Andere Anschrift, anderer Briefkasten? Die Wohnsitzauflage soll verhindern, dass Flüchtlinge in Ballungszentren ziehen. Foto: dpa

Die Vorsitzende des Flüchtlingsrats in Baden-Württemberg, Angelika von Loeper, lehnt die Verteilung von Asylbewerbern mit Bleiberecht nach Quote ab. Innenminister Thomas Strobl (CDU) hält die Regelung dagegen für notwendig.

Stuttgart - Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat die vor wenigen Wochen eingeführte Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber stark kritisiert. „Wir lehnen es ab, wenn ein anerkannter Flüchtling nicht mehr frei wählen kann, wo er wohnt“, sagt die Vorsitzende des Netzwerkes, Angelika von Loeper. Es möge rechnerisch gerecht sein, „starr nach Quote Flüchtlinge gleichmäßig im Land zu verteilen“. Dies sei allerdings „nicht unbedingt ein guter Start“ in ein selbstbestimmtes Leben.

Von Loeper sieht in der Wohnsitzverpflichtung ein „Integrationshindernis“. Sie warnt davor, dass sie im Südwesten ohne Berücksichtigung der Einzelschicksale umgesetzt werde. Vor allem auf Familien könne sich dies „dramatisch auswirken“, wenn die Kinder im Kindergarten oder in der Schule schon soziale Kontakte geknüpft hätten. „Nach der Flucht werden sie dann erneut aus ihrem Umfeld gerissen“, fürchtet von Loeper.

Jedoch scheint die Aufregung des Flüchtlingsrats unbegründet. Aus den Anwendungshinweisen vom Innenministerium an die Ausländerbehörden, die unserer Zeitung vorliegen, geht jedenfalls hervor, dass bereits eingeleitete, erfolgversprechende Integrationsschritte berücksichtigt werden müssen und die Auflage in Härtefällen nicht greifen soll. Zudem sei eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme aufzuheben, sofern diese „den besonderen Bedürfnissen des zu integrierenden Ausländers, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, zuwiderläuft“.

Und noch eine Ausnahme gibt es: Wenn ein Bleibeberechtigter eine sozialversicherungspflichtige Arbeit mit mindestens 15 Wochenstunden aufnimmt oder aufgenommen hat und er mehr als 712 Euro im Monat verdient, erlischt die Wohnsitzverpflichtung.

Wer sich der Integration verweigert, dem drohten Sanktionen

In Baden-Württemberg wird die Wohnsitzauflage seit dem 5. September umgesetzt. Anerkannte Flüchtlinge sollen seither bis zu drei Jahren in der Kommune bleiben, der sie während ihres Asylverfahrens zugewiesen wurden. Nur dort erhalten sie Sozialleistungen. Die Regelung gilt rückwirkend für alle Anerkennungen seit dem 1. Januar dieses Jahres. Innenminister Thomas Strobl (CDU) will mit der Auflage verhindern, dass in Städten durch bestimmte Ethnien Ghettos und Parallelgesellschaften entstehen und Angebote für Wohnraum, Sprachkurse und Arbeitsgelegenheiten im ländlichen Raum ungenutzt bleiben. Der Flüchtlingsrat liege mit seiner Kritik „völlig verkehrt“, sagt Strobl. Die gleichmäßige Verteilung sei wichtig, sie diene der Integration.

Wer sich der Integration verweigere, dem drohten Sanktionen. Der Innenminister betont, dass der Staat kein „hinterherhinkender Reparaturbetrieb“ sei, sondern gerade bei der Zuwanderung steuern müsse.