Till Polednik (links) und Jörg Trüdinger in Trüdingers Trödelladen. Foto: Leif Piechowski

Seit 30 Jahren ist an den Samstagen auf dem Karlsplatz Flohmarkt. Mittlerweile ist der Trödelmarkt von dort nicht mehr wegzudenken. Ein Grund zum Feiern für Kunden und Beschicker.

Stuttgart - Flohmarkthändler Jörg Trüdinger war von Anfang an auf dem Karlsplatz mit dabei. Blickt er von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, stellt er fest, dass sich der Trödelmarkt auf den ersten Blick in drei Jahrzehnten kaum verändert hat. Eine Beobachtung, die er mit Fotos belegt. Ob von 1983 oder 2013: Die Bilder vom Platz mit dem imposanten Reiterdenkmal Kaiser Wilhelms I. und den Ständen gleichen sich verblüffend. „Der Flohmarkt gehört zu den wenigen bleibenden Dingen in Stuttgart“, sagt der 45-jährige Stuttgarter.

Auf den zweiten Blick ist aber doch nicht mehr alles ganz beim Alten. Verändert, räumt Trüdinger ein, haben sich die Besucher. Die typischen Sammler, die etwas ganz Bestimmtes suchen und schon morgens um 7 Uhr da sind, damit ihnen niemand die Rarität vor der Nase wegschnappt, gibt es kaum noch. Sie wurden mehr und mehr von den Schnäppchenjägern abgelöst. „Was sie kaufen, ist ihnen nicht so wichtig. Hauptsache der Gegenstand ihres Interesses ist günstig“, stellt Trüdingers Kollege Till Polednik fest.

Einer, der noch zu der vom Aussterben bedrohten Kundenspezies gehört, ist Hans Dieter Mackenthun. Der 72-Jährige sammelt alte Märklin-Eisenbahnen und Zubehör, sucht auch beschädigte Exemplare. „Die repariere ich dann oder benutze sie als Ersatzteillager“, sagt er. Sein Lieblingsflohmarkt ist natürlich der am Karlsplatz – wegen der „tollen Atmosphäre“.

Designer Harald Glööcker gehörte zu den Stammkunden

Die Atmosphäre, auch die hat sich verändert. Ins Schwärmen geraten Trüdinger und Polednik, wenn sie an die 90er Jahre denken: Damals war der Flohmarkt Szenetreff von Künstlern, Promis, schrägen Vögeln. Designer Harald Glööcker gehörte zu den Stammkunden, hat bei Antiquitätenhändler Polednik nach ausgefallenem Mobiliar gestöbert. Jürgen Hubbert, ehemals Daimler-Chrysler- Manager, komplettierte auf dem Flohmarkt seine Steifftier-Sammlung. Ballettstar Marcia Haydée bummelte mit Elevinnen über den Karlsplatz, immer auf der Suche nach hübschen Flakons. „Wichtig war, dass die Parfumfläschchen aus Frankreich stammten“, erinnert sich Polednik. Und die Stuttgarter Hip-Hopper Die Fantastischen Vier haben an Trüdingers Stand mit Spielsachen wie Eisenbahnen und Auto in der eigenen Kindheit gestöbert.

Nicht nur das illustre Publikum, auch die guten Geschäfte machte die 90er zu den besten Jahren für die Händler auf dem Karlsplatz. Da kamen viele Kunden aus der Ex-DDR, die alles, was angeboten wurde, brauchen konnten und kauften. Sie verkauften aber auch. Während in den alten Bundesländern kaum ein Haushalt noch Schätze auf dem Dachboden oder im Keller hatte, gelangten aus den neuen Bundesländern und dem europäischen Osten manche Kostbarkeiten auf den Karlsplatz. Sogar schwarzes Gold aus Russland wurde feilgeboten: Kaviar – samt Krimsekt. „Zu einem Spottpreis haben das Russen einem Händler verkauft, und der hat es unter der Theke günstig weiter verkauft“, sagt Polednik. Allerdings ging das nicht lang gut. Als die Russen Sand in die Dosen füllten, brauchten sie sich auf dem Karlsplatz nicht mehr blicken zu lassen.

Geburtstagsfeier am Samstag

Mit der Wirtschaftskrise vor gut zehn Jahren und der Konkurrenz durch Internetkaufhäuser waren die wilden Flohmarktjahre auf dem Karlsplatz vorbei. Der Umsatz ist enorm eingebrochen. Umso wichtiger wurde die Positionierung als touristische Attraktion. Und manchem Touristen ist sogar der Preis für ein Souvenir egal – wie einem Chinesen. Der erstand bei Trüdinger ein Spielzeugauto „made in China“ aus den 70er Jahren. Das Modell war in seiner Heimat nicht mehr zu bekommen. Ansonsten lautet die Faustregel auf dem Flohmarkt: Handeln ist erlaubt. Der Rabatt hängt aber immer auch davon ab, ob die Chemie zwischen Verkäufer und Käufer stimmt.

Mit viel Musik gefeiert wird der 30. Geburtstag an diesem Samstag. Festeröffnung ist um 10.30 Uhr. Von 11 bis 12 Uhr entführt ein Märchenerzähler die Besucher in eine magische Welt. Anschließend mischen sich Künstler unter die Besucher. Von 14 bis 15 Uhr gibt es Zauberei.