Manche Autofahrer sehen beim Anhaltesignal der Polizei rot und geben Gas. Foto: factum/Granville

Die Polizei will einen BMW-Fahrer kontrollieren. Doch der gibt Gas, rast durch ein Reutlinger Wohngebiet und lässt sich auch nicht von einer Straßensperre aufhalten.

Reutlingen - Zwei Streifenwagen stehen quer auf der Fahrbahn. Doch den Fahrer des 3er-BMW scheint das gar nicht zu beeindrucken. Unvermindert rast er auf die Straßensperre zu. Im letzten Moment drücken die Beamten selbst aufs Gaspedal, um einen Unfall zu verhindern. Der BMW entkommt, und die Jagd durch das Reutlinger Wohngebiet geht weiter. Erst ein Unfall stoppt die Flucht. Es habe „zum Glück nur drei leicht Verletzte“ gegeben, bilanziert die Reutlinger Polizei den Vorfall vom späten Montagabend in ihrem Bericht.

Immer wieder muss sich die Polizei gefährliche Verfolgungsjagden mit Autofahrern liefern. Den diesjährigen innerörtlichen Geschwindigkeitsrekord hält der Fahrer eines Mercedes, der Anfang Februar vor Beamten des Karlsruher Verkehrsdezernats Reißaus nahm und mit 130 Kilometern pro Stunde durch den Nachbarort Linkenheim-Hochstetten raste. Auch hier endete die Flucht mit einer vergleichsweise glimpflichen Karambolage. Verletzt wurde niemand. Dafür hatte sich der Fahrer offenbar in Luft aufgelöst. Auf dem Beifahrersitz saß ein 20-Jähriger, der behauptete, nicht am Steuer gesessen zu sein und auch über den Fahrer nichts zu wissen.

Die Streife will nur kontrollieren

Auch in Reutlingen hatten Streifenbeamte lediglich ein Fahrzeug kontrollieren wollen. Doch der Fahrer des BMW drückte aufs Gaspedal. Mit einer Geschwindigkeit von weit mehr als 100 Kilometern pro Stunde sei er über mehrere Straßen des Stadtteils Storlach gerast. Eigentlich gilt in dem Wohngebiet, das nördlich des Reutlinger Bahnhofs liegt, Tempo 30.

Die Streifenbeamten nahmen die Verfolgung auf und forderten Verstärkung an. Doch der Fahrer ließ sich nicht stoppen. Schließlich knallte der BMW in einer leichten Linkskurve mit enormer Wucht gegen einen geparkten VW-Bus. Auch ein entgegenkommendes Fahrzeug, ein Streifenwagen und drei weitere geparkte Fahrzeuge wurden beschädigt. Die Beamten überwältigten den leicht verletzten Fahrer, als er versuchte, zusammen mit seinem 36-jährigen Beifahrer zu Fuß zu flüchten.

Ein Terrorist?

Wie die Polizei inzwischen weiß, saß am Steuer kein Terrorist und auch kein gesuchter Schwerverbrecher, sondern lediglich ein 37-jähriger Reutlinger, der offenbar zu tief ins Glas geschaut hatte. Zudem dürfte er unter Drogeneinfluss gestanden haben. Gegenwärtig warte man noch auf das Ergebnis der Blutprobe, sagte ein Sprecher der Polizei. Zudem habe man mehrere Gramm einer vermutlich illegalen Droge sicher gestellt. Der Führerschein des Fahrers sei beschlagnahmt worden. Nach einer Nacht im Krankenhaus habe er aber wieder nach Hause gehen dürfen.

Bußgeldbescheid oder Mordanklage?

680 Euro Strafe, einen dreimonatigen Führerscheinentzug und zwei Punkte in der Verkehrssünderdatei sieht der Bußgeldkatalog für innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 70 Kilometern pro Stunde vor. Doch dabei werde es im vorliegenden Fall nicht bleiben, sagte der Polizeisprecher. Weitere Strafanzeigen würden der Staatsanwaltschaft vorgelegt. In der vergangenen Woche hatte der Bundesgerichtshof die Verurteilung eines Mannes wegen Mordes und versuchten Mordes bestätigt, der mit 155 Kilometern pro Stunde durch Hamburg gerast war und einen tödlichen Unfall verursacht hatte. Ob das Urteil auch Auswirkungen auf Fälle wie den des Reutlingers hat, muss sich zeigen. Im Karlsruher Fall wird der 20-jährige angebliche Beifahrer übrigens mittlerweile als Beschuldigter geführt. „Die Kriminaltechnik hat Möglichkeiten, so etwas herauszufinden“, sagte ein Polizeisprecher.