Auf einer Müllhalde der Insel Lesbos stapeln sich Boote und Rettungswesten von Flüchtlingen, die aus der Türkei über das Mittelmeer nach Griechenland kamen. Foto: imago images//Ton Koene

Das Europaparlament beschließt einen Katalog von Maßnahmen, die der Union den Weg aus der Flüchtlingskrise weisen sollen. Und schon gibt es wieder Ärger.

Aus fast jedem Satz von Juan López Aguilar spricht Frustration. Europa brauche im Kampf gegen die nicht enden wollende Flüchtlingskrise mehr „Solidarität“, fordert der spanische Europaabgeordnete und setzt mit einem lauten Schlag auf den Tisch ein krachendes Ausrufezeichen. Das Problem drängt seit Jahren, ständig machen Meldungen vom tausendfachen Sterben im Mittelmeer die Runde und dennoch ist die EU weit entfernt davon, eine Linie in Sachen Migration zu finden.

Im September 2020 machte die EU-Kommission einen Anlauf zur Reform der bis dato kläglich gescheiterten Asyl- und Migrationspolitik, allerdings mit sehr mäßigem Erfolg. Nun stimmt das Europaparlament am Donnerstag in Straßburg über eine Reform der Reform ab. Juan López Aguilar, der als Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres maßgeblich an der Ausformulierung beteiligt war, skizzierte am Mittwoch die Ziele. So soll es in Zukunft neue Screening-Verfahren geben und zudem sollen die Regeln für das Asyl- und Migrationsmanagement und zur Bewältigung von Krisensituationen verbessert werden.

Ärger, immer wieder Ärger

Für Ärger bei den Europaparlamentariern sorgt das Verhalten des Rates, also die Vertretung der EU-Mitgliedstaaten. Knapp eine halbe Stunde haben sich die Staats- und Regierungschefs auf ihrem letzten EU-Gipfel in Brüssel mit dem brennenden Thema Migration beschäftigt. In der Abschlusserklärung hieß es lapidar, dass man sich um die Lösung des Problems kümmern müsse. Offensichtlich scheuen die Regierungen, das heiße Eisen.

Auch die SPD-Politikerin Birgit Sippel treibt das Verhalten der EU-Staaten auf die Palme. Das Parlament habe nun gezeigt, „dass in der Asyl- und Migrationspolitik ein Kompromiss über politische und geografische Grenzen hinweg möglich ist“, betont die deutsche Europaabgeordnete, die im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten sitzt. In ihren Augen besonders wichtig ist das neue Screening-Verfahren, mit dem sichergestellt werden soll, dass alle irregulär eingereisten Menschen flächendeckend registriert werden und eine Identitäts- und Sicherheitsprüfung durchlaufen. „So stellen wir in der EU sicher, dass wir stets wissen, wer einreist“, betont Birgit Sippel.

Die Vorschläge des Parlaments sollen nun in den kommenden Monaten im Rat mit den EU-Mitgliedstaaten diskutiert werden. Ziel ist es, noch in diesem Sommer die Reform der Asyl- und Migrationspolitik festzuschreiben, denn die Zeit drängt. Im kommenden Jahr sind Europawahlen und die demokratischen Parteien haben kein Interesse, das Thema in den Wahlkampf zu ziehen. Sie befürchten, dass davon vor allem die populistischen Parteien am extremen rechten Rand profitieren könnten.

Sippel gibt die Hoffnung nicht auf

Doch die EU-Parlamentarier sind sich bewusst, dass es schwierig wird, die einzelnen EU-Regierungen zu mehr Solidarität etwa bei der Verteilung der angekommenen Flüchtlinge auf ganz Europa zu bewegen. Über eine verbindliche Quote will in Brüssel ohnehin niemand mehr reden. Die meisten Länder setzen inzwischen auf einen restriktiven Kurs in der Asylpolitik. Sie fordern, dass Zäune an den Außengrenzen aus dem EU-Haushalt bezahlt werden. Österreich fordert sogar die Möglichkeit zur Zurückweisung von Migranten an den Außengrenzen - dabei muss es nach internationalem Recht erlaubt sein, einen Asylantrag zu stellen.

Birgit Sippel gibt die Hoffnung nicht auf. Die Sozialdemokratin erwartet, dass sich der Rat auf das Parlament zubewegen wird und die finalen Verhandlungen über die Gesetzesvorlagen im Sommer beginnen können.