,0 Millionen Euro eingeplant. Weil die Landeserstaufnahmestellen (Lea) überfüllt sind, will Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) bis zum Winter rund 5700 neue Plätze zur Erstaufnahme schaffen. Zudem will die grün-rote Regierung eine „Task Force“ für alle Fragen der Flüchtlingsproblematik einrichten. Das berichtete „Sonntag Aktuell“ unter Berufung auf Koalitionskreise.

In Zelte nahe der Autobahn sollen nur Männer einziehen

Auch die Kirche bot ihre Hilfe an, etwa bei der Bereitstellung von Gebäuden für die Hilfesuchenden. Die Zeit drängt: Um die Lea in Ellwangen zu entlasten, sind in Neuenstadt (Kreis Heilbronn) Zelte nahe der Autobahn aufgestellt worden. Dort sollen in dieser Woche die ersten Asylbewerber einziehen, ausschließlich Männer.

Insgesamt sollen in dem provisorischen Zeltlager 200 Menschen untergebracht werden, bis für sie ein Platz in einer Kommune gefunden wird. Die CDU warf der Regierung noch einmal Versäumnisse vor. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Winfried Mack, sagte, die hygienischen Verhältnisse in den Leas seien schwierig. Durch die Überfüllung komme es vermehrt zu Streitereien, die von einem großen Polizeiaufgebot geschlichtet werden müssten.

Das Problem der Lea im ländlichen Raum sei aber, dass es keine Bereitschaftspolizei in der Nähe gebe. Landesbeamte erfassten die Flüchtlinge oft erst nach vielen Tagen erkennungsdienstlich. Manchmal verschwänden Menschen, bevor sie registriert werden konnten. CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf sagte am Sonntag: „Mit der Gründung einer „Task Force“ aus Vertretern der Ministerin zeigt die Landesregierung, dass ihr die Sorgen der Städte, Gemeinden und Landkreise offensichtlich egal sind.“

Zudem seien die von Finanzminister Schmid angekündigten 30 Millionen Euro für ein Wohnraumprogramm viel zu wenig. „Denn schon jetzt ist klar, dass die tatsächlichen Flüchtlingszahlen in Baden-Württemberg Ende des Jahres dichter an 100 000 als an 50 000 Menschen liegen.“ Nach Ansicht des Chefs der FDP-Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, hat Grün-Rot das Flüchtlingsproblem „monatelang ignoriert und die notwendigen Konsequenzen verschlafen“.