Asylbewerber in der Erstaufnahmestelle in Meßstetten Foto: dpa

Die Zahl der Asylbewerber aus dem Kosovo ist immens angestiegen. Ein verkürztes Asylverfahren soll besonders betroffenen Ländern wie Baden-Württemberg Luft verschaffen. Uneins sind die Innenminister über die Frage, on der Kosovo als sichere Herkunftsregion eingestuft werden soll.

Hannover/Stuttgart - Die Asylverfahren für Flüchtlinge aus dem Kosovo sollen radikal verkürzt werden. Der Bund wolle dafür sorgen, dass sie in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen auf 14 Tage reduziert werden, erklärte Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) am Freitag in Stuttgart. Solche „priorisierte“ Verfahren habe der Bund bei einer Telefonkonferenz der Innenminister zugesagt. Dafür wird das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aufgestockt.

Dies sei ein deutlicher Schritt, um die Flüchtlingsproblematik in den Griff zu bekommen, resümierte Gall. Derzeit dauert ein Asylverfahren im Schnitt sieben Monate. Vier von fünf neu eintreffenden Asylbewerbern in Baden-Württemberg kommen zurzeit aus dem ehemaligen Jugoslawien. Der Anteil von Flüchtlingen aus den Balkanländern ist seit Jahresbeginn drastisch gestiegen, wie aus Zahlen des Regierungspräsidiums Karlsruhe hervorgeht.

Kretschmann schreibt Brandbrief

Zuvor hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mehr Personal für die Behörde gefordert, wie die „Südwest Presse“ berichtete. Der Regierungschef bewertet den steigenden Zuzug von Kosovo-Flüchtlingen nach Angaben seines Sprechers als krisenhafte Situation.

Gall erachtet die Aufnahmekapazitäten im Südwesten mit der Möglichkeit der schnelleren Abschiebung und den neu eingerichteten Zufluchtsstätten in Sigmaringen und Villingen-Schwenningen - „Stand heute“ - als ausreichend. Am Freitag wurden mehr als 200 Flüchtlinge in den Räumen der Bundeswehrkaserne in Sigmaringen untergebracht.

Nach Worten von Gall will der Bund die serbischen Behörden mit 20 Beamten der Bundespolizei unterstützen. Sie sollen vor allem bei der Aufdeckung gefälschter Dokumente helfen. Denn ausreisewillige Kosovaren gäben sich als Serben aus, die visafrei nach Deutschland reisen könnten, um dann hier angekommen mit Verweis auf ihre wahre Herkunft Asyl zu beantragen.

Kosovo als sicherer Herkunftsstaat?

Um die Frage, ob das Kosovo als sicheres Herkunftsland eingestuft werden solle, sei es in dem Gespräch nicht vorrangig gegangen, berichtete Gall. „Das hilft uns im Moment nicht, wir haben jetzt Handlungsbedarf“, betonte er mit Blick auf die zu erwartende langwierige politische Debatte über diese Frage. Für eine solche Entscheidung müsse der Bund eine umfassende Bestandsaufnahme erstellen. Man dürfe jetzt nicht fahrlässig und ohne belastbare Fakten neue Länder in die Gruppe der sicheren Herkunftsländer nehmen.

Regierungschef Kretschmann sieht nach Angaben seines Sprechers die Einstufung des Kosovo als sicheres Herkunftsland nicht von vornherein als „die Lösung“ an, lehnt dies aber auch nicht kategorisch ab. Dies zu prüfen, sei eine Angelegenheit auf Bundesebene.

Der Landkreistag und die Südwest-CDU hatten sich angesichts der geringen Anerkennungsquote für Asylbewerber aus dem Kosovo dafür ausgesprochen, den Balkanstaat zum sicheren Herkunftsland zu erklären. Bayern dringt darauf, Albanien und Kosovo als sichere Herkunftsländer aufzunehmen.

Ende 2014 waren die Balkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien bereits dazu erklärt worden. Flüchtlinge aus solchen Staaten können schneller abgewiesen werden. Europaminister Peter Friedrich (SPD) und Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) planen, ins Kosovo zu reisen, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Die Bevölkerung nimmt Gall als weiterhin sehr offen gegenüber den Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien und dem Irak wahr. Den Menschen sei es aber wichtig, zwischen ihnen und den Wirtschaftsflüchtlingen aus dem Balkan zu unterscheiden.

Stadt- und Landkreise überfordert

Unterdessen sehen Stadt- und Landkreise ihre Befürchtung bestätigt, dass Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen bei ihnen hängen bleiben. Nach Auskunft des Städtetags zeigt die Aufstellung der Kosten für Wohnen, Gesundheit und Verwaltung, dass die Pro-Kopf-Pauschalen des Landes für Asylsuchende oft nicht reichen. „Die meisten Kreise bleiben auf Kosten sitzen“, sagte der zuständige Städtetagsdezernent Gerhard Mauch der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Genaue Zahlen wollte der Verband wegen der andauernden Verhandlungen mit dem Land noch nicht offenlegen.

Prognosen zu den Summen hatte der Landkreistag bereits im vergangenen Oktober abgegeben: Demnach blieben die Landkreise 2014 auf 49 Millionen Euro sitzen. Im laufenden Jahr würden es 81 Millionen Euro sein. Der Landkreistag betonte am Freitag, derzeit liefen Gespräche mit dem Land, erst nach deren Abschluss könne verbindlich gesagt werden, ob Defizite vom Land ausgeglichen werden oder nicht.