In Systembauten wie diesen in Stammheim wohnen die Flüchtlinge mit anerkanntem Asylstatus oft jahrelang. Foto: Chris Lederer

140 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer aus ganz Deutschland waren vergangenen Freitag zu Gast im Bundeskanzleramt in Berlin. Darunter auch Wolf-Dieter Dorn, Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Feuerbach (FFF).

Feuerbach - Wolf-Dieter Dorn, Sprecher des Freundeskreises Flüchtlinge Feuerbach (FFF), war am vergangenen Freitag zu Gast im Bundeskanzleramt in Berlin. 140 ehrenamtliche Flüchtlingshelfer aus ganz Deutschland waren dort stellvertretend für viele Tausende Engagierter aus der gesamten Republik zu einer Podiumsdiskussion und einem Empfang im Kanzleramt eingeladen. Das Thema Wohnungsnot kam dort auch zur Sprache. Eine Flüchtlingshelferin aus Bad Schönborn im Landkreis Karlsruhe berichtete bei der Diskussion, die Flüchtlinge in Schönborn seien bereits seit zwei Jahren in Containern untergebracht und drei weitere Jahre könnten folgen: „Wie sollen sie aber integriert werden, wenn sie am Rande der Gesellschaft leben und keine Wohnung bekommen“, fragte die Frau die Bundeskanzlerin.

„Wir haben ein Problem“, antwortete Angela Merkel. „Der Sozialwohnungsbau liegt darnieder, weil im Grunde private Initiativen kaum Anreize bekommen, billigen Wohnraum zu schaffen.“ Zudem dauere die Planung und Ausweisung von neuen Baugebieten in den Kommunen sehr lange, sagte die Bundeskanzlerin.

Wohnraum-Misere auch in Feuerbach

Diese Wohnraum-Misere bereitet auch den Flüchtlingsfreunden in Feuerbach erheblichen Kummer. Die Schützlinge des FFF sitzen ebenfalls jahrelang in den Gemeinschaftsunterkünften fest, obwohl sie als Asylbewerber anerkannt sind. „Das heißt: Sie könnten in eine eigene Wohnung ziehen“, sagt Christa Cheval-Saur, Sprecherin des Arbeitskreises Wohnen innerhalb des FFF. Doch sie finden keine. Statt Tür an Tür mit deutschen Nachbarn zu wohnen, was die Integration der Betroffenen erheblich fördern würde, schaffen sie es nicht, die eigentlich als Provisorium gedachten Sammelunterkünfte zu verlassen.

„Wer die Systembauten kennt, kann ermessen, wie entmutigend diese Aussicht ist: Ein 14 Quadratmeter großer Raum für drei Personen, ohne Wasseranschluss, ohne Kochgelegenheit. Küche, Dusche und Toilette sind gemeinsam zu nutzen”, beschreibt der FFF auf seiner Homepage die schwierige Situation für die Bewohner.

650 Flüchtlinge leben in Feuerbach

Etwa 650 Flüchtlinge leben derzeit in Feuerbach. Die meisten sind in sogenannten Systembauten untergebracht. „Die Menschen können sich dort nicht so entfalten, wie es normal wäre“, berichtete auch SPD-Bezirksbeirat Martin Härer kürzlich im Bezirksbeirat Feuerbach und fügte gleichzeitig an: „Die Menschen dort würden gern in einer eigenen Wohnung leben.“ Der FFF versucht deshalb mit einer ganzen Reihe von Initiativen und Aktionen bezahlbaren Wohnraum für seine Schützlinge aufzutreiben. „Wir suchen händeringend Wohnungen in allen möglichen Größen. Für geflüchtete Familien, aber auch für Alleinstehende“, sagt Christa Cheval-Saur. Die Zahl der Wohnungssuchenden unter den Flüchtlingen steige ständig an. Unter www.ff-feuerbach.de sind die aktuellen Zahlen auf der Homepage des FFF stets abrufbar. Möglicherweise gebe sich der eine oder andere Eigentümer und Vermieter einen Ruck angesichts solcher Notlagen, hofft Cheval-Saur. „Solange der Geflüchtete noch kein eigenes Einkommen hat, werden die Miete und die Nebenkosten bei Vorliegen der Voraussetzungen im Rahmen der geltenden Mietobergrenze vom Jobcenter, beziehungsweise Sozialamt, übernommen“, sagt sie.

Neben der Schaltung einer Anzeige will der FFF direkt auf die örtliche Bevölkerung zugehen, aber auch die Mitglieder ausländischer Vereine ganz gezielt ansprechen. Denn wer als Vermieter einen Migrationshintergrund habe und ähnliche Erfahrungen wie die heutigen Flüchtlinge gemacht habe, der sei möglicherweise auch offener und eher bereit, seine Wohnung an diese Menschen zu vermieten. Gleichzeitig sucht der FFF auch Paten, die einzelnen Familien und auch einzelne Alleinstehenden ganz gezielt bei der Suche nach einem eigenen Domizil helfen. „Wir gehen auch in Geschäfte und fragen, ob wir dort Plakate aufhängen und Flugblätter verteilen dürfen.“

Chancen gehen gegen Null

Denn auf den sonst üblichen Wegen gehen die Chancen gegen Null, eine Wohnung zu finden. Auch die seit Anfang 2016 geltende Satzung gegen Zweckentfremdung von Wohnraum werde in Stuttgart, anders als beispielsweise in Tübingen, nicht umgesetzt, betont Cheval-Saur vom FFF. Immerhin, es gebe auch kleine Erfolgsgeschichten zu vermelden: Eine sechsköpfige Flüchtlingsfamilie, die schon Jahre in einer Feuerbach Unterkunft lebte, habe jetzt mit dem zweiten Wohnungsberechtigungsschein eine Mietwohnung bekommen. Doch solche Fälle sind eher die Ausnahme. Denn auch in Stuttgart bewegt sich beim sozialen Wohnungsbau so gut wie nichts.

Die Stadt müsse endlich in die Pötte kommen, sagte Ingrid Dettinger (CDU) neulich im Bezirksbeirat, wo die Fraktionen SPD, SÖS/Linke-plus und Bündnis 90/Die Grünen einen Antrag einbrachten, in dem sie die anderen Fraktionen im Gremium um ideelle Unterstützung bei der Schaltung einer Anzeige in der Presse baten. Darin wird an Eigentümer appelliert, Wohnraum an Flüchtlinge zu vermieten. Die Meinungen im Gremium waren geteilt: Die Unterstützung einer solchen Aktion sei nicht Sache des Bezirksbeirats: „ Ich sehe da die Stadt in der Verpflichtung“, sagte Dettinger. „Die Bevölkerung muss wissen, dass es hier einen Notstand gibt“, meinte dagegen Christian Musse von Bündnis 90/Die Grünen. Roland Saur (SÖS/Linke-plus) betonte, dass es nicht „unser Interesse sein sollte, dass wir eine Gettosituation schaffen“. Gabriele Heise (FDP) pochte auf die Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes: Es gebe in Stuttgart auch jede Menge anderer Leute, die Wohnungen suchen. Eine bestimmte Gruppe hervorzuheben, könnte den Neid der anderen hervorrufen: „Ich sehe die Gefahr, dass wir hier politisch ein Fass aufmachen“, sagte Heise. Sven Kettner von der AfD schloss sich der Argumentation von Heise an. Die Wohnungsnot treffe auch Senioren, Studenten, Rentner oder Auszubildende: „Wir dürfen keinen ausgrenzen“, forderte Kettner. Jochen Heidenwag (Freie Wähler) meinte, er teile die Argumente von CDU und FDP, werde dem Antrag aber mit einem Bauchgrimmen zustimmen. Am Ende fand dieser bei sieben Zustimmungen und sechs Gegenstimmen eine knappe Mehrheit.

Weitere Infos zu den Wohnungssuchaktionen des FFF unter wohnen@ff-feuerbach.de oder unter der Telefonnummer 0711/ 85 59 75.