Mouhamed Tanko zeigt seinem Schüler, wie man eine Yam – eine Art Riesenkartoffel – richtig schält Foto: Warrlich

Wie frittiert man  Kochbananen? Daran versuchen sich 14 Teilnehmer bei einem Kochkurs mit Mouhamed Tanko aus dem Niger, organisiert von der Initiative „Über den Tellerrand kochen“. So sollen Deutsche die Flüchtlinge ungezwungen kennenlernen. Klappt das? Ein Blick unter den Kochtopfdeckel.

Berlin - Zwiebelpüree im Begrüßungscocktail? Schmeckt gar nicht so schlecht. Von Mouhamed Tanko aus dem Niger können selbst polyglotte Berliner noch etwas lernen. Er zeigt ihnen, wie man Yams – eine Art Riesenkartoffel – richtig schält: „Nein, nein, du schneidest viel zu viel von der Kartoffel mit ab!“

Welche Gewürze die rote Soße zur Vorspeise so richtig schön scharf machen: „Mir tränen allein vom Mixen die Augen“, sagt eine Teilnehmerin. Und dass Black Eyed Peas nicht nur der Name einer Band ist – sondern auch eine Bohnenart. Auf Deutsch heißen sie Augenbohnen, wegen des schwarzen, augenförmigen Flecks auf der weißen Oberfläche.

Tanko hat das Kommando, seine Kenntnisse sind gefragt

Die Bohnen sind der Hauptbestandteil des Mahls, dessen Zubereitung Mouhamed Tanko an diesem Abend seinen Schützlingen beibringt. Ein Kochkurs mit Rollentausch: Tanko, geboren und aufgewachsen im Niger, 2009 nach Europa geflüchtet, 36 Jahre alt, in schwarzem Pulli und weißer Schürze, ist der Chefkoch und Lehrer. Er hat das Kommando, seine Kenntnisse sind gefragt. Die Teilnehmer, größtenteils zwischen 20 und 35 Jahre alt und mit Uni-Abschluss oder gerade dabei, einen zu machen, sind seine Schüler.

„Flüchtlinge werden ja oft eher in der Rolle der Bittenden gesehen. Aber Mohamed ist hier nicht der Bittende“, sagt Pauline Krebs. „Jetzt noch die Paprika schneiden“, sagt Tanko, und die Kochschüler kuschen.

Einheimische sollen Flüchtlinge als ganz normale Menschen kennenlernen statt als ewig Hilfsbedürftige – das will die Initiative „Über den Tellerrand kochen“ erreichen. „Beim Thema Flüchtlinge geht es in den Medien immer um Politik und Probleme, aber ganz selten um die Menschen, die dahinterstecken“, sagt Ninon Demuth. Sie hat das Projekt gegründet. Mittlerweile ist es für die 25-Jährige und ihre zwei Mitstreiter Lisa Thaens und Rafael Strasser zum Vollzeitjob geworden. Alle zwei Wochen organisieren sie einen Kochkurs, bei dem ein Flüchtling rund 15 Teilnehmern Gerichte aus seinem Heimatland zeigt.

Kochen als Gelegenheit, sich unbefangen kennenzulernen

Begonnen hat das Projekt mit einem Kochbuch, in dem Rezepte von Asylbewerbern gesammelt waren. Mit dieser Idee hatte sich Ninon Demuth ursprünglich bei einem Wettbewerb für Sozialunternehmer beworben. Als sie beim Fototermin für das Kochbuch gemeinsam mit den Flüchtlingen gekocht hat, habe sie gemerkt „wie unbefangen und leicht man sich beim Kochen kennenlernt“.

Klappt das auch beim Augenbohnen-Eintopf mit Mouhamed? Leider kann der arme Mann sich nicht vierteilen, um in der Gruppe von 14 Teilnehmern wirklich mit jedem einzelnen länger zu sprechen. „Ich hätte gedacht, dass mehr Flüchtlinge da sind“, sagt Kochschülerin Pauline Krebs.

Später am Abend kommt dann doch noch ein längeres Gespräch mit der gesamten Gruppe zustande. Als alle Zutaten geschnippelt sind und der Bohneneintopf blubbernd auf dem Herd vor sich hin köchelt, zeigt Mouhamed Fotos aus seiner Heimat: eine karg ausgestattete Grundschule, knallbunte Kleider auf dem Markt, Kamele in einer Wüstenlandschaft. „Bei uns braucht ihr keinen Sport zu machen“, sagt Mouhamed, „der Schweiß kommt von allein. Glaubt mir.“ Die Kochschüler lachen. „Noch fünf Minuten“, ruft Organisatorin Lisa Thaens aus der Küche, wo sie während Mouhameds Präsentation den Eintopf überwacht.

„Mit Afrika hat das wenig zu tun“

Reden macht hungrig: Bald sitzt die Runde an der langen Tafel und schmaust aus edlen großen Suppentellern Mouhameds Bohneneintopf. Dazu gibt es Wein und Bier. Der Essensraum mit angeschlossener Küche ist mit Wiesenblüten dekoriert, viel Licht scheint durch die großen Fenster, und die unverputzten Wände tauchen alles in ein industrieschickes Flair.

„Mit Afrika hat das wenig zu tun“, sagt Sabine Görg, die den Kochkurs von ihrer Tochter zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Die 56-Jährige hat kürzlich drei Monate bei einer Familie in Uganda verbracht. „Da haben sich sechs Leute ein Messer ohne Griff geteilt, und mit dem Wasser mussten wir sehr sparsam sein.“ Dagegen erscheint die Ausstattung bei diesem Kochkurs geradezu luxuriös. „Aber wenigstens sieht man mal eine Kochbanane“, sagt Görk und pustet auf ihren Eintopf, der zum Essen fast noch zu heiß ist.

45 Euro zahlt jeder Teilnehmer für den Kurs, wovon je zehn Euro an den Kochlehrer gehen. Den Rest nutzen die Organisatoren, um die Kosten für die Zutaten, Planung und Versicherung zu decken. Profit machen sie mit den Kursen nach eigenen Angaben nicht.

Sie hoffen, mit dem Projekt auch Menschen zu erreichen, die sich vorher noch nicht mit Flüchtlingen in Deutschland auseinandergesetzt haben. Dafür wollen sie bald auch in anderen Städten außer Berlin Kurse anbieten. „Wir haben Anfragen von vielen Gruppen aus ganz Deutschland erhalten, wie sie das Konzept kopieren können“, sagt Ninon Demuth. Außerdem hat die Gruppe einen Marktstand und organisiert noch andere Freizeitangebote als Treff zwischen Flüchtlingen und Einheimischen, zum Beispiel gemeinsames Fußballspielen oder Grillabende.

Teilnehmer aus sozial schwachen Schichten zu erreichen dürfte aber zumindest für die Kochkurse – 45 Euro sind ein stolzer Preis – schwierig werden.

Als Lisa Thaens spät am Abend das Geld einsammelt, weht kühle Luft durch die offene Türe des Veranstaltungsraums herein. Allmählich vertreibt sie den Geruch nach gebackenem Fett, Tomatensud und Gewürzen aus der Küche. Die Gruppe löst sich langsam auf, die Kochschüler bedanken sich bei Mouhamed und strömen aus in die noch warme Berliner Sommernacht.

Ihre Erinnerung an Mouhamed, den sie heute ganz ungezwungen kennenlernen konnten, wird womöglich bald wieder verblassen. Aber eines wird wohl vielen im Gedächtnis bleiben: der Zwiebel-Cocktail, mit dem der Abend begann. Zum Abschied schreibt Mouhamed den Namen des Getränks auf einen Zettel. „Sofo“ heißt es und beweist: Zwiebeln kann man trinken. Nicht nur im Niger, sondern auch in Berlin.