Immer mehr Menschen lassen ihre Schritte von Aktivitäts-Trackern zählen. So kann man sich selbst motivieren, mehr Sport zu treiben. Foto: dpa

Viele Menschen leiden unter Bewegungsmangel. Mit einem Aktivitäts-Tracker kann man sich motivieren, mehr zu tun, sagt der Experte Florian Schumacher.

Stuttgart – Herr Schumacher, warum sollte man den ganzen Tag über im Blick haben, wie viele Schritte man gemacht hat?
Viele Menschen haben sich einen ungesunden Lebensstil angewöhnt und leiden zum Beispiel unter Bewegungs- oder Schlafmangel. Wenn man daran wirklich etwas ändern will, dann kann ein Aktivitäts-Tracker einen darin unterstützen. Er hilft bei der praktischen Umsetzung im Alltag, denn man sieht auf einmal, wie viel oder wie wenig man sich bewegt.
Sie gelten in Deutschland als Vorreiter der Selbstvermessung. Wie sind Sie dazu gekommen?
Schon vor vielen Jahren habe ich erkannt, dass ich mich durch Selbstvermessung zu einem gesünderen und Leben motivieren kann. Durch Activity-Tracker, Apps und andere Geräte habe ich mehr Spaß an Bewegung, Sport und guter Ernährung gefunden und gelernt, mit welch kleinen Veränderungen im Alltag ich mein Wohlbefinden verbessern kann. Diese Erfahrung machen auch immer mehr andere Menschen. Selbstvermessung hilft ihnen theoretisches Wissen und abstrakte Ziele konkret im Alltag umzusetzen.
Also wird man mit der Uhr zum Sportler?
Der Aktivitäts-Tracker ist vor allem ein Werkzeug. Er hilft, die eigene Situation neutral einzuschätzen und Verbesserungspotenziale zu erkennen. Man benötigt aber auch die Bereitschaft, etwas an seinem Lebensstil zu ändern. Es gibt Studien, die zeigen, dass Menschen mit einem Schrittzähler 40 Prozent aktiver sind als andere.
Sind die Zahlen, die ein solcher Tracker aufzeichnet denn verlässlich?
In einem Test habe ich sechs verschiedene Geräte miteinander verglichen – zum Teil mit großen Unterschieden. Dennoch werden die Geräte immer genauer und die Frage ist ja auch, was man unter einem Schritt versteht. Jede Verlagerung des Gewichts von einem auf das andere Bein wie sie auch mal im Stehen vorkommt? Oder wirklich nur, wenn ich einen Fuß vor den anderen setze? Ihren Zweck erfüllen die Geräte auch so, selbst wenn es da keine wissenschaftliche Genauigkeit gibt.
Warum?
Weil es bei den Aktivitäts-Trackern um Selbstmotivation geht. Dabei ist es egal, ob am Anfang 4000 oder 5000 Schritte angezeigt werden. Es geht um die relative Veränderung, die alle Geräte zuverlässig aufzeigen können. Nur wenn man sich mit anderen vergleicht, könnte die Messungenauigkeit ins Gewicht fallen, aber auch das sollte man locker sehen.
Kann man danach süchtig werden, sich zu vermessen?
Nein, die meisten Menschen nutzen ihre Aktivitäts-Tracker nur einige Monate oder so lange wie er für sie hilfreich ist. Nützlich ist er vor allem am Anfang, damit man weiß wo man steht. Dann entdecken viele Menschen Möglichkeiten ihre Gewohnheiten zu verändern und sich mehr zu bewegen. Das ist vor allem ein Lernprozess. Vielleicht läuft man kurze Strecken einfach zu Fuß oder man steigt eine Haltestelle früher aus dem Bus. Eine Sucht nach Selbstvermessung halte ich für unwahrscheinlich.
Die Aktivitäts-Tracker messen die Anzahl der Schritte, wie lange man sitzt, wie viele Kalorien man verbraucht oder wie lange man schläft. Was macht man mit diesen Daten?
Ich nutze die Daten im Alltag und beim Sport als direktes Feedback. Wie schnell bin ich mit dem Rennrad unterwegs? Wie schnell trete ich in die Pedale und wie hoch ist dabei mein Puls? Damit kann ich an meiner Fahrtechnik arbeiten. Profis würden die Daten noch analysieren. Warum war ich am Montag schneller als am Dienstag? Wie muss ich mein Trainings-Pensum über die Woche verteilen, um optimale Fortschritte zu machen?
Mir reicht es, etwas über mich und meinen Körper zu erfahren. Aktivitäts-Tracker können aber auch noch auf eine andere Art motivieren.
Wie denn?
Durch einen kleinen Wettbewerb mit den Freunden. Im Team sind viele Menschen viel erfolgreicher dabei, ihre Ziele zu erreichen, Der Vergleich kommt daher meist allen zu gute.
Auf solche Daten könnten auch Krankenkassen scharf sein. Könnte das ein Risiko sein?
Den meisten von uns ist klar, dass wir unsere Lebensweise verändern müssen. Und viele Krankenkassen bieten ja bereits Rabattprogramme an, etwa wenn man im Fitnessstudio trainiert. Wer einfach nur Joggen geht oder Fahrrad fährt, wird dabei benachteiligt, denn er hat keine Rechnung, die er bei der Krankenkasse einreichen könnte. Digitale Lösungen könnten solche Rabattprogramme also auch fairer machen. Allerdings sollten wir uns dazu erst einmal die Frage stellen, welche Funktion die Krankenkasse für uns hat.
Welche Funktion sollten sie denn haben?
Ich bin der Meinung, dass die Krankenkasse wie ein Trainer sein sollte, der mich aktiv dabei unterstützt, ein möglichst gesundes Leben zu führen. Sie sollte ein Verbündeter mit gleichem Interesse sein: der Prävention von Krankheiten. Denn dadurch erspart sich der einzelne viel persönliches Leid durch chronische Erkrankungen und die Kassen sparen Geld. Es hätten also beide Parteien etwas davon. Ich glaube, dass sich unser Gesundheitssystem in diese Richtung bewegen muss.