Die Schweizer Kompanie Flamencos en route kommt mit ihrer neuen Produktion „Mosaico“ ins Theaterhaus. Foto: Alex Spichale

Das Ganze, das aus vielen Einzelteilen besteht: Mit unterschiedlichen Handschriften loten Flamencos en route beim Gastspiel im Theaterhaus das kreative Potenzial des Themas Mosaik aus. Begleitet werden die Tänzer bei der Deutschlandpremiere von „Mosaico“ vom Aargauer Musikensemble Chaarts.

Stuttgart - „Verlorene Schritte tu ich auf Erden, denn alles ist Luft“: Frei nach dem spanischen Dichter Lope de Vega (1562-1635) kann das Wagnis des Lebens alles sein oder nichts. Getrieben vom sich steigernden Rhythmus des „Bolero“ wenden sich die Tänzer der Kompanie Flamencos en route voneinander ab oder streben aufeinander zu, verlieren sich in geerdeten Ergebenheitsritualen oder erheben die Arme gen Himmel. Gegensätzliches bringt Brigitta Luisa Merki in ihrer aktuellen Produktion „Mosaico“ nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch zusammen. Die künstlerische Leiterin von Flamencos en route holt für „Mosaico“ auch zeitgenössische Tänzer an Bord.

Trotz der unterschiedlichen Bewegungsstile gibt Merki in ihrer neuen Produktion, die im Januar als deutsche Erstaufführung an mehreren Abenden das Stuttgarter Theaterhaus bespielen wird, der weltberühmten Musik von Maurice Ravel eine neue Stimmigkeit. Atemlos folgt das Publikum bei einer Aufführung in der Alten Reithalle im schweizerischen Aarau dem mitreißenden Wogen im Dreivierteltakt. Sequenzen später überrascht die Kompanie damit, dass sie nicht nur der flamencobetonten Bewegungssprache Merkis zu folgen weiß, sondern sich auch in den modernen Duktus von David Coria, einem jungen spanischen „Wilden“, fügen kann. So wird „Mosaico“ zum am Ende bejubelten Bühnenereignis.

Zwei Handschriften, eine Produktion

Eigentlich wollte Brigitta Luisa Merki, die die Kompanie Flamencos en route 1984 gründete und in den 34 Jahren ihres Bestehens zum kreativen, international beachteten Experimentierfeld machte, ihren choreografischen Zyklus über spanische Maler fortsetzen. Denn sowohl „Ritual & Secreto“, inspiriert von den Frauenbildern des Barock-Malers Francisco Zurbarán, als auch „a Miró“, eine verspielte Hommage an Mirós Zyklus „Danseuses espagnoles“, wurden nicht nur vom Stuttgarter Publikum mit großem Vergnügen aufgenommen. „Doch dann kam mir David Coria dazwischen“, sagt die Schweizer Künstlerin und lacht. Die Idee, in einer Produktion zwei Handschriften zu vereinen, war offensichtlich zu verlockend.

David Coria, 1985 in Sevilla geboren und am örtlichen Konservatorium zum Tänzer ausgebildet, stieß mit 18 Jahren zum spanischen Nationalballett. Seit Jahren ist der Tänzer ebenfalls als Choreograf zeitgenössischer Musik bekannt. „Auch wenn das Publikum Tänzer oder Musiker im Laufe der Jahre in unseren Produktionen wiedersieht, so sind wir als freie Gruppe doch immer offen für neue Gesichter“, sagt Brigitta Luisa Merki. Das sei organisatorisch anstrengend, aber enorm bereichernd – ganz im Sinne der aktuellen Choreografie „Mosaico“.

Was ist spannender: Das Ganze oder seine Einzelteile?

Dem Stück geht es darum, das künstlerische Potenzial des Begriffs Mosaik auszuloten. „Mosaico“ will zeigen, dass kontrastreiche Episoden letztendlich spannender sind als ein Ganzes; dafür haben sich drei zeitgenössische Tänzer und sechs Flamencotänzer zu einer jungen, vitalen Kompanie zusammengefunden, von Carmen Perez Mateos mit Streetwear-Outfits ausgestattet. Insbesondere im „Bolero“ ist diese Freiheit des Geistes optisch sehr reizvoll. Maurice Ravels Ohrwurm „Bolero“, eines der meistgespielten Werke der Orchesterliteratur, wurde eigens für „Mosaico“ vom Schweizer Musikensemble Chaarts arrangiert und bildet fein abgemischt das musikalische Entrée des Abends.

Dem Puls der Musik und der tänzerischen Individualität folgend, ist das Bewegungsspiel der Flamencotänzer ziseliert und selten herrisch, das der zeitgenössischen Tänzer impulsiv. Solche Grenzüberschreitungen stehen für die über Jahrzehnte entwickelte künstlerische Experimentierfreude von Flamencos en route – das Ergebnis ist ein atmosphärisch intensives Ganzes, in das sich auch David Corias expressive Choreografien einfügen. Schließlich sind seine modernen tänzerischen Bilder von traditionellen Flamencomotiven inspiriert, etwa von der Schmerzästhetik der „Soleá“.

„Mosaico“ von Flamencos en route ist als Deutschlandpremiere am 10. Januar 2019 im Stuttgarter Theaterhaus zu sehen. Weitere Vorstellungen gibt es vom 11. bis 13. und 16. bis 20. Januar. Tickets unter 0711/4020720.