Gärtringens Bürgermeister Thomas Riesch möge sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, empfiehlt ein AfD-Funktionär – selbstredend erfolglos. Foto: dpa

Der CDU-Politiker Paul Nemeth wirft dem AfD-Sprecher Steffen Ernle vor, öffentlich zum Rechtsbruch aufzurufen. Auslöser ist ein Leserbrief zum Plan, in Gärtringen ein weiteres Flüchtlingsheim zu bauen.

Böblingen - Die Wortschöpfung „Bio-Deutscher“ wird auch nicht zum ersten Mal durchgehechelt: Ist sie womöglich als Gegensatz zum MeMiMi gemeint, wie praktischerweise inzwischen der Mensch mit Migrationshintergrund kürzelt? Mithin wäre sie zumindest unterschwellig rassistisch. Womöglich ist sie aber auch als Spott auf den ayurvedisch linksdrehenden Veganer deutscher Herkunft zu verstehen.

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Diesmal eröffnet Paul Nemeth diese Debatte, der für die Kreis-CDU im Landtag sitzt. Seine Frage, ob der Bio-Deutsche als rechtsnationaler Begriff zu werten sei, ist allerdings eher als Randnotiz zu verstehen. In der Hauptsache empört sich der Abgeordnete über einen fremdenfeindlichen Brief von Steffen Ernle, verschickt an die Lokalzeitungen im Landkreis Böblingen. In ihm polterte Ernle gegen den Plan, in einem Gärtringer Neubaugebiet ein Flüchtlingsheim unterzubringen. Was für ihn einem politischen Reflex gleicht, denn er ist stellvertretender Sprecher der Kreis-AfD.

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„Alarmierender Affront gegen den Rechtsstaat“

Nemeth beantwortet die Zeilen mit einem Brief, allerdings nicht an Ernle, sondern an dessen Chef: Harald Pfeiffer, den Kreisvorsitzenden der AfD. Nebenbei hat Nemeth das Schreiben ebenfalls an die Redaktionen der Lokalzeitungen versandt. „Öffentlichen Aufruf zum Rechtsbruch“ wirft er darin dem AfD-Mann vor und fordert vom Kreisvorsitzenden, seinen Parteikollegen einzubremsen. Ernle hatte als Alternative für den Neubau vorgeschlagen, Gärtringen möge die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, und hält dies für „gelebte Demokratie“. Ansonsten entspricht die Wortwahl der üblichen AfD-Lyrik. Den „sich entrechtet fühlenden Bio-Deutschen“ setzt Ernle gegen den islamischen Flüchtling und zweifelt bei Letzterem pauschal an dessen Verfassungstreue. Der CDU-Landtagsabgeordnete erklärt die Äußerungen zu einem „alarmierenden Affront gegen den Rechtsstaat“.

Selbstredend kontert der AfD-Chef mit schärferer Klinge und ebenso selbstredend auch dies öffentlich. Pfeiffer beginnt bei dem Vorwurf, Ernles Sätze seien aus dem Zusammenhang gerissen. Er holt zum großen Schwenk aus, dass nicht AfD-Politiker das Recht beugten, sondern Angela Merkel es mit ihrem „Wir schaffen das“ gebrochen hat, und endet bei der Behauptung, dass Russlanddeutsche gegenüber Flüchtlingen benachteiligt würden. Nemeth möge sich um die Sorgen der Gärtringer kümmern, statt mit Ablenkungsmanövern die Öffentlichkeit zu blenden.

Bedeutung des Begriffs Bio-Deutscher

Zwischen den Fronten sitzt Thomas Riesch, der Bürgermeister Gärtringens, ebenfalls ein Christdemokrat. Er hatte zur Bürgerversammlung eingeladen, um das gesamte Neubaugebiet samt dem Flüchtlingsheim öffentlich diskutieren zu lassen. „Ein Herr Ernle hat sich weder zu Wort gemeldet, noch ist er mir bekannt“, sagt Riesch. Seine Feststellung hält er dennoch für gesichert, denn „es gab gar keine Wortmeldung, die pauschal gegen Flüchtlinge gerichtet war“. Ansonsten erklärt der Bürgermeister die Aufforderung für Unfug, Gärtringen möge sich weigern, Flüchtlinge unterzubringen: „Wir haben dazu eine Rechtspflicht und außerdem eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.“

Zu Nemeths Frage nach einer womöglich rassistischen Randbedeutung des Begriffs Bio-Deutscher verweist der AfD-Kreischef auf Cem Özdemir. Der Vorzeige-Bundespolitiker der Grünen habe das Wort geprägt, meint Pfeiffer. Dem wird allerdings Muhsin Omurca widersprechen, der die Wortschöpfung als Geistesblitz für sich reklamiert. Womit ein rassistischer Hintergrund eher unwahrscheinlich scheint. Omurca wurde in der türkischen Stadt Bursa geboren, lebt inzwischen in Ulm und nimmt derlei Diskussionen ansonsten mit Humor zur Kenntnis. Sein Geld verdient der Deutschtürke als Kabarettist.