Fotogen: Der Max-Eyth-See glitzert in der Morgensonne. Foto: Screenshot Microsoft Fight Simulator/Weingand

Fantastische Grafik, tolles Flugverhalten und eine Landung im heimischen Badesee: Im Microsoft Flight Simulator kann man auch über der Region Stuttgart viel Spaß haben. Warum aber fehlt ausgerechnet der Flughafen Stuttgart?

Region Stuttgart - Sanft schnurrt der Motor der Cessna 172. Die Graspiste rumpelt unter dem einmotorigen Flieger hinweg, bei 55 Knoten Geschwindigkeit heben wir ab. Eine leichte Linkskurve, schon erblicken wir die Hänge des Schwäbischen Waldes. Leichte Turbulenzen schütteln das Flugzeug durch und lassen uns an Höhe verlieren. Kein Problem: Etwas mehr Motorleistung, schon werden die täuschend echt dargestellten Bäume wieder kleiner. Auf geht’s zum virtuellen Rundflug über der Region Stuttgart mit dem Flight Simulator.

38 Jahre sind in Computerspiel-Maßstäben eine Ewigkeit. Doch so lange gibt es den Flight Simulator aus dem Hause Microsoft schon. Waren die Grafik und die dargestellten Flugzeuge damals aus heutiger Sicht rudimentär, hat sich das Spiel – pardon, die Simulation – im Jahr 2020 zu einer echten Augenweide entwickelt. Das reale Wetter lässt sich in Echtzeit in die virtuelle Welt übertragen. Tobt draußen ein Gewitter, wird auch der Pixelflieger ordentlich umhergewirbelt.

So sieht die Region Stuttgart im Flight Simulator 2020 aus:

Der besondere Reiz des Flight Simulator liegt seit jeher darin, quasi die ganze Welt erkunden zu können – gleich ob per Ultraleichtflieger oder per Jumbo-Jet. Da sich auch die Straßen im Simulator sehr eng an den realen Vorbildern orientieren, fällt das Fliegen nach Karte leicht. Zunächst bleiben wir in der Stuttgarter Peripherie. Selbst winzigkleine Details wie der lokal als Rettichkreisel bekannte Kreisverkehr in Rudersberg oder der Fischteich des Althütter Angelvereins fehlen im Simulator nicht. Und mit dem kleinen Icona-Flugboot gelingt sogar eine Landung auf dem Ebnisee.

Ein weiterer Flug führt vom Flugplatz Pattonville nach Süden, über die Landeshauptstadt. Der Talkessel, der glitzernde Neckar und der Max-Eyth-See sind sehr gut getroffen, auch der Rosensteinpark und das angrenzende Bahndepot sind leicht zu finden. Die Mercedes-Benz-Arena ist dagegen kaum wiederzuerkennen. Auch das Mercedes-Benz-Museum, eigentlich ein architektonisches Highlight, finden sich im Simulator nicht. Das Neue Schloss gleicht eher einem Bürogebäude, und der Stuttgarter Hauptbahnhof wird leider nur durch Texturen dargestellt.

Note Eins-Plus für die Landschaft, eine Drei für die Gebäude

Generell gilt: Landschaft, Licht- und Wettereffekte sehen fantastisch aus. Wer aber in der Stuttgarter Gegend originalgetreue Gebäude erwartet, wird meist enttäuscht. Viele dieser Fehler im Detail sind vor allem dem Algorithmus der Software geschuldet. Dieser erkennt zwar, wo ein Gebäude steht – aber nicht, wie dieses genau aussieht. So muten zum Beispiel fast alle Gebäude in der selbst ernannten Murrmetropole Backnang, der Heimat des Stuttgarter OB-Kandidaten Frank Nopper, arg dörflich an.

Besonders ins Auge fällt auch ein riesiger Turm in Stuttgarter Hanglage – hat Microsoft etwa den zur Jahrtausendwende gescheiterten Trump-Tower doch noch realisiert? Nicht ganz. Ein Blick auf die Karte verrät, dass dieser riesige Wolkenkratzer der Stuttgarter Fernmeldeturm sein soll. Der Fernsehturm dagegen ist eine vergleichsweise winzige Baracke.

Der Flug führt weiter nach Süden, in Richtung Filder. Auf zur Zwischenlandung auf dem Flughafen Stuttgart. Doch dort, wo eigentlich der sechstgrößte Flughafen Deutschlands sein sollte, liegt nur eine verpixelte Ebene. Im letzten Flightsim aus dem Hause Microsoft war der Airport mit dem Kürzel EDDS noch dargestellt.

Warum fehlt der Flughafen Stuttgart im Flightsimulator?

Warum ist das so? In der aktuellen Ausgabe setzt der Entwickler auf eine Verzahnung mit Microsofts Karten- und dem Suchdienst Bing, dem Gegenstück zu Google Maps. Auf der Bing-Karte wird der Stuttgarter Flughafen verpixelt dargestellt – fast so, als schlummerte dort irgendein streng gehütetes Geheimnis. Eine solche Unkenntlichmachung lässt sich zum Beispiel von der Bundeswehr oder den Behörden beantragen, um bestimmte Bereiche zu schützen. Stuttgart ist nicht der einzige deutsche Flughafen, der im Simulator dem Pixelbrei zum Opfer fiel. Seltsam dabei: Große Militärbasen wie der US-Stützpunkt Ramstein sind im Simulator enthalten.

Eine Anfrage beim Stuttgarter Flughafen ergibt zumindest, dass nicht der Airport selbst hinter der Verpixelung steckt: „An einer solchen Löschung haben wir kein Interesse. Im Gegenteil, durch den Kontakt mit Flight-Simulator-Fans bekommen wir mit, dass der Airport Stuttgart sehr vermisst wird“, sagt eine Sprecherin. Ein Microsoft-Sprecher bestätigt, dass die Verpixelung schon beim Kartenmaterial von Bing der Fall gewesen sei. „Das Entwicklerstudio ist gerade dabei, die Welt im Flightsim Peu à Peu zu überarbeiten.“ Allerdings seien zunächst andere Regionen an der Reihe.

Auf die Mods der Flugsimulator-Community ist Verlass

Es gibt noch eine weitere Hoffnung: Schließlich hat sich rund um den Flight Simulator seit Jahren eine sehr aktive Modder- und Addon-Szene gebildet. Enthusiasten und Profis stellen simulierte Flugzeuge und Szenerien mal gratis, mal kostenpflichtig zur Verfügung und haben den zur Jahrtausendwende vorgestellten Flight Simulator X bis heute am Leben gehalten. Die ersten Nutzer haben sich auch schon daran gemacht, die Mercedes-Benz-Arena und den Fernsehturm für die Neuauflage des Simulators zu modellieren. Auch ein Mod mit dem Stuttgarter Flughafen kursiert schon.

Auf Mods und Drittanbieter müssen sich Flug-Fans auch verlassen, wenn es um einige Fluggeräte geht, die im aktuellen Hangar eindeutig fehlen. Denn so schön die Landschaft im Flight Simulator aussieht: Zwischenlandungen auf Flachdächern oder in Stadien sind nicht möglich, weil kein einziger Helikopter im Spiel vorkommt. Auch Oldtimer-Flugzeuge gibt es noch nicht – dabei wären mechanische Instrumente und Retro-Feeling eine schöne Abwechslung zu Farbbildschirmen und GPS-Navigation.

So fällt unser Test des Microsoft Flight Simulator aus:

Trotzdem bekommt der Flight Simulator 2020 insgesamt gute Noten: Fantastische Grafik, überzeugendes Flugverhalten, tolle Licht- und Wetterstimmungen und eine vor allem aus mittlerer Flughöhe fotorealistisch anmutende Umgebung machen den FS2020 zum bisher besten Flight Simulator. Voraussetzung für Freude an der Software ist aber natürlich, dass einem Spieler das virtuelle Knöpfe-Drücken, Elemente-Bezwingen und Navigieren grundsätzlich Spaß machen.

Grafik: 4,5 von 5

Spielspaß: 3 von 5

Atmosphäre: 3,5 von 5