Die riesige Halle der Post war bereits für die Ankunft von Flüchtlingen vorbereitet – wirklich benötigt worden ist sie aber nie Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Vor einem Jahr hat das Land unter großem Zugzwang beschlossen, im Stuttgarter Reitstadion, in einer ehemaligen Logistikhalle der Post am Schlossgarten und in Herrenberg Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge einzurichten. Die beiden Gebäude stehen bis heute leer.

Stuttgart - So schnell ändert sich manchmal die Lage. Erst hat bei den Behörden niemand die große Flüchtlingswelle heraufziehen sehen – und jetzt stellt der massive Rückgang der Zahlen die Verantwortlichen vor neue Probleme. Vor knapp einem Jahr sah das Land sich gezwungen, jede denkbare Möglichkeit zur Unterbringung von Asylbewerbern zu nutzen. Deshalb beschloss man, Erstaufnahmeeinrichtungen im Stuttgarter Reitstadion, in einer ehemaligen Logistikhalle der Post in der Ehmannstraße und im ehemaligen Schulungsgebäude der Firma IBM in Herrenberg einzurichten. Die Zelte im Reitstadion sind längst wieder abgebaut – und auch die künftige Nutzung der beiden Gebäude ist völlig offen. Dort ist bisher kein einziger Flüchtling eingezogen.

Am interessantesten ist die Zukunft der 11 000 Quadratmeter großen Halle in unmittelbarer Nähe zum Schlossgarten und zum Stuttgart-21-Gelände. Für fünf Jahre hat das Land das Gebäude von der Post angemietet. Es sollte als Notquartier bei weiteren großen Flüchtlingswellen dienen und stand bereits seit Jahreswechsel mit aller nötigen Ausstattung bereit. Bis zu 1500 Menschen hätten dort unterkommen können. Noch am Donnerstag hat ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber unserer Zeitung ein Konzept für das ganze Land bis Jahresende angekündigt. Darin soll es vor allem darum gehen, welche Einrichtungen aufrecht erhalten werden und welche dauerhaft geschlossen. Die Posthalle sei in den „Stand-by-Modus“ versetzt worden, hieß es.

Nur noch wenige Sicherheitsleute

Tatsächlich aber wird auch künftig kein Asylbewerber an der Ehmannstraße einziehen. „Die Logistikhalle spielt für die weitere Unterbringung für Flüchtlinge keine Rolle“, heißt es im Regierungspräsidium Stuttgart, das für die Abwicklung zuständig ist. Stattdessen sei man derzeit dabei, „die bestehenden Vertragsverhältnisse zu beenden“. Das beinhalte ausdrücklich nicht nur die Verträge mit Sicherheitsfirma oder Gastronomieunternehmen, sondern auch den mit dem Vermieter. Weiterhin eine teure Miete ohne sinnvolle Verwendung zu bezahlen will sich das Land offenbar nicht mehr leisten. Derzeit wird die Halle „nur noch zu Lagerzwecken genutzt und mit deutlich reduziertem Personaleinsatz bewacht“. Übrige Feldbetten, Decken und viele weitere Gegenstände sind zum Teil anderswo eingelagert, zum Teil bereits verkauft. Dem Vernehmen nach versucht man, so viel wie möglich davon loszuwerden – zu beinahe jedem Preis.

Im Innenministerium heißt es, man prüfe für diverse Standorte, ob die jeweilige Kommune Interesse an leer stehenden Erstaufnahmeeinrichtungen habe. Zumindest für die Flüchtlingsunterbringung dürfte das in Stuttgart nicht der Fall sein. „Für unsere Begriffe wäre diese Halle eine Notunterkunft. Eine solche wollen wir aber nicht“, sagt Sozialamtsleiter Stefan Spatz. Noch in diesem Monat räumt die Stadt das letzte eigene Notquartier. Dann sollen die noch verbliebenen Flüchtlinge aus einer Nebenhalle der Schleyerhalle ausziehen und auf andere Unterkünfte verteilt werden. „Wir haben deshalb keinen Bedarf“, sagt Spatz.

Die Stadt streitet ein Interesse ab

Das ist auch vom Ersten Bürgermeister Michael Föll zu hören. „Mit uns hat bisher niemand vom Land wegen der Posthalle gesprochen“, sagt er. Er könne sich derzeit keine Verwendung vorstellen. Das muss aber wohl nicht das letzte Wort sein. Schließlich liegt das Grundstück sehr zentral. Falls es zur Auflösung des Mietvertrages und womöglich sogar zum Verkauf kommen sollte, dürfte es diverse Interessenten geben, die ihren Hut in den Ring werfen – möglicherweise auch die Stadt.

Ungewiss ist auch die Zukunft einer weiteren Immobilie, die als Erstaufnahmeeinrichtung vorgesehen war. Das ehemalige IBM-Schulungszentrum in Herrenberg ist im vergangenen Jahr vom Land sogar gekauft worden. Bis zu 1250 Flüchtlinge hätten dort unterkommen können. Zuvor wäre aber ein millionenschwerer Umbau nötig. Ob es so weit noch kommt, ist offen. „Die weiteren Planungen für Herrenberg ruhen, bis ein landesweites Konzept beschlossen ist“, heißt es im Regierungspräsidium.