Das Land-Baden-Württemberg will den Windkraftausbau schneller voranbringen – und schreibt deshalb Flächen im Staatswald aus. Foto: imago/Westend61/Werner Dieterich

1000 neue Windräder will die Landesregierung bis 2026 in Baden-Württemberg bauen, rund die Hälfte davon im Staatswald. Das Land will deshalb selbst mit Flächenausweisungen vorangehen. Doch nicht überall stoßen die Pläne auf Begeisterung.

Stuttgart - Zwei Prozent der Landesfläche sollen in Baden-Württemberg für den Ausbau erneuerbarer Energien genutzt werden. Die grün-schwarze Landesregierung will nun Tempo machen: „Der Krieg in der Ukraine und unsere einseitige Abhängigkeit insbesondere von fossilen Rohstoffen sowie die insgesamt angespannte Situation auf dem Energiemarkt führt uns sehr deutlich vor Augen, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien auch in Baden-Württemberg sehr viel schneller vorankommen müssen“, sagt der Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU). Dem Staatswald komme dabei eine große Rolle zu. Ein Überblick.

 

Wo genau sollen bald neue Windkraftanlagen gebaut werden?

Um den Ausbau schnell voranzubringen, identifiziert das Land durch den landeseigenen Forstbetrieb Forst BW Flächen im Staatswald, die für Windkraft geeignet sind – und schreibt sie dann aus. Grundlage sind dabei Flächen, die früher schon als Windpotenzialflächen ermittelt wurden. Das Landwirtschaftsministerium hat im vergangenen Oktober und in diesem Februar zusammengenommen elf Standorte für Windkraftanlagen im Staatswald ausgewiesen. Im Herbst waren das knapp 1900 Hektar an Fläche für bis zu 90 Windräder, unter anderem im Landkreis Ravensburg, bei Liechtenstein im Landkreis Reutlingen und im Landkreis Lörrach. Insgesamt sei das Interesse an den Flächen groß gewesen, heißt es aus dem zuständigen Ministerium, auf die sieben ausgeschriebenen Standorte seien 130 Angebote gekommen. Im Februar sind rund 900 Hektar für rund 40 Anlagen ausgewiesen worden, davon mehrere im Enzkreis. Die Frist für Angebote läuft dazu noch.

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Wie schnell kann mit den Genehmigungsverfahren begonnen werden?

Die Angebote für die erste Tranche würden aktuell geprüft, heißt es aus dem zuständigen Ministerium. Ende März würden die Ergebnisse bekannt gegeben, anschließend würden Vertragsverhandlungen geführt, danach könnten die Projektierer Genehmigungsprozesse einleiten. Und diese Verfahren können sich über Jahre ziehen. Unter den ausgeschriebenen Flächen sind durchaus auch solche, die als „bedingt geeignet“ bezeichnet werden. Das heißt: Ob irgendwo Natur- oder Artenschutz-Bedenken oder zum Beispiel Konflikte mit Flugsicherung oder Wetterradar den Plänen entgegenstehen, muss erst noch geprüft werden. Erst nach Abschluss der sogenannten imissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren wird also klar sein, wie viel gebaut wird.

Was sagen betroffene Kommunen?

Insgesamt drei Flächen wurden im Februar im Enzkreis ausgewiesen, aus mehreren betroffenen Gemeinden hatte man sich anschließend etwas überrumpelt gezeigt. Horst Martin, Bürgermeister in Neuenbürg im Enzkreis, ist dagegen nicht überrascht, schließlich habe der Gemeinderat selbst in seinem im vergangenen Jahr beschlossenen Flächennutzungsplan entsprechende Flächen ausgewiesen. Die Konzentrationsbereiche für Windkraft seien dadurch klar definiert, das Land nutze sie nun gemäß der Planung. Doch Martin rechnet durchaus mit Widerstand, der hiesige Gemeinderat lasse sich mitunter durch lautstarke Windkraftgegner beeindrucken, meint er – auch wenn die stille Mehrheit in der Stadt wohl eine gewisse Notwendigkeit für den Bau der Anlagen erkenne. Aus seiner Sicht zeigt sich das auch daran, dass die Grünen bei der Landtagswahl in Neuenbürg stärkste Kraft wurden.

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Wie äußert sich der Widerstand?

Im Enzkreis ist die Bürgerinitiative Gegenwind Straubenhardt aktiv. Seit vielen Jahren betreibe man eine Klage gegen den Windpark Straubenhardt, sagt Ingo Zerrer. „Dieser hat deswegen bis heute keine bestandskräftige Baugenehmigung.“ Auch gegen weitere Windkraftpläne will man sich wehren: „Wir halten die Windkraft und die Energiewende deutscher Machart für die größte Fehlentwicklung“, sagt Ingo Zerrer. Der Ressourcenverbrauch sei hoch, hinzukomme der Eingriff in Naturräume, Artenschutz sei ein wichtiges Thema. Alternativen könnten aus Zerrers Sicht Kernfusion oder neue Konzepte der Kernspaltung sein – von Klimaneutralität allerdings hält er sowieso nichts.

Auch Flächen im Altdorfer Wald im Kreis Ravensburg wurden ausgewiesen. Was sagen Naturschützer vor Ort dazu?

Der Altdorfer Wald nordöstlich von Ravensburg war zuletzt immer wieder in den Schlagzeilen, Baumbesetzer protestieren dort seit dem vergangenen Jahr gegen den Abbau und Export von Kies. Nun hat das Land fast 1400 Hektar in dem Waldgebiet für den Bau von Windkraftanlagen ausgewiesen. „Über den Vorschlag kann man nur sprechen, wenn gleichzeitig dargelegt wird, wo die konfliktärmsten Flächen sind und wie ein Ausgleich für den Naturschutz geschaffen werden kann“, sagt Ulfried Miller, Regionalgeschäftsführer beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Ravensburg. Bislang liege diesbezüglich noch kein Vorschlag auf dem Tisch, etwa für ein Artenhilfsprogramm für windsensible Vogel- und Fledermausarten in der Gegend. „Bei den vorgeschlagenen Flächen für Windkraft sind manche dabei, wo der Bau aus unserer Sicht gehen würde“, sagt Miller, auf anderen hält er das für schwierig. Die Naturschutzverbände seien sich aber einig darin, dass es wichtig sei, die Windkraft auszubauen – ebenso wie Fotovoltaik. „Der Klimawandel hat ja auch Einfluss auf die Arten, deshalb müssen Treibhausgase reduziert werden.“

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