Lässt sich das in einem Jahr erlernen? Die FDP schlägt eine verkürzte Berufsausbildung für Flüchtlinge vor. Foto: dpa

Wenn Jobs der Schlüssel zur Integration sind – warum gibt man ihn Flüchtlingen dann nicht in die Hand? Die FDP greift deshalb den Vorschlag von Unternehmern auf, Zuwanderer in einem Jahr fit für Deutschland zu machen.

Stuttgart - Mit einer auf ein Jahr verkürzten dualen Ausbildung lässt sich nach Ansicht der FDP die Integration von Flüchtlingen deutlich beschleunigen. Die Liberalen greifen damit einen Vorschlag des Ditzinger Unternehmers Berthold Leibinger (Trumpf) auf, der laut Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke dafür selbst Ausbildungsstätten und Personal zur Verfügung stellen will.

Innerhalb eines Jahres könnten so Spracherwerb und Fachkenntnisse, aber auch „Haltung“ gegenüber der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung vermittelt werden, sagte Rülke nach einer Fraktionsklausur. Diese Schnellbleiche solle die üblichen mehrjährigen Ausbildungsgänge nicht ersetzen, könne aber teilweise darauf angerechnet werden.

Rülke würdigte die Anstrengungen von Land, Unternehmen, deren Verbänden und Kammern, den Flüchtlingen den Weg ins Berufsleben zu ebnen. Die sprachliche Hürde sei jedoch für viele zu hoch. Es kämen außerdem „nicht lauter syrische Herzspezialisten“ nach Deutschland.

Kultusministerium schweigt dazu

Da bei der dualen Ausbildung auch das Land gefragt ist – die Berufsschulen sind für den theoretischen Teil zuständig –, müsse Ministerpräsident Winfried Kretschmann das Thema zur Chefsache machen. Rülke sagte, auch der Ehrenvorsitzende der Bosch-Gruppe, Hermann Scholl, habe in Gesprächen mit den Liberalen für einen solchen Weg plädiert. Angesichts des Mangels an Auszubildenden in vielen praktischen Berufen könnten alle Seiten von dieser Neuerung profitieren.

Das Kultusministerium wollte den Vorschlag am Freitag nicht kommentieren.

Die IHK Region Stuttgart hält es grundsätzlich für richtig, Flüchtlingen einen niedrigschwelligen Weg in den Arbeitsmarkt zu bieten – am besten mit einer dualen Berufsausbildung. Sie verweist allerdings auf das bereits bestehende Instrument der „Einstiegsqualifizierung“ – das ist ein bis zu zwölf Monate dauerndes Praktikum in Betrieben.

„Es eignet sich besonders auch für junge Flüchtlinge“, sagte IHK-Geschäftsführer Martin Frädrich, der für den Ausbildungssektor der baden-württembergischen IHKs federführend ist. Denn dieses Praktikum führe sie in einem „machbaren Tempo an unsere Arbeitswelt heran“. Außerdem könnten die Zuwanderer Kontakt zu Kollegen entwickeln. Direkt daran lasse sich eine Ausbildung anschließen, sagte Frädrich unserer Zeitung. Die Einstiegsqualifizierung könne man darauf anrechnen.

DGB ist skeptisch

Äußerst skeptisch sieht der DGB den Liberalen-Vorschlag. „Das Ziel sollte eine Vollausbildung sein“, sagte Landes-Vizechefin Gabriele Frenzer-Wolf unserer Zeitung. Sie befürchtet, dass viele Flüchtlinge mit einer einjährigen Ausbildung, in der kaum Sprachqualifikation erworben werden kann, im Niedriglohnbereich landen: „Doch die Zahl dieser einfachen Tätigkeiten wird abnehmen.“

Zur Verbesserung der Sprachkenntnisse von Zuwanderern lasse sich ein voller zweiter Berufsschultag ideal nutzen, sagte Frenzer-Wolf: „Eine solchen zusätzlichen Tag fordern wir seit langem.“ Spezielle Programme für Flüchtlinge seien hingegen nicht ratsam, denn es gebe auch viele deutsche Jugendliche, die Probleme hätten, am Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.

Die Landtags-CDU sprach sich unterdessen auf ihrer Fraktionsklausur in Titisee-Neustadt dafür aus, 1500 zusätzliche Polizeistellen zu schaffen, die Residenzpflicht für Asylbewerber wieder einzuführen und die Staaten Marokko und Algerien asylrechtlich als sichere Herkunftsländer zu definieren.

Sorge wegen Stimmungswandel

Die hohen Flüchtlingszahlen und die sexuellen Übergriffe an Silvester in mehreren deutschen Großstädten haben nach Ansicht von CDU-Fraktionschef Guido Wolf zu einem Vertrauensverlust der Menschen in die Politik geführt: „Das Bewusstsein in der Bevölkerung hat sich verändert.“ Die Bürger stellten sich die Frage, „ob wir weiterhin so leben können, wie wir leben wollen“. Darauf müsse die Politik nun die richtigen Antworten geben.

Kritik an der Asylpolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel übte Wolf jedoch nicht. Auf dem CDU-Bundesparteitag in Karlsruhe und auf der Vorstandsklausur in Mainz seien dazu Beschlüsse gefasst worden. Wolf: „Jetzt gilt es, sie mit Leben zu erfüllen.“ Merkel habe in Karlsruhe auch gesagt, dass eine Reduzierung der Flüchtlingsströme notwendig sei. Außerdem müssten die Länder ihre Hausaufgaben machen.

Wolf griff in diesem Punkt erneut die Landesregierung an. Er lasse es dem Ministerpräsidenten nicht durchgehen, wenn dieser sich um die Einführung der Sachleistungen für Asylbewerber drücke, weil er „die intelligenteste aller intelligenten Lösungen“ dafür suche – etwa in Form einer Geldwertkarte: „Die Menschen erwarten jetzt schnelles Handeln.“

In ihrer „Titiseer Erklärung“ spricht sich die CDU-Fraktion auch dafür aus, die Hürden für Ausweisung und Abschiebung zu senken: Wer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe, auch unter Bewährung, verurteilt sei, soll Asyl- und Flüchtlingsberechtigung verwirkt haben.