Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) geht neue Wege bei der Integration. Künftig werden Asylbewerber für 80 Cent pro Stunde zur Arbeit beim Bauhof oder Stadtgärtnerei verpflichtet. Was der Sinn dahinter ist und woher nun Kritik kommt.
In die rechte Ecke wolle man sich nicht stellen lassen, sagte Kornwestheims Oberbürgermeister Nico Lauxmann am Donnerstagabend im Gemeinderat. Das Statement war Teil seiner Einführung zur Beratung über das Praxiskonzept Integration der Stadtverwaltung. Der OB und sein Stab haben sich mit ihrer Idee durchgesetzt, dass demnächst Asylbewerber in Kornwestheim zur Arbeit verpflichtet werden können.
Lauxmann war es wichtig, herauszustellen, dass man nur ein bereits bestehendes Gesetz nun auch anwenden wolle. Der Paragraf 5 des Asylbewerberleistungsgesetz gibt den rechtlichen Rahmen für die Arbeitspflicht. Ganz alltäglich ist die Anwendung des Paragrafen dennoch nicht, denn Kornwestheim ist die erste Kommune im Landkreis Ludwigsburg, die in der Sache nun ernst macht.
Michael Siegel, der Leiter des Fachbereichs Sicherheit und Ordnung, erklärte, dass es zwar 112 Asylbewerber in städtischen Unterkünften gebe, davon 96 wegen ihrer Aufenthaltserlaubnis nicht unter das fragliche Gesetz fielen. 16 Asylbewerber mit einer Gestattung oder Duldung fallen darunter, elf davon scheiden aber wiederum aus, weil sie etwa im Rentenalter oder anderweitig tätig sind. Es bleiben also fünf Menschen, die zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden können und sollen. Ein Grund für die Pflichtlösung ist auch, dass die Arbeit auf freiwilliger Basis bislang nicht so gut angenommen wurde, wie Siegel erklärte. Meist seien die Asylbewerber nach kurzer Zeit wieder ausgestiegen bei ihrer Tätigkeit.
Die Arbeit – angedacht sind einfache Tätigkeiten beim Bauhof und bei der Stadtgärtnerei – wird mit einer Aufwandsentschädigung von 80 Cent pro Stunde vergütet und ist auf 100 Stunden pro Monat begrenzt. Wer sich weigert zu arbeiten, muss mit der Kürzung seiner Bezüge rechnen. Wie das genau funktioniert, müsse laut Siegel allerdings zunächst mit dem Landratsamt Ludwigsburg abgeklärt werden, weil die Asylbewerber von dort ihre Leistungen erhalten.
Stigmatisierung von Asylbewerbern befürchtet
Der mehrheitlichen Zustimmung im Kornwestheimer Gemeinderat war eine Debatte vorausgegangen, in der sich Stadträte, deren Familien eine Migrationsgeschichte haben, mit teils persönlichen Erfahrungen zu Wort meldeten.
Canan Balaban von den Grünen hatte im Vorfeld lange nach den richtigen Worten für diesen Abend gesucht und auch einen Antrag vorgelegt, der forderte, das Thema mit dem Arbeitskreis Asyl, dem Ausschuss für Soziales und Integration sowie der Stabstelle Soziales und Integration zu beraten. Balaban beklagte die 80 Cent Stundenvergütung und fürchtete eine Stigmatisierung und Ausgrenzung von Asylbewerbern.
Freiberg will Kornwestheim folgen
Den Grünen folgten unter anderem die SPD, aber die konservative Mehrheit aus CDU, FDP und Teilen der Freien Wähler lehnte den Antrag mit 14 zu 9 Stimmen ab. Hans Bartholomä (CDU) verwehrte sich nach Balabans Worte gegen ein „Moralisieren“ und sein Fraktionskollege Tobias Epple wies darauf hin, dass 82 Prozent der Menschen für eine solche Arbeitspflicht seien. Markus Kämmle (FW) folgte der Verwaltung darin, dass Arbeit Struktur gebe und so der Integration zuträglich sei.
Persönliche Worte sprach Ender Engin (FDP), der an seinen Großvater erinnerte, der als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sei und nie arbeitslos war. Auch wenn die FDP lieber Anreize für Arbeit setzen würde, unterstützte sie letztlich den Verwaltungsvorschlag der Arbeitspflicht.
Lauxmann bedankte sich für die sachliche Diskussion und übernahm eine Bemerkung aus den Reihen der Stadträte, dass es sich um ein Hochfest der Demokratie handele. Er hatte sich im Vorfeld mit seinem Amtskollegen aus Freiberg am Neckar zu dem Thema ausgetauscht und Unterstützung erfahren. Jan Hambach hatte erklärt, er wolle die Arbeitspflicht auch in seiner Stadt einführen.
In Kornwestheim macht man sich nun an die Umsetzung, die zeitnah erfolgen soll. Zunächst sind Abstimmungen mit dem Landratsamt Ludwigsburg notwendig, das aber bereits Unterstützung signalisiert habe. Die Asylbewerber sollen dann in gemischten Teams bei Bauhof und Stadtgärtnerei zu Unkrautbeseitigung, Reparaturarbeiten oder Aufbauarbeiten für städtische Veranstaltungen eingesetzt werden.