Sprachkurse sollen die Integration beschleunigen Foto: factum-Weise

Die Stadt Stuttgart will die Angebote zur Sprachförderung von Flüchtlingen und Migranten transparenter und effektiver machen. Unter anderem durch den Einsatz einer zentralen Datenbank soll jeder Berechtigte nach sechs Wochen seinen Sprachkurs antreten können.

Stuttgart - Stuttgart organisiert das Sprachförderangebote für Flüchtlinge und andere Migranten neu. Eine zentrale Datenbank soll für alle Beteiligten Transparenz schaffen, die Kursauswahl zielgenauer machen und beschleunigen. Die Neuerung aber birgt auch Nachteile: Im künftigen System sind berufsorientierte Sprachkurse für nur Geduldete nicht mehr finanziert.

In den Jahren von 2005 bis 2014 haben insgesamt rund 15 000 Menschen Integrationskurse in Stuttgart besucht. Diese Zahl wächst. 2015 haben fast 2300 Migranten Sprachkurse belegt, im ersten Halbjahr 2016 schon rund 1950. In Folge der Finanzkrise waren einige Jahre lang viele EU-Ausländer unter diesen, im Jahr 2014 zum Beispiel 46 Prozent. Inzwischen aber sind es in der Hauptsache Geflüchtete.

Auch die Stadt finanziert Kurse

Den größten Teil der Kurse hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanziert. Für einen gewissen Teil aber, auch für Asylsuchende ohne eine gute Bleibeperspektive, haben Land und Stadt die Kosten übernommen, von 2015 bis Mitte 2016 waren das fast 400 Personen. Weiter führende berufsorientierende Sprachkurse sind bisher vor allem mit Geldern des Bundes aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) finanziert worden. Gut 170 Personen waren dies von jenen, die im genannten Zeitraum zuvor einen städtischen Sprachkurs absolviert hatten.

In diese Struktur kommt nun Bewegung. Zum einen, weil der Bund in Zukunft auch die berufsorientierenden Aufbaukurse für Flüchtlinge „voll finanziert“, sagt Martha Aykut, die in der Integrationsabteilung des Sozialamts für die Sprachkurse zuständig ist. „Da kommen wir in eine ganz neue Dimension“, ist sie überzeugt. Aus den jährlich bisher 20 bis 25 ESF-Kursen, schätzt Aykut, könnten bald 100 bis 150 Kurse mit jeweils etwa 20 Teilnehmern werden. Damit würde sich dieser Bereich in Richtung der jährlich etwa 300 Integrationskurse bewegen, die das BAMF finanziert und in denen jeweils 600 bis 900 Stunden Deutsch gepaukt werden. Klar ist allerdings: Mit dem in den Integrationskursen erworbenen Sprachniveau könnten Flüchtlinge und Migranten „noch keinen Beruf ergreifen“, sagt Aykut.

Jetzt ist das Thema in einem Referat

Es gibt aber weitere Gründe für die Neuorganisation der Sprachförderung. So ist das Thema nach der Umstrukturierung der Bürgermeisterbank nicht mehr auf zwei Referate verteilt, sondern im neuen Ressort Soziales und Integration zusammengefasst. Bürgermeister Werner Wölfle (Grüne) geht es vor allem darum, den Integrationsprozess durch möglichst früh einsetzende Sprachkurse zu beschleunigen und besser zu steuern: „Bisher sind zwar viele Kurse bewilligt worden, wir wissen aber nicht so genau, wer dort tatsächlich ist und wie lange.“

Das will die Stadt durch ihr neues Gesamtprogramm Sprache (GPS) ändern. Mit den 17 bisher schon in Stuttgart tätigen Sprachkursträgern, zu denen wegen der wachsenden Zahl von berufsorientierenden Kursen des Bundes sieben weitere gekommen sind, hat es bereits ein Treffen gegeben. Nach den Vorgaben der Stadt müssen diese künftig akribisch melden, wer welchen Kurs besucht hat, wie lange und wer diesen abgebrochen hat. Das ganze wird über eine Datenbank organisiert, in der alle Kurse und Teilnehmer eingepflegt werden. Durch die Datenbank sind die Kursträger, aber auch die städtische Clearingstelle, das Jobcenter, die Arbeitsagentur und die Ausländerbehörde miteinander vernetzt, also auch alle, die Berechtigungsscheine ausstellen. Dies soll möglich machen, dass jeder Flüchtling oder Migrant innerhalb von sechs Wochen nach der Ausstellung seines Berechtigungsscheines seinen Sprachkurs antreten kann.

Es gibt auch Verschlechterungen

„Das wird alles einfacher und übersichtlicher“, davon ist Jobcenterchef Jürgen Peeß überzeugt. Für einen entscheidenden Fortschritt hält er auch, dass nun nicht mehr nur das BAMF Berechtigungsscheine für Sprachkurse ausstellen darf, was mitunter bis zu drei oder vier Monate gedauert habe, sondern auch Einrichtungen wie das Jobcenter oder die der Arbeitsagentur. Peeß: „Das geht jetzt viel schneller.“

Allerdings gibt es auch Verschlechterungen. So waren die bisherigen ESF-Sprachkurse zur Berufsorientierung an ein Praktikum gekoppelt, was jetzt nicht mehr der Fall ist. Und diese waren auch für sogenannte Geduldete offen, deren Asylantrag zwar nicht bewilligt wurde, die aber doch ein Bleiberecht haben. Für diese Gruppe sieht der Bund aber keine Finanzierung vor. „Deren Zahl wird hoch bleiben“, sagt Bürgermeister Werner Wölfle über die Geduldeten und kritisiert: „Sie sind jetzt aber schlechtergestellt.“ Obwohl auch diese Gruppe nach drei Monaten arbeiten darf. Wölfle: „Die dürfen wir nicht vergessen, da müssen wir eine Antwort finden.“

EU-Ausländer haben Nachteile

Martha Aykut weist drauf hin, dass für jene, deren Kursgebühr nicht vom Bund bezahlt wird, die Kosten höher werden. „Man hat den Eigenanteil von einem auf zwei Euro pro Stunde erhöht“, so Aykut. „Das fällt bei einem Kurs mit 600 Stunden ins Gewicht.“ Davon betroffen sein dürften vor allem nachziehende Familienangehörige und EU-Zuwanderer. „Die EU-Ausländer rutschen nach unten“, stellt Werner Wölfle fest.