Seit zwei Jahren lebt Ibrahim in einer WG in Stuttgart. Foto: Baufeld

2015 kamen in Stuttgart Tausende Geflüchtete an. Wir haben damals aus einer Notunterkunft berichtet. Seitdem begleiten wir zwei Familien und einen jungen Mann auf ihren Wegen. Wie geht es den Menschen heute? Einer von ihnen ist Ibrahim Ferik. Der junge Mann hat durch viel Fleiß und die Hilfe Ehrenamtlicher wieder festen Boden unter den Füßen und ist in der Arbeitswelt angekommen.

Stuttgart - Ibrahim strahlt. „Mir geht’s gut. Wieso? Und dir?“, fragt er locker bei einem Treffen in einem Stuttgarter Lokal im Dezember 2018. Wir begleiten den 32-Jährigen aus Syrien seit seiner Ankunft in Stuttgart. Mittlerweile lebt er seit drei Jahren in seiner neuen Heimat.

So gelöst wie an diesem Abend erleben wir ihn bei unserer ersten Begegnung in der Notunterkunft für Flüchtlinge 2015 nicht. Damals entdecken wir Ibrahim während unserer 24-Stunden-Reportage nachts beim Deutsch Lernen zwischen Tischen, Büchern, Stockbetten und anderen Geflüchteten in der Zeltstadt im ehemaligen Reitstadion. Wie ging es weiter mit dem jungen Mann, der alles hinter sich ließ und aus seiner gefährlichen und schwer vom Krieg gezeichneten Heimatstadt Aleppo 2015 nach Deutschland floh?

Der lange Weg zum Alltag in Deutschland

„Alles gut“, sagt er flapsig, als wäre nichts schwer oder anders als bei anderen gewesen – und grinst. Ibrahim ist mittlerweile als Flüchtling anerkannt und auf der Erfolgsspur. Er hat eine Wohnung, eine Arbeitsstelle, Freunde, spricht beinahe akzentfrei Deutsch. „Ich gehe mittlerweile auch häufiger aus, nur das mit dem Sport krieg ich nicht so richtig hin, ich sollte mich mehr bewegen“, sagt er. Vergessen sind die Erlebnisse im Krieg in Syrien, die Explosionen in unmittelbarer Nähe, die vielen Verletzten und Toten nicht. Doch mit jeder Entwicklung in seinem neuen Leben, rücken die Erinnerungen daran ein kleines Stückchen weiter in den Hintergrund.

Von der Zeltstadt zog er 2016 schnell in eine Flüchtlingsunterkunft und dann in eine WG. In der Wohnung etwas außerhalb von Stuttgart lebt er immer noch. „Es gefällt mir gut dort. Aber vielleicht möchte ich irgendwann auch mal eine Wohnung kaufen und eine Familie gründen“, sagt er offen. Ibrahim ist gefestigt in seiner neuen Heimat. „Ich finde die Kultur hier normal“, sagt er. Doch der Weg hat ihn viel Disziplin, Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen gekostet. Er ist klug, passt sich an und beweist oft Humor.

Sein starker Charakter begleitet ihn, ebenso viele Ehrenamtliche. Seine Helfer wurden im Laufe der Zeit zu Freunden. Dafür ist Ibrahim dankbar. „Ohne Hilfe geht es nicht“, hat er uns schon 2016 gesagt.

Der Entwicklungsingenieur will eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung

Mit der Arbeitsstelle klappte es damals über eine Jobmesse. Zuerst machte Ibrahim ein Trainee-Programm, danach bekam er eine Festanstellung. Seit Dezember 2017 arbeitet er als Entwicklungsingenieur für ein Unternehmen in Stuttgart-Vaihingen. Er hat einen unbefristeten Vertrag und fühlt sich wohl in der Firma.

Seine Geschichte ist eine wie aus dem Lehrbuch – könnte man sagen. Und genau dorthin hat er es nun auch geschafft: Der Westermann-Verlag hat einen Text, der auf der Website dieser Zeitung erschien in einem Englisch-Buch für die gymnasiale Oberstufe abgedruckt. „Das ist so cool“, sagt er stolz mit leuchtenden Augen als er das Buch in Händen hält. Diese Eigenschaft kommt bei Ibrahim nicht oft zutage, obwohl er mehr als stolz auf sich sein könnte.

Nun will er auch etwas zurückgeben: „Ich wollte schon immer zur Polizei. Ich könnte mir vorstellen, als Übersetzer für die Polizei in Stuttgart ehrenamtlich, neben meinem Hauptjob, zu arbeiten. Das wäre echt mein Traum“, sagt er. Er habe bereits danach gesucht, sei jedoch bislang nicht fündig geworden.

Damit das klappt, will er noch besser Deutsch lernen. Sein Ziel ist die zweithöchste Stufe in der Skala im Fach Deutsch als Fremdsprache, das C1-Niveau. „Wenn man Spaß bei der Sache hat, geht es wie von alleine“, sagt er zu seinen nächsten Zielen. 2019 will er auch eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Auf die Frage, ob er vielleicht mal wieder zurück nach Syrien wolle, antwortet er: „Man etabliert ja nach und nach sein Leben an dem neuen Ort und baut sich was auf. Es ist hart immer ohne meine Familie zu sein. Auch wenn die Situation in Syrien immer besser wird – ich will natürlich hier bleiben.“

Ganz ohne Verwandtschaft ist Ibrahim jedoch nicht in Deutschland. In Mannheim wohnt sein Cousin und seinen Tante lebt in Nordrhein-Westfalen. Mit ihnen verbringt er wie im letzten Jahr die Feiertage.