Flüchtlinge mit Bleiberecht und ohne Wohnsitzauflage dürfen laut Arbeitsagentur umziehen – auch ohne Genehmigung des Jobcenters Foto: dpa

Bürokratie für Fortgeschrittene. Trotz Mietwuchers sollen zwei Flüchtlinge nicht aus einem überteuerten Zimmer in L.-E. in eine größere und günstigere Wohnung in Stuttgart-Sonnenberg ziehen dürfen.

Leinfelden-Echterdingen - Für Mohammad und Sinan ist die Sache dank ehrenamtlicher Hilfe schlussendlich gut ausgegangen. Anfang Juli werden die beiden syrischen Männer, die eigentlich anders heißen, in eine kleine Drei-Zimmer-Wohnung in Stuttgart-Sonnenberg ziehen. Die Vermieter kennen die Flüchtlinge mit Bleiberecht bereits. Das Ehepaar hat den Syrern geholfen, die deutsche Sprache zu lernen.

Die Männer werden dann jeweils ihr eigenes Zimmer haben und so auch etwas Privatsphäre genießen können. Bisher teilen sie sich ein Zimmer. Das Privathaus, das in L.-E. liegt, macht zwar auf den ersten Blick einen sauberen Eindruck. Eine moderne Ausstattung sieht aber anders aus. In dem Gebäude leben derzeit zehn Menschen – Flüchtlinge, aber auch andere Mieter.

Die Syrer machen das Beste aus der Situation. Mohammad ist groß gewachsen – deshalb schläft er im großen Bett, Sinan ist der Kleinere, deshalb nimmt er das Kleinere. In dem etwa 16 Quadratmeter großen Zimmer steht noch eine Coach und ein Tisch. An diesem Tisch essen die Männer auch.

Jedes Bett kostet kalt 400 Euro Miete

Die Wohnverhältnisse sind beengt. Dennoch verlangt der Vermieter von jedem der Männer 500 Euro warm pro Monat. „Jedes Bett kostet kalt 400 Euro. Hinzu kommen 100 Euro Nebenkosten“, rechnet Monika Heilmann, ehrenamtliche Flüchtlingshelferin der Gruppe Arbeit und Integration unserer Zeitung vor.

Obwohl das Jobcenter laut Auskunft der zuständigen Pressestelle Hinweisen von Mietwucher nachgeht, übernimmt es die Mietzahlung. Zur Erklärung: Die Miethöhe muss innerhalb einer bestimmten Grenze liegen. Diese ist laut Landratsamt bei einem Flüchtling, der in L.-E. lebt, und für eine Wohnung von bis zu 45 Quadratmetern bei 445 Euro festgesetzt. Das Problem: Mohammad und Sinan, die sich de facto ein Zimmer teilen, haben jeder für sich einen Mietvertrag über eine Ein-Zimmer-Wohnung unterschrieben. Aus der Not heraus und weil sie nicht zwingend in einem städtischen Flüchtlingsheim leben wollen.

Kerstin Fickus, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Göppingen, sagt: „500 Euro für acht Quadratmeter – das ist schon absurd.“ Sie geht aber davon aus, dass das Echterdinger Jobcenter aufgrund der Mietverträge einen Umzug der beiden Männer für nicht notwendig angesehen hat. Die örtlichen Mitarbeiter waren für unsere Zeitung nicht zu sprechen. Die Wohnung in Sonnenberg ist größer und auch günstiger. „Der Steuerzahler spart pro Jahr 3650 Euro“, sagt Heilmann. „Entscheidend ist der Mietvertrag“, sagt Fickus. „In den Mietverträgen steht drin, sie hätten Einzelzimmer“, bestätigt Heilmann.

Zum Verständnis: Die beiden Jungs, die schon lange auf der Suche nach einer neuen Bleibe waren, sind mit dem Mietvertrag für die Sonnenberger Wohnung in den Händen zum Echterdinger Jobcenter marschiert. Dort haben sie einen Zettel erhalten, auf dem man nach langem Suchen die Worte lesen kann: „Umzug erforderlich: nein“.

Flüchtlinge können Schreiben des Amtes nicht einordnen

Die Flüchtlinge konnten dieses Schreiben nicht einordnen. „Sie kamen verstört zu mir“, sagt Heilmann. „Ihnen wurde offenbar nicht mitgeteilt, ob sie umziehen dürfen oder nicht.“

Die Helferin ist deshalb gemeinsam mit den Männern zum Echterdinger Jobcenter gegangen. Nach langem Hin und Her bekamen die Drei dann zu hören: „Stuttgart soll dies klären.“ Der Umzug sei zwar nicht erforderlich, sie könnten aber dennoch umziehen. Und Heilmann fragte sich: „Was bitteschön gilt nun?“ Zur Erklärung: Sie hat bisher mehr als 20 Umzüge von Flüchtlingen begleitet und sagt: „Eine solche Bescheinigung war jedes Mal notwendig.“ Die Drei sind dann nach Bad Cannstatt zur Stuttgarter Integrations- und Migrationsstelle gefahren. Dort wurde die Genehmigung dann erteilt.

Pressesprecherin Fickus sagt: „Alle Personen, die Leistungen des Jobcenters beziehen, brauchen für einen Umzug die Einwilligung des Jobcenters.“ Zumindest dann, wenn sie die Kosten dafür bezahlt haben wollen. Die Entscheidung treffe die Behörde am neuen Wohnort, der Antrag wird beim bisherigen Jobcenter gestellt. Wer keine Einwilligung erhält, könne dennoch umziehen. Er müsse nur die Kosten dafür dann selbst tragen. Die Ausnahme: Wenn ein Flüchtling eine Wohnsitzauflage habe, darf er nicht umziehen.

Heilmann moniert: „Integrationswilligen werden Steine in den Weg gelegt.“ Sie sagt: „Flüchtlinge gehen zum Jobcenter, um Hilfe zu erhalten und bekommen eine Behördenantwort.“ Ohne die Hilfe von Ehrenamtlichen würde es nicht gehen.