100 Flüchtlinge haben 2016 in der Stadt eine Wohnung gefunden, 700 sind freiwillig zurück in die Heimat gegangen. Foto: dpa

Mehr als 3600 neue Flüchtlinge hat Stuttgart im Vorjahr untergebracht. Gleichzeitig sind aber mehr als 2700 aus städtischen Unterkünften ausgezogen. Viele sind freiwillig zurück in die Heimat gereist.

Stuttgart - Rund 3660 Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr in Stuttgarter Unterkünften aufgenommen worden: eine beträchtliche, aber nicht überraschende Zahl. Erstaunlich ist eher, dass im selben Zeitraum fast 2740 Flüchtlinge, die in Heimen oder Wohnungen der Stadt untergebracht waren, diese wieder verlassen haben. Die kommunale Statistik zeigt: 28 Prozent dieser Menschen sind freiwillig zurück in die Heimat gegangen. Bemerkenswerte 42 Prozent fanden in oder außerhalb Stuttgarts eine eigene Wohnung.

„Wir arbeiten jetzt im Regelbetrieb“, sagt der Sozialamtsleiter Stefan Spatz. Rund 8000 Flüchtlinge sind derzeit in 128 Unterkünften der Stadt einquartiert. Es ist nicht lange her, da waren es schon einmal 8500. Im vergangenen Jahren konnten alle Notunterkünfte wie Turnhallen und Schulgebäude wieder an die vorherigen Nutzer zurückgegeben werden. Der Umzug in die neuen Systembauten war für die meisten Flüchtlinge eine Verbesserung. Abgesehen freilich von den rund 400 Personen, die vorübergehend eine Einzelwohnung der SWSG hatten, die sie in Richtung einer der Großunterkünfte verlassen mussten. Dass eine so große Zahl von Flüchtlingen aber aus diesen Einrichtungen wieder ausgezogen sind, hat „zwei Motoren“, sagt Stefan Spatz: der Umzug in eine Privatwohnung und die freiwillige Rückkehr.

Auch Menschen aus Krisengebieten gehen zurück

„Die Rückkehrberatung läuft nach wie vor gut“, sagt der Sozialamtsleiter. Nach der städtischen Statistik haben deutlich mehr als 700 Flüchtlinge im vergangenen Jahr freiwillig das Land verlassen. Mehr als 400 von ihnen wurden von den Mitarbeitern der Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt (AGDW) beraten, die für die Stadt tätig ist. Mehr als 300 von diesen kamen vom Westbalkan, hatten also keine Chance, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Im Jahr zuvor war diese Gruppe noch größer. Die insgesamt 520 Personen, die 2015 Stadt und Land verließen, „kamen vor allem aus den Westbalkanstaaten“, sagt Gabriele Kämper-Bürger von der AGDW.

Inzwischen kehren auch Menschen aus Krisenländern Deutschland wieder den Rücken. Von den gut 100 Personen stammten 35 aus dem Irak, 21 aus Afghanistan, zwölf aus dem Libanon und einige auch aus Syrien. „Die Menschen waren im laufenden Verfahren und hätten nicht gehen müssen“, sagt die AGDW-Mitarbeiterin. Etliche von ihnen, zum Teil mit Familie in Notunterkünften untergebracht, „waren zermürbt und haben das nicht mehr ausgehalten“. Manche hatten erwartet, dass sie in Deutschland schnell Arbeit und eine Wohnung bekommen. Auch der durch den Bund erschwerte Familiennachzug wirke sich aus, sagt Gabriele Kämper-Bürger: „Von der Familie getrennt zu sein, bringt die Betroffenen häufig in eine dramatische Lage.“

Die Hilfsbereitschaft ist nach wie vor groß

Deutlich höher als noch 2015 ist die Zahl der Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr eine Wohnung in Stuttgart gefunden haben. „Wir hatten noch nie so viele Vermittlungen in Privatwohnungen“, sagt Stefan Spatz. Laut der städtischen Statistik fanden 15 Prozent, welche die Heime verlassen haben, eine eigene Bleibe außerhalb Stuttgarts, 27 Prozent in der Landeshauptstadt selbst. Das sind zusammen mehr als 1100. Wie hier noch immer etwa 3500 Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe tätig sind, so gibt es auch Wohnungseigentümer, die bereit sind, an Flüchtlinge zu vermieten.

Auch Fred Walter, der Leiter des Immobilienmanagements bei der Caritas, hat die Erfahrung gemacht, dass manche Wohnungseigentümer durchaus an Flüchtlinge vermieten. Mitte vorigen Jahres wurde der Bereich neu organisiert, um „mehr Wohnungen für unsere Klientel zu finden“, also etwa auch für Wohnungslose und Suchtkranke, so Walter. Die Caritas tritt als Mieter auf. Nicht die Betroffenen, der Verband kümmert sich um diese und macht bei größeren Objekten die Hausverwaltung. Das biete dem Vermieter Sicherheit. Dieses Vorgehen kommt auch Flüchtlingsfamilien zugute. Etwa 20 Wohnungen habe man so für anerkannte Asylsuchende gemietet, erklärt Walter. Da es sich zum Teil um große Familien handle, seien „mehr als 100 Personen untergekommen.“ Auch durch einen Aufruf in den Kirchengemeinden sei „eine Handvoll Wohnungen“ von Bürgern zur Verfügung gestellt worden. Walter: „Die Hilfsbereitschaft ist spürbar.“

Gut 200 Flüchtlinge sind abgeschoben worden

Ein Teil der Flüchtlinge, die aus den Unterkünften ausgezogen sind, ist einfach verschwunden (19 Prozent), ohne dass man über ihren Verbleib etwas weiß. Und acht Prozent, rund 200, wurde abgeschoben. Bisher seien aber keine Schutzsuchenden aus Afghanistan dabei gewesen, sagt Jama Maqsudi. „Das würde für viele Flüchtlinge das Todesurteil bedeuten“, warnt der stellvertretende AGDW-Geschäftsführer, der selbst vor Jahrzehnten von dort nach Stuttgart kam. Neben gut 2600 Syrern und 1380 Irakern leben 1190 Flüchtlinge aus Afghanistan in Stuttgarter Unterkünften.