Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesfinanzminister Christian Lindner Foto: dpa/Kay Nietfeld

Bei dem anstehenden Flüchtlingsgipfel wollen die Länder vom Bund finanzielle Unterstützung für die Unterbringung, Versorgung und Integration von Asylbewerbern fordern. Die Bundesregierung hat andere Prioritäten und weckt Hoffnungen auf eine Reform der EU-Asylpolitik.

Vor dem für Mittwoch anberaumten Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt haben sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Finanzminister Christian Linder (FDP) für eine Asyl-Vorprüfung an den EU-Außengrenzen ausgesprochen. Die Bundesregierung sei zuversichtlich, bei dem geplanten Bund-Länder-Treffen „zu gemeinsamen Verabredungen zu kommen“, um „deutliche Verbesserungen in den Abläufen auf allen staatlichen Ebenen“ zu erreichen, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Freitag in Berlin.

Seit Jahresbeginn haben in Deutschland rund 100 000 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) am Freitag mitteilte, zählte die Behörde im April 19 629 Erstanträge. In den Monaten Januar bis März waren laut Bamf 80 978 formale Schutzersuchen gestellt worden. Im Gesamtjahr 2022 hatte das Bundesamt 217 774 Asylerstanträge entgegengenommen.

„Wir werden für eine verlässliche Identifizierung, Registrierung und Überprüfung von Menschen bereits an den EU-Außengrenzen sorgen“, sagte Faeser dem „Handelsblatt“. Es werde in Brüssel über Verfahren verhandelt, die noch an der Grenze und nicht erst innerhalb der EU zu raschen Entscheidungen in wenig aussichtsreichen Asylverfahren führen sollen. „Dann können abgelehnte Asylbewerber schnell bereits von den EU-Außengrenzen aus zurückgeführt werden.“ Italien und andere Staaten mit Außengrenzen sehen entsprechende Überlegungen allerdings skeptisch, solange es keine verbindlichen, funktionierenden Verfahren für eine Verteilung von Asylbewerbern innerhalb der EU gibt.

Österreichs Innenminister für deutlich festeren Außengrenzschutz

Lindner sagte in einer Talkrunde von RTL/ntv: „Ich glaube, dass, um Kontrolle herzustellen, auch der physische Schutz der Außengrenze in Betracht gezogen werden muss“ - etwa durch einen Grenzzaun. Er sei dafür, „wenn zugleich die Möglichkeit humanitärer und qualifizierter Einwanderung rechtlich erleichtert wird“. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Maximilian Kall, sagte, Kinder, Schwangere und andere besonders Schutzbedürftige sollten von den Grenzverfahren nach Ansicht der Bundesregierung ausgenommen werden.

Österreichs Innenminister Gerhard Karner von der ÖVP sprach sich im Deutschlandfunk für einen deutlich robusteren und festeren Außengrenzschutz aus. Er könne sich ein komplettes Asylverfahren, das an den EU-Außengrenzen stattfindet, vorstellen, sagte Karner: „Wenn man einen funktionierenden Außengrenzschutz hat, dann kann man auch sicherstellen, dass an diesen Grenzen ordentlich kontrolliert wird und dass auch schnelle Verfahren durchgeführt werden können.“

Eine große Mehrheit der Deutschen befürwortet laut einer Umfrage das Prinzip, Asylverfahren künftig bereits an den EU-Außengrenzen zu führen - auch wenn die Details einer Umsetzung des Vorhabens noch nicht genau feststehen. Für 79 Prozent geht dieser Vorschlag in die richtige Richtung, für jeden Zehnten (11 Prozent) in die falsche Richtung. Das ergab eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte dem „Spiegel“ zu den laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene: „Vielleicht bekommen wir einen Minimalkompromiss über die Asylverfahren an den Außengrenzen hin. Aber an einen schnellen, umfassenden Durchbruch glaube ich nicht.“

Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Britta Haßelmann, betonte in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv: „Wir können nicht die Debatte darauf konzentrieren, wie schotten wir uns am besten ab.“ Bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch müsse vielmehr darüber gesprochen werden, wie man die Kommunen konkret unterstützen könne. Das betreffe zum Beispiel ausreichend Wohnraum, verstärkte Integrationsmaßnahmen und mehr Geld für besonders belastete Kommunen.

Ramelow bekräftigt Forderung nach Spurwechsel für Asylbewerber

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) bekräftigte seine Forderung nach einem Spurwechsel für Asylbewerber. „Ich möchte einem bestimmten Kreis von Menschen, die sowieso da sind, die Möglichkeit geben, den Asylantrag zurückzunehmen, um ihnen im Gegenzug eine Bleibeperspektive zu geben - so, als wenn wir sie als Arbeitsmigranten angeworben hätten“, sagte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Wenn jemand berechtigt sei, per Arbeitsmigration angeworben zu werden, „dann brauche ich ihn nicht vorher abzuschieben“, sagte Ramelow der Deutschen Presse-Agentur.

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein sprach sich gegenüber dem „Handelsblatt“ dafür aus, die Finanzierung der Flüchtlingskosten durch den Bund künftig an der Zahl der Neuankömmlinge auszurichten. „Der Bund muss zu einer sogenannten Spitzabrechnung zurückkehren, das heißt: Statt mit einer Pauschalsumme für die Länder wird wieder pro Kopf abgerechnet“, forderte der CDU-Politiker. Je mehr Flüchtlinge kämen, desto mehr Geld gebe es.

Eine monatliche Pauschale in Höhe von 670 Euro pro Kopf hatte es bis Ende 2021 für die Dauer des Asylverfahrens gegeben. Der Bund verweist allerdings auf andere Maßnahmen, die eine finanzielle Entlastung von Ländern und Kommunen nach sich ziehen. Beispielsweise müssen die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine kein Asylverfahren durchlaufen und haben gleich Anspruch auf Bürgergeld oder andere Sozialleistungen, für die der Bund aufkommen muss. Die Kosten für noch nicht anerkannte Asylbewerber tragen Länder und Kommunen.

Der stellvertretende Regierungssprecher Büchner betonte, die Aufnahme und Versorgung Geflüchteter sei eine Aufgabe der Länder und Kommunen. Der Bund unterstütze sie dabei bereits umfassend finanziell und logistisch, verstärkt seit 2015. Wichtig sei es aus Sicht der Bundesregierung, „die Migrationsverwaltung zu digitalisieren und einen behördenübergreifenden Datenaustausch zu schaffen“, sowie die irreguläre Migration konsequent zu bekämpfen und reguläre Migrationswege zu eröffnen. Dafür wolle man Migrationsabkommen mit Herkunftsländern schließen. Gleichzeitig sei es erforderlich, „Personen ohne Bleiberecht sowie Straftäter und Gefährder konsequent auszuweisen“.