Bis Ende 2016 muss die Stadt weitere 4000 Plätze für Flüchtlinge schaffen. Eine humanitäre Aufgabe, die nicht allerorts auf Verständnis stößt. Foto: dpa

Die Stadt sucht händeringend nach Möglichkeiten, Flüchtlinge unterzubringen. Vielerorts stoßen Standorte auf den Widerwillen der Anwohner, so auch in Plieningen und Degerloch. Das haben jüngst zwei Veranstaltungen gezeigt.

Degerloch/Plieningen - Die Frage, wo Flüchtlinge untergebracht werden sollen, bewegt die Gemüter. Das hat sich am Dienstag fast zeitgleich in zwei Bezirken gezeigt. Bei einer Sitzung des Degerlocher Bezirksbeirats haben sich Fraktionen und Bürger mit dem geplanten Standort zwischen der Löffel- und der Helene-Pfleiderer-Straße beschäftigt. Das hat das Plieninger Gremium für den zweiten Standort im Stadtbezirk bereits hinter sich. Am Dienstag ging es in Plieningen dennoch ums neue Asylheim an der Scharnhauser Straße, die Stadt hatte Anwohner eingeladen. Sie sollten Gelegenheit bekommen, jenseits breiter Öffentlichkeit ihre Sorgen zu äußern.

„Es war eine sehr angespannte Stimmung“, berichtet Andrea Lindel, die Bezirksvorsteherin. Bezirksbeiräte seien da gewesen, Vertreter der Stadt, Ehrenamtliche aus dem Freundeskreis für die Flüchtlinge im Wolfer, ein Stadtrat sowie drei Dutzend Bürger. Dass es Widerstände gegen das Heim an der Scharnhauser Straße geben würde, hatte sich abgezeichnet. Zum einen sei vor ein paar Tagen eine Unterschriftenliste mit rund 80 Namen per Post eingegangen, sagt Lindel. Ihre Forderung: höchstens 50 Flüchtlinge für den Standort an der Scharnhauser Straße – statt der vorgesehenen 156.

Unmut trotz Änderung

Und auch bei der vergangenen Sitzung des Bezirksbeirats hatten sich Bürger kritisch zu Wort gemeldet. Ihr Hauptargument: die beiden Flüchtlingsbauten kämen den Nachbarhäusern zu nahe. „Das war schon optimierungswürdig“, sagt Lindel. Und genau das habe die Stadt getan. Nun sind die Asylhäuser etwas anders angeordnet auf dem Grundstück. „Aber das ist bei den Leuten nicht angekommen“, sagt Lindel. „Sie haben trotzdem kein gutes Haar dran gelassen.“ Es sei deutlich geworden, dass sie maximal ein Asylhaus akzeptieren würden. Ein Wunsch, der ihnen aber kaum erfüllt wird. Sowohl der Sozialamtsleiter Stefan Spatz als auch der Finanzbürgermeister Michael Föll hätten ihr gesagt, dass sie auf kein einziges Gebäude verzichten könnten, so Lindel.

Der Druck, unter dem die Stadt bei der Unterbringung der Flüchtlinge steht, war denn auch in Degerloch das Hauptargument des Sozialamtsleiters Spatz und Axel Wolfs vom Amt für Liegenschaften und Wohnen. Die beiden waren in die Sitzung des Bezirksbeirats gekommen, um den Fraktionen wie den rund 50 Bürgern im Publikum die Alternativlosigkeit des für zwei Systembauten ausgewählten Grundstücks an der Löffelstraße zu vermitteln – und zu erklären, warum die Öffentlichkeit erst vor Kurzem davon erfahren hatte.

Stadt wird Täuschung vorgeworfen

Der Vorwurf, die Stadt habe sowohl die Bürger als auch die Bezirksbeiräte nicht in die Standortsuche eingebunden, wurde in beiden Gruppen laut; der Vorwurf, die Stadt habe Bürger hinters Licht geführt, kam aus den Publikumsreihen. Zu Beginn der Sitzung berichtete Ulrich Brändle, wie seine Familie seiner Ansicht nach getäuscht worden war.

Sie besitzt ein Grundstück am betreffenden Areal. In der vergangenen Dekade war stets die Rede davon, dass dort ein Bürokomplex und 20 Wohneinheiten entstehen sollen. Vor diesem Hintergrund und mit dem Wunsch, für die Familie ein Haus zu bauen und die andere Grundstückshälfte zu verkaufen, habe Brändles Mutter Sieglinde der für die Bebauung notwendigen Umlegung zugestimmt und die Umlegungssumme von 43 000 Euro gezahlt. Kurz nach Ablauf der Einspruchsfrist sei dann das Grundstück zum Standort für Asylbauten deklariert worden.

Anwohner befürchten Wertverlust

„Wer soll das Grundstück jetzt noch kaufen?“, fragte Ulrich Brändle und bekam dafür laute Zustimmung aus dem Publikum und weitere Unterschriften für seine Petition gegen den Standort. Eine weitere Anwohnerin meldete sich zu Wort, die den Wertverlust ihres Grundstücks durch den Bau der Unterkünfte „auf einem Filetstück“ fürchtet.

Wenig Zustimmung gab es für die Äußerung des AfD-Stadtrats Eberhard Brett, Degerloch bekomme immer mehr Einwohner, „die niemand gewollt hat“. So sagte etwa der Grünen-Sprecher Michael Huppenbauer, er verwahre sich gegen diese Propaganda. Der Sozialamtsleiter Spatz wies den Vorwurf von zu wenig Beteiligung oder gar Täuschung von sich. Er berief sich auf die Dynamik der Zuteilungen von Flüchtlingen an die Stadt und bat um Hinweise auf geeignete Flächen.

„Solange wir Systembauten erstellen können, haben wir die Flüchtlinge nicht in den Turnhallen“, sagte der CDU-Stadtrat Joachim Rudolf. Wie die Bezirksvorsteherin Brigitte Kunath-Scheffold warb er für ein offenes Degerloch: „Ich hätte nichts lieber, als die Häusle gebaut und die neuen Mitbürger willkommen geheißen, aber jetzt haben wir halt Flüchtlinge als neue Mitbürger.“ Gegen den neuen Standort votierte bei der Abstimmung der Bezirksbeiräte einzig Ulrich Demeter von den Freien Wählern, der sich von der Stadtverwaltung „auf die Seite geschoben“ fühlte.