Ein richtiges Zuhause: Ibrahim wohnt seit kurzem in einer WG. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Vor einem Jahr wurden Hunderte Flüchtlinge in der damaligen Stuttgarter Notunterkunft im Reitstadion untergebracht. Was ist aus ihnen geworden? Der syrische Flüchtling Ibrahim Ferik erzählt, wie er nach über einem Jahr in Stuttgart endlich in seiner neuen Heimat angekommen ist.

Stuttgart - „Sehr gut!“- lautet Ibrahim Feriks Antwort auf die Frage, wie es ihm geht. Die Geschichte des 30-jährigen Flüchtlings aus dem syrischen Aleppo, der nun in Stuttgart lebt, ist eine echte Erfolgsgeschichte. Ein Jahr nachdem wir den jungen Mann nachts beim Deutschlernen während unserer 24-Stunden-Reportage in der damaligen Notunterkunft für Flüchtlinge im Stuttgarter Reitstadion kennenlernen, hat sich Ibrahims Leben dramatisch verändert. Im positiven Sinne.

Wie die meisten Flüchtlinge muss Ibrahim in seiner ersten Zeit in Deutschland viele Hürden nehmen und es läuft in diesem Jahr nicht alles wie geschmiert: unzählige Behördengänge, sein Asylverfahren, er muss Anträge stellen, etc. aber immerhin, es läuft: Ibrahim wird nach mehreren Zwischenstationen in einer Unterkunft in Stuttgart untergebracht. Er teilt sich ein Zimmer mit zwei anderen Männern und büffelt unermüdlich Deutsch. Für ihn steht fest: Stuttgart wird seine neue Heimat, hier gehört er jetzt hin. „Ich mag Stuttgart sehr“, sagt der junge Mann.

Ibrahims Leben in Stuttgart nimmt Fahrt auf

Ibrahim ist Ingenieur, hatte aber wegen des Krieges in Syrien kaum eine Chance, nach seinem Studium Praxiserfahrung zu sammeln. „Die Situation in Syrien hat mich krank gemacht“, erzählt er uns im April. „Du hörst ein Pfeifen, und du weißt nicht, wo es gleich einschlagen wird“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Keine Hoffnung. Nur Krieg und Warten.“ Das konnte Ibrahim nicht länger ertragen, ließ seine Eltern und seine Schwester zurück und floh nach Deutschland. Keine einfache Entscheidung und Situation. „Meine Familie will das Beste für mich. Wir haben fast täglich Kontakt und sie unterstützen mich.“

Grund zur Freude dürften auch seine Angehörigen gehabt haben, als Ibrahim nach über einem halben Jahr in Deutschland Post bekommt: Er wird in Deutschland als Flüchtling anerkannt. Kurz darauf geht einer seiner größten Träume bis dahin in Erfüllung: Er bekommt ein Praktikum. „Das war ein wichtiger Schritt für mich und ich bin sehr froh, dass es geklappt hat“, sagt der 30-Jährige im August glücklich.

Er weiß, er braucht das Praktikum, wenn er jemals in Deutschland als Ingenieur arbeiten will. Mit dem Praktikum und der Anerkennung als Flüchtling hat Ibrahims Leben in Deutschland richtig Fahrt aufgenommen. „Jetzt kann ich ein normales Leben führen, arbeiten und vielleicht in eine eigene Wohnung ziehen,“ erzählt er damals.

„Man fühlt sich nicht in Deutschland, wenn man in einer Flüchtlingsunterkunft lebt“

Eine Freundin hat ihn in den letzten Monaten genau dabei unterstützt. Wie für die meisten Wohnungssuchenden in Stuttgart, war es auch für Ibrahim eine Herkules-Aufgabe eine neue Bleibe zu finden. Aber bitter nötig: „Man kann nicht ewig in einem Zimmer mit anderen Menschen leben. Man fühlt sich nicht in Deutschland, wenn man in einer Flüchtlingsunterkunft lebt. Das Wichtigste war neben der Jobsuche, endlich in normale Wohnverhältnisse zu kommen“, sagt er.

Und seine Erfolgsgeschichte geht weiter: Mittlerweile wohnt Ibrahim mit einem anderen jungen Mann in einer WG und zeigt uns stolz die Räumlichkeiten. „Es fühlt sich sehr gut an. Normal fühlt es sich an. Ich kann wieder lesen, lernen und schlafen wann ich will. Das macht alles viel einfacher.“

Einziger Wermutstropfen im Moment: Nach dem Praktiukum hatte Ibrahim gehofft, eine feste Stelle zu bekommen. „Das hat leider nicht geklappt“, sagt er. Deshalb perfektioniert er nun jeden Tag sein Deutsch in einem Deutschkurs für Akademiker und verdient sich als Minijobber bei einem Stuttgarter Modelabel etwas Geld dazu. „So sammle ich ja auch ein bisschen Erfahrung im Berufsleben und habe einen geregelten Alltag.“ Das nächste Ziel lautet für ihn aber ganz klar: Einen festen Job in Stuttgart als Ingenieur zu finden. „Und ich würde auch gerne den deutschen Führerschein machen“, sagt er und lacht. Ernst meint er es trotzdem.

Dass er bei seinem Weg in Stuttgart auch auf die Hilfe seiner befreundeten Familie setzen kann, ist Gold wert findet, Ibrahim: „Ich glaube es ist für jeden Geflüchteten wichtig, jemanden zu haben, der ihn begleitet. Niemand kann alles in einem fremden Land alleine schaffen.“

Und so ist Ibrahim Feriks Geschichte auch eine Erfolgsgeschichte für seine befreundeten Helfer.

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