Auf der Wiese und dem Parkplatz soll 2016 eine Unterkunft für junge, unbegleitete Flüchtlinge entstehen. Die angrenzenden Wohngebäude mit überwiegend Eigentumswohnungen wurden erst vor wenigen Jahren errichtet. Viele der Anwohner haben jetzt im Bezirksbeirat Informationen aus erster Hand bekommen. Foto: Jürgen Brand

Vertreter der Stadt haben im Bezirksbeirat über die geplante Unterkunft an der Klingenbach-Anlage informiert. „Der jüngste unbegleitete Minderjährige, den wir aufgenommen haben, war zehn Jahre alt“, berichtete ein Mitarbeiter des Jugendamtes.

S-Ost - Wenn wir diese Informationen von heute früher gehabt hätten, dann hätten wir uns nicht so aufgeregt!“ Der Anwohner aus der Straße Am Klingenbach im Stadtteil Gaisburg dürfte vielen seiner Nachbarn aus der Seele gesprochen haben. Etliche von ihnen waren am Mittwochabend zur Sitzung des Bezirksbeirats Stuttgart-Ost gekommen, um sich über den geplanten Systembau für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sozusagen direkt vor ihrer Haustür zu informieren. Und vermutlich auch, um ihren Unmut darüber loszuwerden. Den hatte es in den vergangenen Wochen durchaus gegeben, nachdem die Stadt die Pläne für die Flüchtlingsunterkunft bekannt gemacht hatte. Aber die umfangreiche und sachliche Information durch die Vertreter der beteiligten städtischen Ämter und die große Unterstützung für die Pläne durch den Bezirksbeirat und auch in den Reihen der Zuhörer scheint die Gemüter besänftigt zu haben.

Die Stadt will, wie berichtet, auf einem Grundstück an der Straße Am Klingenbach zwischen der dortigen städtischen Kindertagesstätte und der Außenstelle der Grund- und Werkrealschule Gablenberg im kommenden Jahr einen zweigeschossigen Systembau errichten, um dort von September 2016 an unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unterzubringen. Die Zahl dieser jungen Flüchtlinge ist in diesem Jahr sprunghaft angestiegen. Bis Ende des Jahres rechnet Lucas-Johannes Herzog, der im Jugendamt die Abteilung Erziehungshilfen leitet, mit bis zu tausend Jugendlichen, die Zuflucht in Stuttgart suchen. Im vergangenen Jahr waren es nur 260 insgesamt.

Der jüngste unbegleitete Minderjährige war zehn Jahre alt

Nach Angaben von Herzog kommen die meisten dieser jungen Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan, Syrien und afrikanischen Staaten, sie hätten in der Regel keine Papiere bei sich. Deswegen müsse zunächst einmal herausgefunden werden, wie alt die Neuankömmlinge seien. Das Alter werde meist nach den ärztlichen Untersuchungen und ersten Befragungen geschätzt, sagte Herzog im Bezirksbeirat. „Knapp die Hälfte davon ist dann tatsächlich minderjährig.“ 97 Prozent davon seien junge Männer. Ihr Alter liege bisher zwischen 15 und knapp 18 Jahren, allerdings kämen zunehmend noch Jüngere alleine in Stuttgart an. Herzog: „Der jüngste unbegleitete Minderjährige, den wir aufgenommen haben, war zehn Jahre alt.“

Für diese minderjährigen Flüchtlinge gilt das Kinder- und Jugendhilferecht. Danach müssen sie anders als beispielsweise Flüchtlingsfamilien untergebracht und vor allem auch intensiver betreut werden. Dafür wird der Systembau direkt an der Klingenbach-Grünanlage benötigt. Das Gebäude soll 41 Meter lang, 13 Meter breit und 5,80 Meter hoch werden. Mit dem Neubau bekommt das Jugendamt erstmals einen eigenen Standort für junge Flüchtlinge. Während in der Beschlussvorlage der Stadt von 78 Unterkunftsplätzen die Rede ist, sprach Herzog am Mittwoch von höchstens 40 Jugendlichen, die dort wegen der für junge Flüchtlinge geltenden Standards untergebracht werden dürften. Die Jugendlichen würden rund um die Uhr betreut und verpflegt. Vom zweiten Tag ihres Aufenthalts an würden sie durch das pädagogische Team betreut, später folgten Sprachkurse. Sobald es möglich sei, würden die Jugendlichen Regelschulen besuchen. Für die Unterkunft sei ein Wachdienst vorgesehen, der den Zutritt kontrolliere.

Der Bezirksbeirat zeigte sich fraktionsübergreifend tief beeindruckt von der Leistung der Verwaltung bei der Flüchtlingshilfe. Kritisiert wurde lediglich, dass man viele Informationen erst aus der Presse erfahre. Die Pläne der Verwaltung wurden einstimmig zustimmend zur Kenntnis genommen. Auch Aly Palm, der stellvertretende sachkundige Einwohner für Migration und Integration im Bezirksbeirat, war beeindruckt. Er sagte: „Deutschland bekommt plötzlich ein anderes Gesicht, ein glänzendes Gesicht!“