Wichtige Regel in der Freikörperkultur: ein Handtuch unterlegen. Foto: Gottfried Stoppel

Textilfrei in der Natur – der Natursportbund Schwäbischer Wald feiert in diesem Sommer sein 50-jähriges Bestehen. Worin der Reiz der Freikörperkultur liegt, ist nicht ganz einfach zu erklären.

Murrhardt - Das Thermometer zeigt mehr als 30 Grad an. Auf dem weitläufigen Gelände des Natursportbunds Schwäbischer Wald in dem Murrhardter Weiler Kirchenkirnberg herrscht an diesem heißen Augustnachmittag eine träge-entspannte Stimmung. Menschen sitzen um einen Pool herum oder üben Bogenschießen – alles gänzlich unbekleidet.

Wolfgang Kohler, der erste Vorsitzende des FKK-Vereins, trägt nichts als einen Strohhut auf dem Kopf und Flipflops an den Füßen. Er nimmt auf einer der Bierbänke im Schatten Platz – dort, wo sein Handtuch liegt. Das ist eine der wenigen Regeln in der Freikörperkultur: Man lässt sich nur mit einem Handtuch als Unterlage auf Stühlen oder Liegen nieder.

Nackt sein - ein Gefühl von Freiheit

Was ist der Reiz daran, außerhalb der eigenen vier Wände nackt zu sein? „Diese Frage ist nicht zu beantworten, wenn man es nicht selbst erlebt hat“, sagt der 69-Jährige. Es gehe um ein Gefühl von Freiheit. Leute, die zum ersten Mal zum Natursportbund kommen, seien zunächst sehr gehemmt. „Aber nach einigen Stunden sind sie genauso frei wie wir. Man sieht dann einfach den Menschen, nicht mehr die nackte Figur“, versucht er zu erklären. „Man legt alles ab.“ Auch soziale Hierarchien, die in der Kleidung zum Ausdruck kommen. „Da unterhalten sich dann der Hilfsarbeiter und der Professor miteinander“, beschreibt Kohler den Effekt. Der Umgang miteinander sei viel persönlicher, deshalb duzen sich auch alle. „Man hat nix mehr zu verbergen.“

Etwa 150 Mitglieder hat der Natursportbund Schwäbischer Wald, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. „Das Gelände hier war damals, 1968, Ackerland. Es gehörte einigen der Gründungsmitglieder des Vereins“, erzählt Kohler. Anfangs seien die Mitgliederzahlen rapide gestiegen. In den Siebzigerjahren hatte der Natursportbund knapp 600 Anhänger. Kohler selbst ist 1973 eingetreten, seit 2013 ist er der erste Vorsitzende.

„Rennet ihr da wirklich nackt rum?“, werde er von Freunden und Bekannten häufig gefragt. Wer möchte, wird von dem 69-Jährigen dann auf das Gelände eingeladen, um sich einen Eindruck verschaffen zu können – auch ohne selbst die Hüllen fallen lassen zu müssen. „Ich verlange nicht gleich, dass man sich auszieht“, sagt Kohler. Die meisten seiner Freunde seien begeistert von der Atmosphäre auf dem fünfeinhalb Hektar großen Gelände.

Fotografieren verboten

Außer mit Bogenschießen und Schwimmen kann man sich die Zeit dort unter anderem mit Boule und Beachvolleyball vertreiben oder in die Sauna gehen; es gibt einen Grillplatz und rund 70 Wohnwagenstellplätze. Die werden nicht nur von Vereinsmitgliedern dauerhaft, sondern auch von Touristen aus Holland oder Bayern genutzt. „Viele von ihnen stoßen zufällig auf uns und bleiben ein paar Tage“, sagt Kohler. Die Mitglieder des Natursportbunds halten ihr Vereinsgelände selbst in Schuss, einzig für die Sanitäranlagen ist ein 450-Euro-Jobber angestellt.

Im Schatten eines Baumes sitzen zwei Männer und zwei Frauen nackt um einen Tisch herum und spielen ein Gesellschaftsspiel. Ein kleiner schwarzer Hase hoppelt an einen der Wohnwagen entlang. Insgesamt neun Tiere sind zurzeit auf den Wiesen unterwegs. Die Hasen seien auf dem Nachbargrundstück ausgebüchst und ließen sich nicht mehr einfangen, berichtet Wolfgang Kohler. Davon abgesehen sind Haustiere auf dem Vereinsgelände aber ebenso verboten wie das Fotografieren. Ein Handyverbot gibt es hingegen nicht. „Uns sind aber keine Zwischenfälle bekannt, wo jemand heimlich Bilder gemacht hat“, sagt der Vereinsvorsitzende.

Wie lässt sich verhindern, dass sich Spanner als FKK-Anhänger ausgeben und Zutritt auf das Gelände erhalten? „Wenn es potenziellen Neumitgliedern um etwas anderes geht, merkt man das irgendwie. Die lehnt man dann ab“, sagt Kohler. Das habe er tatsächlich schon einige Male getan.

FKK beginnt bei 40 plus

Das Durchschnittsalter der Mitglieder im Natursportbund liegt bei 59 Jahren. „FKK beginnt bei 40 plus“, konstatiert Kohler. Zwar seien unter den Mitgliedern einige junge Familien, aber spätestens, wenn die Kinder die Pubertät erreichen, wollten sie nicht mehr mit – zumal die Klassenkameraden oft wenig Verständnis für Freikörperkultur zeigten. Dann kämen auch die Eltern erst mal nicht mehr.

Und so sind es vor allem Paare, die regelmäßig in den Schwäbischen Wald kommen, wodurch das Mitgliederverhältnis von Frauen und Männern relativ ausgewogen ist. „Neue Mitglieder werden gleich integriert“, sagt Kohler – „wir sind nicht sehr distanziert zueinander.“ Wenn man sich erst einmal für die Freikörperkultur begeistern könne, wolle man gar nicht mehr auf Campingplätze oder an Strände, an denen FKK verboten sei. „Dann ist es einem viel zu umständlich, die nasse Badekleidung zu wechseln“, erklärt der Vereinsvorsitzende.

Doch auch die Begeisterung fürs Nacktsein hat Grenzen – nämlich dann, wenn es zu kalt wird. Wolfgang Kohler erinnert sich mit einem Schmunzeln an die Frage eines Nicht-FKK-Anhängers: „Was macht ihr im Winter? Friert ihr da nicht?“ Die Antwort hierauf ist deutlich einfacher als die nach dem Reiz des Nacktseins. Sie lautet, dass man sich auch als Freund der Freikörperkultur etwas anziehen darf.