Reges Treiben auf dem Flohmarkt. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Nach über einem halben Jahr hat der Flohmarkt auf dem Karlsplatz wieder stattgefunden – coronakonform mit halber Händlerschaft. Wir haben uns unter den Verkäufern Besuchern umgehört.

Stuttgart - „Likörgläser mit Kerbschliff, wie bei meiner Oma. Wunderschön!“ 1950er-Jahre? „Ja“, bestätigt der Händler dem jungen Paar, das auf dem Flohmarkt auf dem Stuttgarter Karlsplatz herumstreift. „Toll hier, viel zu entdecken!“, schwärmen sie – von Kronleuchtern und Besteck über Schals, Shirts und Stoffen bis zu Seifen und besonderem Spielzeug. Nebenan werden neben Plüschtieren auch Eisenbähnchen aus den 1920ern angeboten. Das Paar hat den Flohmarkt zufällig entdeckt, nichts von dessen Tradition ahnend – und dass er erstmals nach über einem halben Jahr wieder stattfindet.

Dass dies die sinkenden Inzidenzen erlauben, freut eine ältere Dame, die Möbelstücke begutachtet. Unter anderem einen lederbezogenen Stuhl im Stile des legendären Butterfly Chair, der 1938 in Buenos Aires von der Architektengruppe „The Austral Group“ entworfen wurde. „Sicher kein Original“, so die Stuttgarterin mit Kennerblick. „Er wurde `zigfach nachgemacht, aber schön. Ich suche Vintage-Möbel für meine Terrasse.“

„Flohmarkt mal anders. Nicht so voll.“

Auch ein Paar aus Esslingen stöbert. Sie seien seit der langen Lockdown-Zeit erstmals wieder in der Stadt. „Seltsames Gefühl, auch Menschen ohne Masken, als ob es Corona nicht mehr geben würde“, sagt sie. Er nickt. „Flohmarkt mal anders. Nicht so voll.“

Normalerweise stehen die Stände von 120 Händlerinnen und Händlern kuschelig nebeneinander unter den prächtigen Kastanienbäumen, die den Platz einrahmen. Jetzt sind es 55, um coronakonforme Abstände zu ermöglichen und Gedränge zu vermeiden. „Wir wechseln uns nun ab“, erläutert Jörg Trüdinger, Sprecher der Händler Flohmarkt Karlsplatz. „Wer nicht kommen kann, meldet sich ab. Wir haben eine Liste mit den Interessenten, versuchen, möglichst alle leeren Plätze aufzufüllen.“

Er sei super happy, dass der Neustart geklappt habe, meint Trüdinger. Am Mittwoch sei das noch unsicher gewesen. „Dann war Feiertag. Aber als das Ok kam, konnten wir über Facebook und die Zeitung einige Kundinnen und Kunden erreichen“, freut er sich. „Das Amt für öffentliche Ordnung ist immer sehr kooperativ, überlegt, wie es stattfinden kann.“ An anderen Orten sei das keinesfalls so. „Dort interessiert Flohmarkt nicht.“

Schallplatten wieder gefragt

Seit 35 Jahren verkauft Trüdinger Spiele, Comics und Schallplatten – und einige seiner Stammkunden hätten sich schon bei ihm blicken lassen. „Auch zum Schwätzle halten und wiedersehen. Hier ist auch ein Ort des sozialen Austauschs. Jetzt fehlen noch die Touristen.“ Als einen Ort der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung entdeckten just zudem junge Menschen den Flohmarkt, ergänzt er. „Man muss nicht alles neu kaufen für den Hausstand! Auch Schallplatten sind seit einigen Jahren wieder gefragt.“

Ebenso Vasen, betont eine Händlerin, die solche und Porzellan im Sortiment hat. Man wolle sich nun etwas gönnen, es sich zu Hause schön machen. „Die Leute haben Blumenschmuck vermisst.“ Während auch sie an diesem ersten Flohmarkttag allerlei Bekannte wiedersieht, wird an anderen Ständen betont, dass die Öffnung zu kurzfristig anberaumt wurde. „Nicht jeder konnte erreicht werden, aber es ist dennoch ein positiver Anfang“, ist sich ein Experte für Vintage-Comics und Schallplatten mit einem Händler von ätherischen Ölen einig. Letzterer bietet zudem kunstvolle Thuja-Kästchen mit Intarsien aus Marokko feil, die so manchen ins Auge stechen. Wie am anderen Ende des Platzes der außergewöhnliche Schmuck eines Kunstkenners. Der ist sich sicher: „Das mit der Kundschaft wird sich einpendeln. Aber nur wenn wir offen bleiben können. Ich wünsche mir vor allem Kontinuität!“