Weil der Kreis kaum nachkommt, Notunterkünfte – wie hier in Sporthallen – zu schaffen, überredet er Asylbewerber ohne Aussicht auf Bleiberecht zur Ausreise. Foto: factum/Bach

Das Böblinger Landratsamt zahlt Flüchtlingen Prämien, wenn sie freiwillig ausreisen – viele nehmen an. Auch der Kreis Lörrach hat mit dieser Methode Erfolg

Böblingen - Mit Geldprämien versucht die Böblinger Kreisverwaltung Flüchtlinge vom Balkan zur freiwilligen Rückreise zu bewegen – und hat dabei Erfolg. Ein Bus hat bereits am 19. November 50 Personen in ihre die Herkunftsländer zurückgebracht. Der nächste soll am kommenden Mittwoch abfahren, ein weiterer Transport ist für die Zeit kurz vor den Weihnachtsfeiertagen vorgesehen. Insgesamt rechnet der Kreis mit 200 Rückkehrern auf der Basis dieses Programms bis zum Jahresende. „150 Anmeldungen liegen uns zurzeit vor“, sagt Dusan Minic, der Sprecher des Landratsamtes.

Wie viel Geld die Rückkehrer erhalten, darüber gibt es unterschiedliche Angaben. „Dreimal soviel, wie wir hier in einem Monat bekommen, hat man Freunden gezahlt“, erzählt eine Albanerin aus Sindelfingen. Dusan Minic kann diese Summen nicht bestätigen, bestätigt aber, dass der Kreis potenziellen Rückkehrer finanzielle Angebote unterbreitet. Von mindestens einem monatlichen Satz Sozialhilfe, und in bestimmten Fällen auch dem doppelten Satz, berichten Insider der Kreisbehörde. Etwas mehr als 300 Euro Unterstützung pro Monat erhält ein erwachsener Asylbewerber zurzeit, eine dreiköpfige Familie kann also auf bis zu 1800 Euro kommen – viel Geld etwa in Albanien, wo das monatliche Durchschnittseinkommen 300 Euro beträgt.

Die Kreisverwaltung wiederum kann auf verschiedene Rückkehr-Programme von Bund und Land zugreifen. Zum Teil gibt es Geld für eine Reintegration in der alten Heimat. Die Beihilfen dafür betragen laut den Richtlinien der Landesförderung maximal 1500 Euro für einen Erwachsenen, 1000 Euro für ein Kind, für eine Familie nicht mehr als 6000 Euro. Bis zur Hälfte davon erhalten die Beratungsstellen der Kreise vom Land. Zudem werden die Reisekosten für Rückkehrer erstattet.

Kein Rechtsanspruch auf Geld

Einen Rechtsanspruch auf die Zahlung einer Rückkehrbeihilfe gibt es für Asylbewerber nicht, und schon gar nicht auf eine bestimmte Summe. „Das wird individuell ausgehandelt“, teilt das Karlsruher Regierungspräsidium mit, das für das Programm verantwortlich ist. So würde beispielsweise ein Rückkehrer, der eine vernünftige Idee für ein Geschäftsgründung in der alten Heimat habe, mit einem bestimmten Beitrag für dieses Vorhaben gefördert.

Man sei bei Rückkehrern in weit entfernte Länder aber großzügiger als bei „Menschen, die mit einem Busticket für 80 Euro nach Deutschland einreisen können“, sagt eine Mitarbeiterin der Karlsruher Behörde. Für Asylbewerber vom Balkan seien Zahlungen nur „in begründeten Einzelfällen“ vorgesehen“. Beihilfen, wie sie der Kreis Böblingen an Rückkehrer nach Mazedonien und Albanien leistet, „laufen außerhalb der Landesförderung“, so die Mitarbeiterin der Behörde.

Auch der Kreis Lörrach zeigt sich großzügig gegenüber Balkan-Rückkehrern. Vier Aktionen hat die Kreisverwaltung seit November 2014 organisiert, um Asylbewerber, die keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben, zur Rückkehr zu bewegen. Zuletzt gab es im Oktober eine Aktion. Alle freiwilligen Ausreisenden erhielten einen Monatssatz Sozialhilfe, bei der Aktion im Juli gabes sogar den doppelten Satz. Damit gelang der Verwaltung, dass innerhalb eines Jahres 440 Personen freiwillig zurückkehrten – bei insgesamt momentan rund 1400 Flüchtlingen im Kreis.

Aktive Beratung, aber keine finanziellen Anreize bietet der Kreis Ludwigsburg. Auch ohne Geldprämie funktioniert dies offenbar. 213 Personen seien seit Juni ausgereist, teilt der Pressesprecher Andreas Fritz mit, davon seien 198 Personen aus den Westbalkanstaaten einschließlich dem Kosovo und Albanien gewesen. Im Kreis Esslingen denke man darüber nach, eine Stelle für die Rückkehrberatung schaffen, sagt der dortige Pressesprecher Peter Keck.

Das Asylcafé leert sich, die Stimmung ist angespannt

Im Kreis Böblingen macht sich die aktive Rückkehrberatung bereits bemerkbar. „Das Asylcafé ist leerer geworden. Die Stimmung angespannt“, sagt Martina Krojer, die Leiterin des Sindelfinger Jugendhauses Süd, in dem donnerstags ein Treff für Flüchtlinge stattfindet. Überwiegend Bewohner der Unterkünfte in der Nüssstraße und der Hallen der Gottlieb-Daimler-Schule besuchen das Café. Dort lebten bis vor kurzem viele Menschen aus Albanien und Mazedonien. „Warum laden uns die Deutschen erst ein und schicken uns jetzt wieder weg?“ wollen einige albanische Frauen von der Reporterin wissen. Die Versuche, das deutsche Asylrecht zur erklären, wo jeder Einzelfall geprüft wird, scheitern. „In unserem Land ist kein Krieg. Aber wir haben keine Zukunft“, sagt eine junge Frau.

Trotzdem werde sie das Angebot zur freiwilligen Rückreise annehmen, wenn ihr Asylantrag abgelehnt werde, sagt sie. „Lieber mit etwas Geld zurück als abgeschoben zu werden. “ Zudem erhalten Abgeschobene einen Stempel in den Pass – und dürfen nicht wieder einreisen.

Mehr als 4000 Rückkehrer landesweit, 300 aus Stuttgart

Abschiebungen
Die Behörden forcieren wegen der steigenden Flüchtlingszahlen die Abschiebungen. Laut Agenturmeldungen mussten in diesem Jahr 18 023 Asylbewerber die Heimreise antreten. 2014 wurden 10 347 abgeschoben. Besonders stark stieg die Zahl der Abschiebungen in Bayern. Waren es im Vorjahr 1007, kam das CSU-regierte Land Ende November bereits auf 3600. In Baden-Württemberg wurden laut dem Karlsruher Regierungspräsidium in diesem Jahr 2190 Menschen abgeschoben (57 aus dem Kreis Böblingen, 59 aus dem Kreis Ludwigsburg, 170 aus der Stadt Stuttgart). Im Vorjahr waren es landesweit noch 1080 Personen gewesen.

Freiwillige Rückkehr
Bis Oktober registrierte die Karlsruher Behörde in Baden-Württemberg 4351 Personen, die freiwillig mit einem Bundes- oder Landesprogramm ausreisten, die meisten zurück auf den Balkan. Diese Asylbewerber haben kaum eine Chance zu bleiben. Aus Stuttgart reisten etwa 300 Personen aus, 2014 waren es 137 gewesen.