Am Donnerstag hat der Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt, dass die Zufahrt zu den Neubauten über den Erich-Hermann-Weg (r.) erfolgen soll. Foto: Stadt Stuttgart

Die Bezirksbeiräte haben die Abstimmung über einen weiteren Standort für Flüchtlinge in Feuerbach vertagt. Jetzt haben ihnen die Stadträte die Entscheidung abgenommen.

Feuerbach - Die Bedenken der Anwohner gegen eine zweite Flüchtlingsunterkunft im Gebiet Schelmenäcker-Süd sind groß. Am Dienstag hatten die Hausbesitzer und Mieter noch einmal die Gelegenheit im Bezirksbeirat vorzusprechen. Viele Fragen wurden gestellt, einige Sorgen geäußert. Doch am Ende konnten die Anwohner weder die Feuerbacher Kommunalpolitiker noch die Stadtverwaltung und auch nicht den Gemeinderat davon überzeugen, auf das zweite Gebäude in Schelmenäcker-Süd zu verzichten. Am Donnerstag beschlossen die Stadträte in ihrer Vollversammlung bei fünf Enthaltungen, dass nun ab April 2015 sukzessive bis zu 156 Asylbewerber in diesem Gebiet in Feuerbach Zuflucht finden.

„Das sind zu viele. Knapp 160 Flüchtlinge können wir auf diesem engen Raum nicht aufnehmen“, schreibt die Interessengemeinschaft Schelmenäcker-Süd, der mehr als 100 Feuerbacher angehören, in einem sozialen Netzwerk. „Der soziale Friede am Lemberg ist massiv bedroht und wird mit dem Bau des zweiten Blocks beendet“, heißt es dort weiter. Möglichst viele Bürger sollten zur Bezirksbeiratssitzung kommen, um die wohl letzte Gelegenheit zu nutzen, den Bau der zweiten Unterkunft noch zu verhindern. „Lassen Sie sich direkt von Vertretern der Stadt informieren und stellen Sie Ihre Fragen. Die Herrschaften haben jetzt bereits Angst vor dem Sturm der Entrüstung in Feuerbach – zeigen Sie, dass diese Angst berechtigt ist“, lautete der Aufruf der Interessengemeinschaft.

Rund 200 Gäste drängten sich am Dienstag schließlich in den großen Saal des Feuerbacher Rathauses. Nachdem auch die als islamfeindlich und rechtspopulistisch geltende Internetplattform „Politically Incorrect“ auf den Protest der Anwohner in Schelmenäcker-Süd aufmerksam geworden und den Anwohnern zur Seite gesprungen war, hatte das auch das Antifaschistischen Aktionsbündnis Stuttgart und Region (aabs) auf den Plan gerufen. Etwa 30 meist jugendliche Mitglieder verteilten auf dem Wilhelm-Geiger-Platz Flugblätter mit der Überschrift: „Keine rassistische Hetze in Feuerbach“. Die Polizei war vor Ort, verlebte aber einen ruhigen Abend.

Stadtverwaltung soll das Fahrion-Wohnheim prüfen

Im Sitzungssaal selbst hatte Bürgermeister Werner Wölfle die Leitung übernommen – in Vertretung der Verwaltungsspitze, die entschieden hatte, dem Gemeinderat den Bau einer zweiten Flüchtlingsunterkunft in Schelmenäcker-Süd vorzuschlagen. „Wenn Sie einen anderen Standort haben, sperren wir uns nicht gegen ihn. Sie entscheiden. Deshalb sind wir heute hier. Sie haben die Wahl“, sagte Wölfle in Richtung Bezirksbeirat. Doch in Feuerbach und umsetzbar müsse der Standort schon sein. Da blieben grundsätzlich nur die Flächen an der Burgherrenstraße und am Hattenbühl übrig, die der Bezirksbeirat aber Ende 2013 schon abgelehnt hatte. „Dort sind Schulen und Kitas. Das sind nicht die idealen Standorte für eine Flüchtlingsunterkunft“, sagte Ingrid Dettinger (CDU). Martin Härer (SPD) wollte zwar über diese Alternativen noch einmal abstimmen lassen, doch dazu kam es nicht mehr.

Gabriele Heise (FDP) hatte am Ende der etwa dreistündigen Diskussion den Antrag gestellt, die Entscheidung über den zweiten Standort erst im Januar zu treffen. Bis dahin solle die Stadtverwaltung endlich prüfen, ob das Wohnheim auf dem ehemaligen Fahrion-Areal nicht doch in Frage kommen könnte. „Sie haben gesagt, dass es nicht möglich ist, weil das benachbarte Betonwerk zu laut ist. Ich habe aber keine Fakten und Zahlen von Ihnen bekommen, die das belegen. Ich hätte gerne Dezibel“, sagte Heise. Messwerte konnte die Stadtverwaltung auch an diesem Abend nicht präsentieren. Wölfle betonte jedoch, dass die Verwaltung das Wohnheim geprüft habe und weiterhin davon ausgehe, dass es als Flüchtlingsunterkunft nicht genehmigungsfähig sei. „Ich trete jetzt mit Ihnen nicht in einen juristischen Streit ein. Wenn ich Ihnen aber jetzt sage, dass es die einfachste Lösung ist, aufs Fahrion-Areal zu gehen, ist das so, als würde ich sagen, dass die Erde eine Scheibe ist.“ Er könne aus rein rechtlicher Sicht da nichts machen. „Ob ein Gericht das in der 17. Instanz anders sieht, kann ich nicht beurteilen“, sagte Verwaltungsbürgermeister Wölfle.

Obwohl das Wohnheim auf dem Fahrion-Areal für die Stadtverwaltung und auch für den Gemeinderat keine Alternative darstellte, folgten die Bezirksbeiräte mehrheitlich dem Antrag von Gabriele Heise, am Dienstag keine Entscheidung zu treffen. Mit diesem Beschluss war den Anwohnern in Schelmenäcker-Süd nicht geholfen. „Bitte verstehen Sie unsere Ängste, Sorgen und Nöte. Wir hatten uns mit dem ersten Gebäude arrangiert, und einen Monat später erfahren wir von einem zweiten Bau“, sagte Anwohner Christian Monka.

Werner Wölfle zeigt Verständnis für die Anwohner

Andere Anwohner befürchteten, dass der Boden vor Ort kontaminiert sei. Männer in Schutzanzügen seien gesichtet worden. Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften und Wohnen sprach von einem einzigen Mal, dass so etwas vorgekommen sei: „Wir haben alte Eternitplatten gefunden. Die sind asbesthaltig und mussten entsorgt werden.“ Ansonsten habe man rund 3000 Tonnen Erdaushub untersuchen lassen. Dabei seien keine Altlasten im Boden gefunden worden. Wölfle stellte in Aussicht, das Gutachten des Büros Wehrstein Geotechnik für alle einsehbar ins Internet zu stellen. Reiner Götz (Bündnis 90/Die Grünen) bezweifelte, dass es den Anwohnern um die Kontaminierung gehe: „Die 156 Flüchtlinge stören Ihre Ruhe, und Sie wollen sie nicht an Ihrer Grundstücksgrenze.“ Auch er würde für einen anderen Standort plädieren, wenn er denn einen hätte. „Aber es läuft immer darauf hinaus: ,Nicht in meinem Garten‘.“ Wölfle zeigte Verständnis für den Ärger der Anwohner, die eine freie Grünfläche in direkter Nachbarschaft verloren haben. Er konnte die Feuerbacher im Allgemeinen aber nicht von ihrer Pflicht entbinden, Flüchtlinge aufzunehmen.