Im Jahr 2002 waren Asylsuchende bereits in Königsbronn. Foto: Archiv Heinz Heiss

Am 21. Juli dürfen sich Flüchtlinge aus Sillenbuch und anderen Teilen der Stadt wie Touristen fühlen: Sie fahren dann ins bayerische Dinkelsbühl. Diese Asylausflüge gibt es inzwischen seit dem Jahr 1986.

Sillenbuch - Der 21. Juli ist für einige Flüchtlinge kein gewöhnlicher Tag. Das ist der Tag, „an dem sie rauskommen aus ihren vier Wänden“, sagt Jama Maqsudi, ein Sozialarbeiter in der Asylunterkunft an der Schemppstraße 100. Am 21. Juli machen Flüchtlinge einen Ausflug nach Dinkelsbühl. Dort werden sie picknicken, sich einen Festumzug anschauen und sich in Königsbronn die Georg-Elser-Gedenkstätte besuchen.

Mitfahren darf jeder Flüchtling, der Lust hat. Jama Maqsudi hat Zettel aufgehängt, sie werben für die Tagestour. „Manche verstehen es teils nicht“, sagt der Sozialarbeiter. Er erklärt es ihnen gern. „Und ich motiviere die Menschen aktiv“, sagt er. Denn aus der Vergangenheit weiß er, wie viel die Leute von der Ausfahrt mitbringen – an positiven Eindrücken und guten Gefühlen.

200 Menschen aus 20 Nationen verreisen einmal im Jahr

Es ist das 28. Mal, dass Asylsuchende für einen Tag verreisen. Seit dem Jahr 1986 ging es zum Beispiel schon nach Rothenburg ob der Tauber, nach Worms, an den Bodensee oder nach Ulm. Einmal im Jahr ist es so weit. Insgesamt setzen sich dann um die 200 Leute aus etwa 20 verschiedenen Nationen in die Reisebusse. Sie leben in ganz Stuttgart und der Region. Die Sillenbucher Flüchtlinge seien jeweils gut vertreten. Das sagt einer, der es wissen muss: der Erfinder dieser besonderen Ausflüge, der Asylpfarrer Werner Baumgarten.

Seine Idee war, den Gestrandeten etwas Gutes zu tun. Aber nicht nur. „Wir haben damit gegen die Residenzpflicht protestiert“, erzählt der Pfarrer. Residenzpflicht meint, dass es den Flüchtlingen aus Sillenbuch bisher verboten war, nach Kemnat zu spazieren. Weil sie innerhalb der Stadtgrenzen bleiben mussten und Kemnat Ostfildern ist. Für die Asylausflüge musste Werner Baumgarten deshalb auf Sondergenehmigungen hoffen.

Die Flüchtlinge wollen auf die Ausflüge nicht verzichten

In Baden-Württemberg gehört diese Regelung inzwischen der Vergangenheit an. Die grün-rote Landesregierung hat die Residenzpflicht 2012 gelockert. Der Radius, in dem sich Flüchtlinge nun frei bewegen dürfen, entspricht den Grenzen von Baden-Württemberg.

Angesichts dieser Neuerung hat Baumgarten erwogen, die Ausflüge ebenfalls aufzugeben. Er hat den Gedanken jedoch so schnell wieder verworfen, wie er ihm kam. „Die Flüchtlinge haben mir gesagt, sie wollen diese Ausflüge unbedingt“, sagt er. Also geht es am 21. Juli nach Dinkelsbühl. Eine Sondergenehmigung braucht er übrigens wieder – Dinkelsbühl liegt in Bayern.

Die Tagestouren sind mehr als eine Fahrt ins Blaue. Sie sind Ausflüge mit Tiefgang. „Es geht nicht nur um Schönes“, sagt Werner Baumgarten. Mindestens eine Station hat mit dem Thema Verfolgung zu tun. In Dinkelsbühl werden die Flüchtlinge im Georg-Elser-Haus etwas über den Mann lernen, der im Jahr 1939 versucht hatte, Adolf Hitler zu töten.

Die Tagestour wird mit Spenden finanziert

Trotz dieser Eindrücke, sagt Baumgarten, würden viele der Flüchtlinge hinterher fragen, „ob wir nicht gleich am nächsten Sonntag wieder einen Ausflug machen könnten“. Das geht schon allein aus finanziellen Gründen nicht. Eine Tagestour kostet alles in allem rund 5000 Euro. Geld, das Baumgarten gespendet bekommt. Die evangelischen und katholischen Gemeinden verkaufen derzeit symbolische Fahrkarten. Ein Ticket für einen Erwachsenen kostet zwei Euro, für eine Familie fallen vier Euro an. Die Flüchtlinge selbst bezahlen ebenfalls einen kleinen Betrag.